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Warum Amazon das neue Apple ist

Das Internet-Handelshaus ist Liebling der Weltbörsen. Sensationell läuft es im Cloud-Geschäft, Amazon ist inzwischen weltgrößter Online-Händler – und expandiert trotzdem unverdrossen in viele neue Segmente. Zudem erfreut die Anleger die Kooperation mit einem der weltweit größten Ölkonzerne. Ist die Aktie zu teuer oder noch ein Kauf?

BÖRSE am Sonntag

Das Internet-Handelshaus ist Liebling der Weltbörsen. Sensationell läuft es im Cloud-Geschäft, Amazon ist inzwischen weltgrößter Online-Händler – und expandiert trotzdem unverdrossen  in viele neue Segmente. Zudem erfreut die Anleger die Kooperation mit einem der weltweit größten Ölkonzerne. Ist die Aktie zu teuer oder noch ein Kauf?

Die Aktie von Amazon ist zum neuen Liebling der Börsianer aufgestiegen, denn dieser Anteilsschein scheint nur eine Richtung zu kennen – aufwärts. Der Kurs ist in nur zwölf Monaten um gut 50 Prozent gestiegen. Wer vor fünf Jahren bereits eingestiegen ist, der hat 438 Prozent gut gemacht. Seit Ende 2008, als der rasante Höhenflug von Amazon begann, übersteigt das Kursplus sogar sagenhafte 2.000 Prozent. Inzwischen ist Amazon nach Markkapitalisierung unter die zehn größten Unternehmen der Welt aufgestiegen. Der rasant wachsende Onlinehandel beschert den Kaliforniern von Jahr zu Jahr neue Rekordumsätze. Im vergangenen Quartal stieg der Gesamtumsatz auf 30,4 Milliarden Dollar – Tendenz: deutlich steigend.

Die Erfolgsgeschichte könnte nun sogar das Märchen von Google und Apple noch übertreffen. Denn während die beiden anderen Megakonzerne erste Sättigungserscheinungen zeigen, „startet Amazon richtig durch“ und „hat Momentum“ – so jedenfalls schwärmen Wall-Street-Analysten. Die Gründung des Informatikers Jeff Bezos aus dem Jahr 1995 ist von einer Buchbestellwebsite zum weltgrößten Einzelhändler ausgestiegen. Ungewöhnlich war dabei die Strategie von Bezos, jahrelang auf Gewinne zu verzichten und seine Firma stattdessen lieber mit Investitionen aggressiv wachsen zu lassen.

Mittlerweile geht es Amazon so gut, dass sich die sprudelnden Gewinne so schnell kaum mehr reinvestieren lassen. Für das zweite Quartal wurde der Überschuss auf 857 Millionen Dollar nahezu verzehnfacht. Zum dritten mal in Folge Unternehmensrekord. Zudem gab der Mega-Versender einen optimistischen Ausblick auf die weitere Entwicklung. Alles zusammen führte zu einem sprunghaften Anstieg des Aktienkurses – ein Ende scheint momentan nicht in Sicht.

Versand vor Optimierung

Es gibt aber auch noch einige Baustellen im Unternehmen, die die Bilanzen noch ein wenig drücken. Vor allem das Thema Versand rückt immer mehr in den Mittelpunkt. Allein im vierten Quartal 2015 sind 4,17 Milliarden Dollar für Verpackung und Versand angefallen. 2,33 Milliarden davon wurden von den Kunden übernommen – übrig bleibt ein Ballast von 1,84 Milliarden. Um aus dieser Kostenfalle zu kommen, geizt der kalifornische Gigant nicht mit Ideen. Das Verteiler-Netzwerk namens „Amazon Flex“ ist eine davon. Wer braucht schon Drohnen, wenn er auch einfach seine Nachbarn in Amazon-Lieferanten umfunktionieren kann? Und so wirbt der Konzern derzeit in großem Stil selbständige Lieferanten an. Autofahrer können, ähnlich wie bei „Uber“, mit dem eigenem fahrbaren Untersatz plus Smartphone Amazon-Bote werden.

Mittlerweile hat Amazon auch eigene Lastwägen und Flugzeuge gekauft. Vor allem aber sollen neue Kooperationen Lösungen bringen. Neuer Partner hierbei ist Shell. Künftig sollen Kunden rund um die Uhr an umliegenden Shell Tankstellen Pakete abholen können. Amazon will dadurch die Lieferzeit weiter drosseln, Shell hofft Paket-Abholer zu Shell Kunden münzen zu können.

Cloud-Business bleibt Gewinnmaschine

Als Gewinntreiber erweist sich insbesondere Amazons Web-Services-Sparte (AWS): Das Cloud-Business konnte seinen Umsatz gegenüber dem Vorjahr um knapp 60 Prozent auf 2,9 Milliarden US-Dollar erhöhen. Anders als das Handelsgeschäft mit seinen extrem niedrigen Margen ist AWS damit sehr profitabel: Amazon wies für das Quartal einen AWS-Gewinn von 718 Millionen Dollar. Die Gewinnmarge liegt hier rund zehnmal höher als im klassischen Handelsgeschäft.

Mit der Onlinevideothek Prime Instant Video greift Bezos außerdem die traditionellen Fernseh- und Kabelkonzerne und Netflix, den US-Marktführer in Sachen Videostreaming, an. Jetzt möchte Amazon auch mehr Marktanteile am Musikmarkt für sich gewinnen. Für den eignes entwickelten Echo-Lautsprecher wird es Streaming-Abos geben, die 50 Prozent günstiger sind, als die von Spotify oder Apple Music.

Beim Blick hinter die Kulissen des einstigen Buchhandels entdeckt man viele weitere Amazon Märkte: Babyprodukte, Comichefte, Bewertungsportale – ja, sogar Handel mit frischen Lebensmitteln betreibt das Unternehmen von Jeff Bezos mittlerweile. Erste Ideen, dieses Kaleidoskop zusammenzuführen, wird Amazon im kommenden Herbst vorführen. Derzeit produziert der Konzern eine spezielle Kochshow, die in Japan gezeigt werden soll. In den vier Episoden soll es um regionale Spezialitäten der japanischen Küche gehen. Die betreffenden Zutaten werden Zuschauer dann bei Amazon bestellen können, um die dort gezeigten Gerichte nachkochen zu können. Diese Kochshow wiederum ist Teil eines Amazon-Prime Abos. Die Straegie ist deutlich erkennbar: Clevere Verflechtungen sollen eine Zukunftsvision aufzeigen und dem Handelskonzern steigende Gewinne in die Kassen spülen.

Die Visionen des Jeff Bezos

Amazon-Gründer Jeff Bezos ist mittlerweile der drittreichste Mensch der Welt. Mehr als 60 Milliarden Dollar schwer soll der 52-Jährige Mann nun sein. Er hat jüngst in kürzester Zeit sein Vermögen mehr als verdoppelt. Und so gönnt er sich inzwischen auch Liebhabereien. Vor zwei Jahren hat er die angeschlagene Washington Post für 250 Millionen Dollar gekauft. Der Unternehmer kümmert sich dabei weniger um die inhaltliche Richtung der altehrwürdigen Zeitung, sondern mehr um deren Umbau in ein digitales Medien und Technologie Unternehmen. Obwohl Bezos vorher noch keine Erfahrung im Zeitungs – und Mediengeschäft hatte scheint auch dieses Projekt aufzugehen. Die digitale Leserschaft hat sich seither verdoppelt und seit Herbst 2015 sogar die der „New York Times“ überholt.

Und die Pläne fliegen immer höher. Bezos investiert nun auch in Weltraum-Träume. Die von ihm gegründete Firma Blue Origin soll unter anderem Flüge ins All anbieten. Im November 2015 sind schon die ersten drei Senkrechtladungen geglückt, ob auch diese Bezos-Vision aufgeht, ist indes noch ungewiss.

Luxusproblem auf dem Börsenparkett

Explodierende Umsätze und Gewinne, Steigende Marktanteile an Zukunftsmärkten und ein sehr stabiles Stammgeschäft – sehr vieles spricht für Amazon. Doch da ist das ein großes Problem: der schon vorhandene Kurserfolg. Geht es nach klassischen Börsenregeln, sind Amazon-Aktien bereits hoffnungslos überteuert: Der Börsenwert liegt beim 2,7-fachen des für dieses Jahr erwarteten Umsatzes. Zum Vergleich: der Handelskonzern Wal-Mart etwa kommt hier nur auf das 0,5-fache. Gemessen an den für dieses Jahr erwarteten Nettogewinnen pendelt der Amazon-Kurs, je nach Prognose und Rechnungslegung, zwischen dem 60- und 130-fachen des zu erwartenden Reingewinns. Amerikanische Aktien im S&P-500-Index kommen dagegen im Schnitt auf ein KGV von rund 20. Trotzdem bleibt Amazon die Aktie der Stunde. Es spricht vieles dafür, dass Jeff Bezos alles gelingt – bis hin zu Raketenstarts. Es ist deshalb in diesem Fall für Anleger interessant, die Amazon-Aktie zu halten oder sogar nachzukaufen, denn der Kurs könnte trotz des hohen Kurses abermals raketenhaft ansteigen. Valentin Weimer