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RWE-Aktie: Finger weg!

Einst war sie das Lieblingspapier deutscher Fonds und konservativer Anleger. Heute ist die RWE-Aktie eine Desaster-Anlage. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Und bei der britischen Konzerntochter rollen bereits Köpfe.

BÖRSE am Sonntag

Einst war sie das Lieblingspapier deutscher Fonds und konservativer Anleger. Heute ist die RWE-Aktie eine Desaster-Anlage. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Und bei der britischen Konzerntochter rollen bereits Köpfe.

Die vergangenen fünf Jahre waren für Aktien-Anleger großartig. Fast alle großen Standard-Werte sind kräftig gestiegen, und selbst nach dem Rücksetzer in diesem Sommer zeigen die meisten Portfolios schöne zweistellige Renditen. Nicht so bei der RWE-Aktie. Binnen fünf Jahren verloren Anleger hier 70 Prozent ihres Investment, in den letzten drei Jahren waren es auch immer noch 55 Prozent. Wer erst vor einem Jahr eingestiegen ist, weil er hoffte, jetzt nun Kaufkurse zu sehen, der könnte 45 Prozent bei jetzigem Verkauf der Papiere abschreiben. Alleine im letzten Monat gab es einen Kursverlust von gut 23 Prozent.

Selten galt die Börsenweisheit „Greife niemals in ein fallendes Messer“ so sehr wie im Falle RWE. Für den gebeutelten Energiekonzern RWE, einstige Ruhrgebiets-Melkkuh, zugleich die faktische Vermögensversicherung vieler westdeutscher Städte, wird es immer schlimmer.

Erneut meldet RWE einen deutlichen Gewinnrückgang. Dazu protestieren Umweltaktivisten gewalttätig am Tagebau Garzweiler. Und im Gefolge der deutschen Energiewende kommt eine Hiobsbotschaft nach den anderen ins wankende RWE-Haus. Kernkraftwerke müssen abgeschaltet werden, Verlustausgleiche zahlt der Staat aber nicht, Milliarden werden abgeschrieben, die Rückstellungen für den Atomausstieg, immerhin ein zweistelliger milliardenbetrag – sie reichen bei weitem nicht. Wie eine neue deutsche Öko-Planwirtschaft könnte anmuten, was RWE hier hart und ungebremst trifft. Im ersten Halbjahr musste RWE beim Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) einen Rückgang um sieben Prozent auf 3,2 Milliarden Euro verkraften. Das um Sondereffekte bereinigte Nettoergebnis sank um 28 Prozent auf 543 Millionen Euro. Dabei war der Umsatz mit 25,1 Milliarden Euro nahezu stabil geblieben. RWE machte in erster Linie den „fortgesetzte Margenrückgang in der konventionellen Stromerzeugung“ dafür verantwortlich.

Aktienkurs: Kaum Hoffnung auf bessere Zeiten

Die britische Investmentbank HSBC hat aufgrund der jüngst vorgelegten Halbjahreszahlen RWE auf „Reduce“ eingestuft. Analyst Adam Dickens senkte seine Gewinnprognosen für die Jahre 2015 bis 2017 um durchschnittlich neun Prozent pro Jahr. Weitere Gründe für die Herabstufung waren sinkende Strompreise sowie politische Unwägbarkeiten. Ebenso hat Kepler Cheuvreux RWE auf „Reduce“ eingestuft. Die Gründe dafür sprechen die Analysten klar aus: es sind die politischen Entscheidungen der Bundesrepublik Deutschland zur Energiewende und deren negative Auswirkungen auf RWE.

Kaum Hoffnung auf bessere Zeiten scheint's zu geben, doch die französische Investmentbank BNP Paribas traut der Aktie eine Steigerung zu und stuft sie auf 31 Euro. Grund dafür sei die Prognose für wieder steigende Strompreise und das diverse Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit dem Atomausstieg gut für das Essener Unternehmen ausgehen dürfte. Auch der vergleichsweise niedrige KGV von 8,55 – der drittniedrigste im gesamten DAX – könnte darauf hindeuten, dass das Papier schon sehr schlecht bewertet wurde und sich demzufolge irgendwann wieder erholen müsse. Die massiven Probleme des Unternehmens bleiben aber bestehen.

Ähnliche Probleme hatte auch Eon angesprochen. Das ist kein Zufall. Die deutschen Energieriesen kämpfen in ihrem bisherigen Kerngeschäft Seite an Seite mit der Energiewende und den drastischen Verwerfungen auf dem Energiemarkt. Die großen Atom-, Kohle- und Gaskraftwerke werden durch die boomenden erneuerbaren Energien, die vorrangig ins Netz gespeist und mit reglementierten Festpreisen bezahlt werden, zunehmend aus dem Markt gedrängt. Im Terminmarkt wird eine Megawattstunde Strom, die kommendes Jahr geliefert werden soll, für gerade noch 30 Euro gehandelt. Vor drei Jahren waren es 20 Euro mehr. Entsprechend sind die Gewinne in der Stromerzeugung zusammengeschmolzen. Gaskraftwerke rechnen sich schon lange nicht mehr, Steinkohlekraftwerke auch immer weniger und inzwischen bekommen sogar Braunkohle- und Atomkraftwerke Probleme. 

Gutes Vertriebsgeschäft in Europa: Trotzdem rollen Köpfe

Doch da ist ein großer Unterschied. RWE hat ein riesiges, hausgemachtes Problem. Während Eon erkennbare Maßnahmen gegen den Niedergang erkennen lässt und zum Beispiel den Konzern prinzipiell in eine rentable und eine unrentable Hälfte geteilt hat, scheint RWE dem Abgrund unaufhaltsam immer weiter entgegen zu trudeln. Bei dem schon dem Namen nach rheinisch-westfälisch geprägten Energiereisen sanken die Ergebnisse in der Stromproduktion um 27 Prozent auf 750 Millionen Euro. „Hauptgrund dafür war, dass wir den Strom unserer deutschen und niederländischen Kraftwerke zu niedrigeren Großhandelspreisen abgesetzt haben als 2014“, teilte RWE mit. Hinzu kommt aber auch ein hausgemachtes Problem. Bei der britischen Tochter N-Power brach das Ergebnis um 60 Prozent auf 53 Millionen Euro ein. RWE Konzernchef Peter Terium reagierte auf die miserablen Zahlen aus Großbritannien und wechselte die Führung der Britisches Tochter aus. Sowohl CEO Paul Massara, als auch Finanzvorstand Jens Madrian müssen gehen.

Dabei lief das Vertriebsgeschäft bei RWE europaweit eigentlich gut. Es gebe aber „unerwartete operative und technische Probleme im britischen Vertriebsgeschäft“, teilte RWE mit. Am vergangenen Montag hatte sich Vorstandschef Peter Terium dann vom Aufsichtsrat seine Pläne für einen großangelegten Umbau absegnen lassen. Im Gegensatz zu Teyssen schreckt Terium aber vor einer Aufspaltung des Konzerns um, er möchte den Konzern nun aber auch besser auf die Energiewende ausrichten. Endlich. Die Konzernzentrale soll von einer Management-Holding zu einer operativen Gesellschaft werden. Dafür wird der Vorstand von vier auf sieben Mitglieder aufgestockt. Neben Terium, Finanzvorstand Bernhard Günther und Personalvorstand Uwe Tigges werden künftig auch vier Chief Operating Officer die Bereiche konventionelle Stromproduktion, erneuerbare Energien, Vertrieb und Netze leiten. Gleichzeitig strafft RWE die Strukturen in Deutschland. Von 90 GmbHs werden 30 aufgelöst, von fünf Aktiengesellschaften drei. Viele Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte werden überflüssig. Terium muss RWE schlanker und schneller machen, damit der Konzern in der neuen Energiewelt bestehen kann. 

Die Abspaltung der Stromproduktion – die faktische Aufspaltung des Konzerns also – steht für Terium nach wie vor nicht auf der Agenda. Zwar will Terium den Schritt für die Zukunft nicht „kategorisch“ ausschließen, derzeit sieht er dafür aber keine Notwendigkeit. Es ist nicht immer gut, first mover zu sein“, betont er stattdessen. Manchmal sei es besser, „fast follower" zu sein. Aber es ist eben auch wichtig, nicht „last follower“ zu sein. Denn den Letzten beißen die Hunde. Die RWE-Aktie spiegelt es wider – bitter für alle Anleger.  

VAL