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Abgasskandal! Daimler-Aktie gerade jetzt kaufen?

Der Begriff Volkswagen 2.0 macht schon die Runde: Von 2008 bis 2016 soll Daimler mehr als eine Million Fahrzeuge in Europa und den USA mit einem zu hohen Schadstoffausstoß verkauft haben. Droht ein Daimler-Gate? Für die Stuttgarter könnte es knüppeldick kommen – vorerst: Droht der Aktien ein großer Crash? Oder ist es genau umgekehrt – schlägt gerade jetzt die Stunde der nervenstärksten Börsianer?

BÖRSE am Sonntag

Der Begriff Volkswagen 2.0 macht schon die Runde: Von 2008 bis 2016 soll Daimler mehr als eine Million Fahrzeuge in Europa und den USA mit einem zu hohen Schadstoffausstoß verkauft haben. In der Dieselgate-Affäre könnte es für Daimler demnach knüppeldick kommen – vorerst. Droht der Aktien ein großer Crash? Oder schlägt gerade jetzt die Stunde der nervenstärksten Börsianer?

Betrug und strafbare Werbung „im Zusammenhang mit der Manipulation der Abgasnachbehandlung an Diesel-Pkw“. So lautete der Verdacht, der Ende Mai die Durchsuchung von zahlreichen Daimler-Standorten durch ein Großaufgebot von Polizei und Staatsanwaltschaft auslöste. Ziel der 230 eingesetzten Beamten war es, Beweismaterial sicherzustellen. Das ist ihnen offenbar gelungen: Wie aus dem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart hervorgeht, auf den sich ein Bericht der Süddeutschen Zeitung, NDR und WDR beruft, sollen über eine Millionen Daimler-Fahrzeuge mit manipulierter Abgasmessung zwischen 2008 und 2016 in Europa und den USA verkauft worden sein.

Es heißt, Autos und Kleintransporter mit den Motoren OM 642 und OM 651, die noch bis 2016 bei Daimler in vielen Fahrzeugserien und diversen Mercedes-Klassen eingebaut wurden, seien dabei betroffen. Aktuell prüft die Staatsanwaltschaft Stuttgart, ob die beiden Motorenreihen eine unzulässige Abschalteinrichtung enthielten, durch die die Abgaswerte auf dem Prüfstand besser waren als beim tatsächlichen Gebrauch. Daimler äußert sich folgendermaßen zu dem Sachverhalt: „Wir kooperieren vollumfänglich mit den Behörden. Spekulationen kommentieren wir nicht.“

Derzeit bleibt abzuwarten, ob gegen Daimler-Mitarbeiter Anklage wegen Betruges durch die Manipulation der Abgasnachbehandlung erhoben wird. Laut Staatsanwaltschaft handelt es sich bei den zwei Verdächtigen allerdings nicht um Vorstandsmitglieder. Daher reagieren viele Analysten eher gelassen auf die Vorwürfe und vertrauen zudem weiterhin darauf, dass Daimler keine Gesetze verletzt hat. „Uns trösten die anhaltenden Beteuerungen von Daimler, dass ihre Fahrzeuge die relevanten, wenn auch lockeren Vorschriften einhalten“, meint Christoph Schlüter von der Citi Bank etwas vage. Was sollen Trader und Anleger nun davon halten?

Daimler könnte gerade jetzt interessant sein

Das muss kein Grund sein, die Finger von der Daimler-Aktie zu lassen. Die französische Investmentbank Exane BNP Paribas stuft die Aktie trotz des Dieselskandals sogar hoch und rät nun ausdrücklich vom Verkauf des Papiers ab. Analyst Stuart Pearson hebt dabei die starke Ausrichtung der deutschen Hersteller auf den chinesischen Markt positiv hervor, wo die Nachfrage nach Premiumfahrzeugen zunehme. Auch Kristina Church von der britischen Investmentbank Barclays macht darauf aufmerksam, dass das Thema Diesel nicht alleine über Wohl und Weh von Daimler entscheide. Aus ihrer Sicht honoriere der Markt nicht ausreichend positive Trends wie etwa die Elektrifizierung in der Autobranche. Dabei dürfte die Daimler-Pkw-Tochter Mercedes im Bereich autonomes Fahren durch Kostenverteilungen auf den gesamten Konzern weiter fortgeschritten sein als der Rest der Branche.

Arndt Ellinghorst vom Investmentberater Evercore ISI scheint die Vorwürfe als nicht allzu dramatisch einzuschätzen und bewertet den Vorgang als Verteufelung von Diesel, die „mehr in Mode gekommen ist, als Rose-Flaschenkorken in Südfrankreich knallen zu lassen".

Ob der Kauf von Daimler-Titeln nach den jüngsten Negativschlagzeilen langfristig aus der Mode kommt, bleibt abzuwarten. Zum Handelsstart am Donnerstag nach Veröffentlichung des Medienberichts zum Dieselskandal bei Daimler gaben die Papiere der Schwaben um 3 Prozent nach, lagen am frühen Nachmittag aber nur noch 0,95 Prozent im Minus bei 64,84 Euro. Seit Jahresbeginn blickt die Marke mit dem Stern somit auf einen Kursverlust von acht Prozent zurück – damit belegt Daimler den letzten Platz im Dax, der im selben Zeitraum um zehn Prozent zulegen konnte.

Drohende Strafzahlungen, in der Höhe schwer kalkulierbare Kosten für mögliche Nachrüstungen und der noch nicht absehbare Imageverlust könnten die Aktie künftig kräftig unter Druck setzen. Dennoch dürfte das Papier mit seiner hohen Dividendenrendite und der relativ niedrigen Bewertung auch weiterhin viele Aktionäre überzeugen. Insgesamt gesehen scheint die Daimler-Aktie wegen des ungewissen Ausgangs des Dieselgate-Skandals aktuell aber eher etwas für risikofreudige Investoren zu sein.

Wenngleich der Begriff „Volkswagen 2.0“ im Zusammenhang mit der Dieselaffäre rund um Daimler die Runde macht, erscheint der Vergleich als wenig zutreffend. Max Warburton von Bernstein Research weist darauf hin, dass Volkswagen in den USA gewaltige Kosten zu begleichen hatte. Allerdings seien die Wolfsburger in Europa für die Manipulationen der Abgaswerte von Dieselfahrzeugen nicht bestraft worden. Somit geht er nicht davon aus, dass Daimler in Europa anders behandelt werden könne. Und in den USA habe Daimler vergleichsweise wenige Diesel-Fahrzeuge verkauft. Möglicherweise wird er mit seiner Einschätzung Recht behalten und Daimler kommt im Vergleich zu Volkswagen mit einem blauen Auge davon. Beschmutzt ist das Image der Stuttgarter durch die Dieselaffäre dennoch. Der Stern glänzt also bei Weitem nicht mehr so makellos sauber wie noch zu früheren Zeiten. WIM