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Chipkrise: Tesla lässt deutsche Hersteller ganz schön alt aussehen

Fehlende Halbleiter zwingen die deutschen Autohersteller zur Produktionsstopps und Kurzarbeit. Millionen Fahrzeuge können nicht gebaut werden. Bei Tesla dagegen freut sich Elon Musk über immer neue Produktions- und Auslieferungsrekorde. Wie kann das sein?

Elon Musk steht zum Tag der offenen Tür der Tesla Gigafactory in Grünheide auf der Bühne. Ende 2021 die ersten Fahrzeuge vom Band rollen. Das US-Unternehmen will hier jährlich rund 500.000 Exemplare vom Model Y bauen. (Foto: Patrick Pleul / Picture Alliance)

Fehlende Halbleiter zwingen die deutschen Autohersteller zur Produktionsstopps und Kurzarbeit. Millionen Fahrzeuge können nicht gebaut werden. Bei Tesla dagegen freut sich Elon Musk über immer neue Produktions- und Auslieferungsrekorde. Wie kann das sein?

Der Mangel an Halbleitern macht Deutschlands Schlüsselbranche schwer zu schaffen. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) senkte nun seine Prognose für die PKW-Produktion im laufenden Jahr um 18 Prozent auf nur noch 2,9 Millionen Fahrzeuge. Bereits im August gingen die Auslieferungszahlen im Vergleich zum Vorjahr um 23 Prozent zurück. Im September liefen nun sogar 26 Prozent weniger Autos von den Bändern. Damit dürfte die Chipkrise die deutschen Hersteller um Volkswagen, Daimler und BMW stärker treffen, als die Coronapandemie im vergangenen Jahr. „Derzeit können Millionen Autos nicht gebaut und ausgeliefert werden“, weist Peter Fuß, Automobilexperte bei der Unternehmensberatung Ernst & Young (EY), auf die prekäre Situation am Markt hin. „Inzwischen ist es ausgeschlossen, dass wir in diesem Jahr auch nur in die Nähe des Vorkrisenjahres 2019 kommen – tatsächlich wird der Absatz sogar niedriger liegen als 2020.“ In den ersten neun Monaten des laufenden Jahres wurden laut VDA ein Prozent weniger Fahrzeuge verkauft als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Gegenüber 2019 sind es 25 Prozent weniger. Ein Ende der Lieferengpässe ist vorerst nicht in Sicht. Volkswagen rechnet bis Ende nächstes Jahres mit einem Mangel an Halbleitern. BMW-Chef Oliver Zipse äußerte sich jüngst auf der IAA ganz ähnlich und sprach von einer „grundsätzlichen Anspannung in den Lieferketten für die nächsten sechs bis zwölf Monate“.

Deutschlands Autoriesen könnten also in diesem, wie im nächsten Jahr, Milliarden verlieren. Kurzarbeit müssen sie längst nicht mehr wegen der Coronakrise anmelden, sondern aufgrund eigener Versäumnisse in der Beschaffung. Das unterstreichen die jüngsten Zahlen von E-Auto und Premiumkonkurrent Tesla. Während in Wolfsburg, München und Stuttgart die Bänder stillstehen, eilen die Kalifornier von einem Auslieferungs- und Produktionsrekord zum nächsten. Im dritten Quartal brachte Tesla über 240.000 Autos an den Kunden. 53 Prozent mehr, als noch 2020. Im Quartal zuvor erzielte die Firma zum ersten Mal einen Nettogewinn von über einer Milliarde US-Dollar.

Wie ist das überhaupt möglich?

Wie kann es sein, dass sich einige der größten Autokonzerne der Welt ganz offensichtlich von Tesla – im Vergleich ja nach wie vor ein kleiner, spezialisierter Player – derart die Show stehlen lassen?

Zum einen liegt es an ihnen selbst. Als die Corona-Krise im Frühjahr 2020 mit voller Wucht zuschlug, stornierte die Autoindustrie eine Vielzahl an Halbleiterbestellungen, woraufhin sich die großen Auftragsfertiger umorientierten und neue Verträge mit Pandemie-Gewinnern, wie der Elektronikindustrie abschlossen. Den einsetzenden Aufschwung bemerkte man in der Folge offenbar zu spät und gab neue Bestellungen nicht rechtzeitig in Auftrag, womit andere Unternehmen nun zunächst Vorrang haben.

Zum anderen liegt es an Tesla und einigen klugen Schachzügen von Elon Musk. Die US-Investmentbank Morgan Stanley hat jüngst in einer Mitteilung an Investoren vier Faktoren ausgemacht.

Was macht Tesla besser?

Zunächst einmal profitiert Tesla von einer besonders gut ausgereiften, vertikalen Integration. Während die deutschen Hersteller allein auf Zulieferer angewiesen sind, scheint Tesla zumindest in Teilen in der Lage, sich fehlende Chips einfach selbst zu bauen. Offenbar benutzten die Kalifornier zuletzt vermehrt alternative Halbleiter und schrieben dafür Software um. Ein klarer Know-How-Nachteil also für Deutschlands einstige Vorzeigeindustrie, der einer Schmach gleichkommt.

Überdies verwendet Tesla laut den Morgan Stanley-Experten nicht die Standard-Chips, wie dies ein Großteil der Konkurrenz tut, sondern die technologisch besten und modernsten. Dies könnte ein Vorteil in der Beschaffung sein, da laut der US-Bank vor allem die „normalen“ Chips knapp sind.

Drittens könne Tesla Druck auf seine Lieferanten ausüben, weil der Autobauer selbst in der Lage ist Chips zu produzieren. Das würde die eigene Verhandlungsposition deutlich stärken, glauben die Morgan Stanley-Analysten.

Als vierten Grund nennen die Experten Größeneffekte. Das klingt zunächst einmal wenig nachvollziehbar, verkaufen Daimler, BMW und VW doch nach wie vor weit mehr Fahrzeuge als Tesla. Aber hier ist das Wachstum gemeint. Tesla wächst so rasant, dass viele Halbleiter-Hersteller die Kalifornier als strategisch wichtigen  Kunden der Zukunft wahrnehmen.

Für die Zukunft ist Elon Musk entsprechend optimistisch. Der Chipmangel in der Autobranche sei „kurzfristiger Natur“ sagte er vor kurzem auf der Italien Tech Week in Turin. Aktuell würden genügend Chipfabriken gebaut, um die nötige Kapazität bald zu liefern. „Ich hoffe es auf jeden Fall, aber es sieht danach aus“, fügte er an.

Das wäre auch für Deutschlands Hersteller eine gute Nachricht. Fraglich bleibt dennoch, warum Tesla schafft, was einige der größten Autokonzerne der Welt offenbar nicht schaffen: Entwicklungen richtig abschätzen, Alternativen vorbringen, Absicherungen rechtzeitig implementieren. Freilich, auch Tesla leidet unter Chip-Engpässen, aber eben bei weitem nicht in dem bedrohlichen Ausmaß, wie die deutschen Hersteller, die nun auch aufgrund eigener Versäumnisse weiter mit Steuergeld subventioniert werden müssen, obwohl die eigentliche Nachfrage hoch ist. Tesla lässt die deutsche Konkurrenz ganz schön alt aussehen – mal wieder.

OG

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