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Was macht Airbus ohne Flügel?

Der Brexit ist auf der Luftfahrtmesse im englischen Farnborough das große Thema. Der Ausstieg der Briten aus der EU ist für die Flugzeugbauer ein großes Problem; so kommen zum Beispiel die Flügel für fast alle Aibus-Flugzeuge von der britischen Insel. Der große Konkurrent Boeing dagegen könnte vom Brexit profitieren. Warum?

BÖRSE am Sonntag

Der Brexit ist vor Beginn der Luftfahrtmesse im englischen Farnborough das große Thema. Der Ausstieg der Briten aus der EU ist für die Flugzeugbauer ein großes Problem. Bei Airbus hakt es auch noch an anderen Stellen.

Wer in den britischen Airbus-Werken arbeitet, der braucht in diesen Tagen den berühmten englischen Humor. „Without us, it's just a bus“, sagen die rund 8.000 Beschäftigten, die in Wales sämtliche Flügel für Airbus bauen. Denn ohne die Tragflächen aus dem Vereinigten Königreich, so die Botschaft, hebt kein Airbus ab. Mag Großbritannien auch aus der EU austreten – ohne die Briten läuft in Europas wichtigstem Gemeinschaftsunternehmen nichts. Andererseits hat der Rüstungskonzern BAE Systems vor zehn Jahren seine Airbus Anteile verkauft. Die Briten sind zwar weiter ein wichtiger Teil von Airbus – Einfluss auf die Entscheidungen des Flugzeugbauers haben sie aber nicht mehr.

Der Brexit wird eines der beherrschenden Themen sein, wenn am Montag im englischen Farnborough die internationale Luftfahrtshow beginnt. „Durch dieses Resultat verlieren beide, Großbritannien und Europa“, sagt etwa Tom Enders, Chef der Airbus-Gruppe. Damit bringt er die Stimmung der Branche ganz gut auf den Punkt.

Denn der Ausstieg Großbritanniens aus der Gemeinschaft wird für die Flugzeugindustrie zum Problem, weil das Land mit dem Triebswerkhersteller Rolls-Royce, britischen Airbus-Werken und zahlreichen Zulieferern ein wichtiger Bestandteil der internationalen Luftfahrtindustrie ist. Wenn zudem mit British Airways und Easyjet auch noch zwei der größten europäischen Fluglinien unter Druck geraten, dann ist das auch keine gute Botschaft für die Branche.

Airbus hat ein Brexit-Problem

Dennoch haben die Europäer auch ohne den Brexit einige Probleme, die Airbus-Chef Fabrice Brégier lösen muss. So stockt bei dem Bestseller A320 neo die Auslieferung, weil die von Pratt & Whitney neu konstruierten Triebwerke noch Kinderkrankheiten haben. Vor den Endmontagen in Toulouse und Hamburg stehen mittlerweile Dutzende Flugzeuge ohne Motoren. Noch ist Airbus zuversichtlich, die Lieferverzögerungen aufzuholen, doch allmählich wird die Zeit knapp und die Erstkunden Lufthansa und Qatar Airways ungeduldig. Immerhin sind 4500 Maschinen dieses Typs bestellt, Airbus will die Produktion von derzeit 42 auf über 60 Stück pro Monat steigern. Nach Hamburg und Toulouse wird die A320 in China und seit Anfang des Jahres in den USA produziert.

Konkurrent Boeing hat hingegen ganz andere Probleme: Weil die Neuauflage des A320-Rivalen, die 737max, den Markt nicht überzeugt, verlieren die Amerikaner Marktanteile. Sieben von zehn Aufträgen gehen im Segment der Mittelstreckenjets gehen mittlerweile an Airbus. Boeing hat bereits ein milliardenschweres Sparprogramm angekündigt. Zudem halten sich Spekulationen, dass Konzernchef Dennis Muilenburg schon früher mit der Entwicklung eines Nachfolgers für die 737 beginnen könnte.

Der Druck steigt auch, weil der kanadische Bombardier-Konzern seine C-Serie nun endlich ausliefern kann und damit als dritter Anbieter im Geschäft mit Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen mitmischt. China arbeitet mit der C919 ebenfalls an einem Flugzeug mit rund 200 Sitzplätzen, dürfte aber vorerst ohne nennenswerte Stückzahlen auf den Markt kommen.

Auch bei den Großraumflugzeugen bleibt der Markt umkämpft. Airbus sucht seit Jahren verzweifelt neue Kunden für den Riesen-Airbus A380. Doch den Fluglinien ist der Doppelstöcker mit seinen vier Triebwerken mittlerweile zu teuer und zu wenig flexibel. Sie setzen auf Flugzeuge, die mit nur zwei Triebwerken mehr als 300 Passagiere über den Atlantik oder den Pazifik transportieren können. Airbus macht seinem Riesen mit der A350-1000 Konkurrenz im eigenen Haus. Das Flugzeug soll ab dem kommenden Jahr ausgeliefert werden und könnte laut Verkaufschef John Leahy über 1.000 mal verkauften werden.

Der Brexit-Profiteur kommt aus Seattle, USA

Boeing will Ende des Jahrzehnts die neue Version der 777 einführen, die dann endgültig den Jumbo-Jet 747 ablösen wird. Noch gibt es den „Jumbo-Killer“ aber nur als Ankündigung. Das eigentlich interessante für den US-Flugzeugbauer ist ohnehin der britische Rüstungsmarkt. Großbritanniens Armee arbeitet seit 75 Jahren eng mit Boeing zusammen und nutzt mehr als 140 verschiedene Boeing-Produkte. In den vergangenen fünf Jahren habe Boeing seine Mitarbeiterzahl auf 2.000 in Großbritannien verdoppelt, teilte der Konzern mit. 2.000 weitere Jobs könnten nun entstehen. Dazu habe Boeing allein 2015 für 1,8 Milliarden Pfund bei britischen Zulieferern bestellt. Schon jetzt sind die britischen Zulieferer für Boeing die Nummer drei hinter den USA und Japan.

Außerdem beschafft Großbritannien den Seeaufklärer P8 und baut dafür zusammen mit Boeing einen Wartungsstandort in Schottland mit 100 Jobs auf. Das Flugzeug auf Basis des Mittelstrecken-Jets 737-800 wurde für die US-Armee entwickelt und sucht Kunden. Bislang ist das Flugzeug, das auch U-Boote jagen kann, nach Indien verkauft worden. Die Grundlagen für den Deal seien bereits im vergangenen November im Rahmen eines Fünfjahresplans für das britische Militär beschlossen worden, sagte ein Boeing-Sprecher. Die Pläne seien durch das Brexit-Votum nicht beeinflusst worden. Zudem soll Großbritannien Basis für Militärexporte nach Europa und Nahost sowie für militärische Wartung werden.

Ganz ohne Europa geht es dennoch nicht: Der britische Noch-Premier David Cameron lobte am Montag bei einem unangekündigten Blitzbesuch in Farnborough, dass Virgin Atlantic mehrere Airbus A350-1000 bestellt hat. Die britische Fluggesellschaft macht den Flieger zu ihrem neuen Flaggschiff. Das „phantastische“ Flugzeug werde mit Rolls-Royce-Triebwerken in Großbritannien gebaut: „Das ist ein Investment in das Vereinigte Königreich und unsere Weltklasse-Flugzeug-Industrie“, sagte Cameron – als sei auch Airbus kein paneuropäisches Projekt mehr.

So wirft er dann doch seine Schatten unüberswehbar voraus, der Brexit. Handelsblatt / Markus Fasse / Christoph Kapalschinski