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Landespolitiker ohrfeigen VW-Vorstände

Die Dieselaffäre sorgt bei VW für neuen Zwist. Bei der Abstimmung über die Entlastung von Winterkorn und Diess enthielt sich das Land Niedersachsen – das ist fast schon mehr als nur eine Ohrfeige für den VW-Markenchef. Auslöser sind neue Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig.

BÖRSE am Sonntag

Die Dieselaffäre sorgt bei VW für neuen Zwist. Bei der Abstimmung über die Entlastung von Winterkorn und Diess enthielt sich das Land Niedersachsen – das ist fast schon mehr als nur eine Ohrfeige für den VW-Markenchef. Auslöser sind neue Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig.

Durch den Aufsichtsrat von Volkswagen geht wegen des Dieselskandals ein neuer Riss. Bei der Abstimmung über die Entlastung des früheren Vorstandschefs Martin Winterkorn und des aktuellen VW-Markenchefs Herbert Diess hat sich das Land Niedersachsen der Stimme enthalten. Mit der Mehrheit der anderen Großaktionäre wie der Familien Porsche und Piëch sowie der Qatar Holding haben Winterkorn und Diess am späten Mittwochabend trotzdem die Entlastung durch die Hauptversammlung bekommen.

Auslöser für das abweichende Abstimmungsverhalten des Landes Niedersachsen waren neue Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Braunschweig. Am Montag war bekannt geworden, dass die Staatsanwälte ein Verfahren gegen Winterkorn und Diess wegen des Verdachts auf Marktmanipulation eingeleitet haben. Sie sollen die Aktionäre zu spät über die Ermittlungen der US-Umweltbehörden in der Dieselaffäre informiert haben. Ausgangspunkt war eine Anzeige der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) in Frankfurt.

Die Bafin vermutet, dass die VW-Vorstände gegen die Publizitätspflicht verstoßen haben. Die Volkswagen-Führung habe ihre Aktionäre viel zu spät über die Dieselgate-Ermittlungen der US-Umweltbehörden informiert; intern seien die Untersuchungen in den USA schon viel länger bekannt gewesen. Winterkorn und Diess bleiben möglicherweise nicht die einzigen Beschuldigten. Das Verfahren könnte bei einer entsprechenden Beweislage auf den gesamten Vorstand ausgeweitet werden. Es geht hier um die sogenannte „Organverantwortung“ des Vorstandes.

Konnten Winterkorn und Diess trotz der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft entlastet werden? Für Ministerpräsident Stephan Weil und Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD) war diese Frage besonders heikel. Als Politiker stehen sie stärker als die Vertreter der Familien Porsche und Piëch im Licht der Öffentlichkeit. Die Abstimmung über die beiden VW-Manager hätte auch bis zur nächsten Hauptversammlung und damit bis zum Abschluss der Ermittlungen verschoben werden können.

Im Unterschied zu Winterkorn und Diess haben die anderen Vorstandsmitglieder des VW-Konzerns die Entlastung von allen großen Anteilseignern – also auch des Landes Niedersachsen – bekommen. Genauso wurden auch alle Mitglieder des Aufsichtsrates mit großer Mehrheit auf der Hauptversammlung entlastet.

Der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch bedankte sich für das Abstimmungsergebnis. Vorstand und Aufsichtsrat sei damit das nötige Vertrauen ausgesprochen worden. Die Entlastung auf dem Aktionärstreffen in Hannover war alles andere als eine Überraschung. Die Familien Porsche und Piëch hatten schon vor der Hauptversammlung angekündigt, dass sie für den kompletten Vorstand und den Aufsichtsrat stimmen würden.

In der Debatte auf der Hauptversammlung hatten Vertreter institutioneller Anleger und auch viele Kleinaktionäre scharfe Kritik an der geplanten Entlastung geäußert. „Es gibt in Wolfsburg keine klare Trennung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat“, meinte etwa Markus Dufner von der Gemeinschaft Kritischer Aktionäre. Bei Volkswagen gebe es große Defizite in der „Corporate Governance“, wie das Beispiel der Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat zeige. Handelsblatt / Stefan Menzel