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Siemens startet Windkraft-Offensive

Offshore-Windparks waren bislang ein Minusgeschäft – diese Tatsache wurde im Sog des Wohlgefallens rund um die Energiewende bislang gerne verschwiegen. Auch Siemens ist davon nicht verschont geblieben – rund eine Milliarde Euro versenkte der Münchner Technologieriese im Nordseeschlick. Nun soll dies alles Vergangenheit sein.

BÖRSE am Sonntag

Offshore-Windparks waren bislang ein Minusgeschäft – diese Tatsache wurde im Sog des Wohlgefallens rund um die Energiewende bislang gerne verschwiegen. Auch Siemens ist davon nicht verschont geblieben – rund eine Milliarde Euro versenkte der Münchner Technologieriese im Nordseeschlick. Das größte Problem waren nicht die riesigen Windräder, sondern die Leitungen, die Stromrichter-Plattformen, die Kabel – die Korrosion, das Salz, der Rost.

Nun soll dies alles Vergangenheit sein. Siemens, weltweiter Marktführer für Offshore-Wundparks, baut für 200 Millionen Euro eine neue Windkraft-Fabrik in Cuxhaven, wie das Handelsblatt berichtet. Baubeginn soll noch in diesem Jahr sein. Deutschlands größter Industriekonzern kann inzwischen offenbar nicht nur die Technologie besser steuern – nein, die Offshore-Anlagen sollen jetzt auch wettbewerbsfähig laufen können. Für die in der Praxis extrem schwierige Anbindung von Meerwindparks an das Stromnetz auf dem Festland und damit an Privathaushalte und Industrieanlagen scheinen neue Lösungen gefunden.

Das niedersächsische Cuxhaven ist eine extrem strukturschwache Region, und das schon seit 70 Jahren. Die neue Großbaustelle der Siemensianer dürfte in vielen Augen wie ein Hoffnungsschimmer aussehen, denn 1.000 Arbeitsplätze oder sogar etwas mehr könnten hier entstehen. Bereits im übernächsten Jahr sollen dort, wo einst die kaiserliche Marine den Takt des Arbeitsmarktes vorgab, Maschinenhäuser für die zu den Windrädern gehörigen Turbinen gefertigt werden. „Das ist ein klares Bekenntnis zum Standort Deutschland“, sagte Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzender von Siemens, dem Handelsblatt.

Die Montage von Windrädern, die in montiertem Zustand höher als die Türme des Kölner Doms – und der misst immerhin 157 Meter – aus dem Wasser ragen, ist äußerst diffizil. Die Fundamente für die Windenergieanlagen müssen mit Spezialschiffe, die mit riesigen Rammen ausgerüstet sind, in den Morast oder den sandigen Untergrund getrieben werden. Das, was die Energie bringt – der Wind –, ist zugleich ein großes Stabilitätsproblem: der Winddruck auf hoher See ist enorm. Dazu kommt teils meterhoher Wellengang.

Doch trotz aller Stabilitäts- und damit auch Wartungsprobleme sind die Turbinen, die dem salzigen Luftstrom auf lange Dauer trotzen müssen, mit 40 Prozent Anteil der größte Kostenfaktor für Offshore-Windparks. Hier aber hat Siemens die größten technischen Fortschritte gemacht: „In der neuen Fertigung werden wir die effizientesten und zuverlässigsten Windturbinen bauen“, sagte Markus Tacke, der bei Siemens die Division Windkraft und erneuerbare Energien leitet, dem Handelsblatt. Die Cuxhavener können sich damit auf das größte Neubauprojekt, das Siemens derzeit plant, freuen. Die Fertigungsanlagen, 170.000 Quadratmeter groß, werden einen direkten Seezugang haben.  

Bei Siemens ist man offenbar davon überzeugt, dass das Windgeschäft auf hoher See weiter anziehen wird. Konzernchef Kaeser verfügt über genügend gute Drähte ins Kanzleramt und das Bundeswirtschaftsministerium – er wird’s beurteilen können. Vom deutschen Festland aus werden bereits jetzt mehr als 260 Windräder betrieben. Bis Jahresende dürfte sich diese Kapazität verdreifachen. Das könnte ein Grund dafür sein, dass sich die Offshore-Windparks mit ihren exorbitanten Anlaufkosten in Bälde gewinnbringend betreiben lassen. Bis dato waren Siemens und andere Windanlagen-Hersteller davor zurückgeschreckt, neue Offshore-Parks zu planen. Mehr noch als die berüchtigten friesischen Winterstürme sorgten immer neue Novellierungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zuletzt Unsicherheit.

Ab 2017 soll zum Beispiel die Vergütung je Kilowattstunde Windstrom nicht mehr staatlich festgesetzt, sondern dem Wettbewerb unterworfen werden – zum Nutzen der Verbraucher. Der Bundesverband Windenergie äußerte angesichts dessen die Prognose, dass dadurch die Planungssicherheit für die Unternehmen untergraben werde und daher der weitere Ausbau der Windenergie ins Stocken kommen werde. Joe Kaeser schätzt die politischen Rahmenbedingungen offenbar optimistischer ein. Die Cuxhavener wird es freuen – die Gegner der großen Nord-Süd-Stromtrassen durch Deutschland werden mit ihrem Lob etwas sparsamer sein.