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Fed und EZB spielen auf Rezession

Die Notenbanken machen Ernst mit der Inflationsbekämpfung. Bereits mit dem nächsten Zinsschritt werden die Zinsen in den USA am kurzen Ende höher sein als am langen. „Eine solch inverse Zinsstrukturkurve ist genauso ein Zeichen wie ein Auslöser für eine Rezession“, sagt Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH. „Die Notenbanken nehmen diese Rezession in Kauf und die Märkte stellen sich bereits darauf ein."

(Foto: Shutterstock)

Die Notenbanken machen Ernst mit der Inflationsbekämpfung. Bereits mit dem nächsten Zinsschritt werden die Zinsen in den USA am kurzen Ende höher sein als am langen. „Eine solch inverse Zinsstrukturkurve ist genauso ein Zeichen wie ein Auslöser für eine Rezession“, sagt Benjamin Bente, Geschäftsführer der Vates Invest GmbH. „Die Notenbanken nehmen diese Rezession in Kauf und die Märkte stellen sich bereits darauf ein.“

Die Fed wird im September die Zinsen erneut erhöhen. „Auch wenn wir noch nicht wissen, wie stark die Erhöhung ausfällt, ist es doch sicher, dass mit dieser Erhöhung die US-Zinsstrukturkurve auch im Bereich von drei Monaten über zehn Jahren invertiert“, sagt Bente. „Zumindest wenn die Erhöhung mehr als 20 Basispunkte beträgt, was der gegenwärtige Unterschied ist.“ Damit wäre neben der schon seit einigen Monaten invertierten Zinsstrukturkurve zehn Jahre über zwei Jahre auch eine weitere historisch sehr wichtige Zinsstrukturgruppe in den USA invertiert. „Das steigert die Rezessionswahrscheinlichkeit, da die Zinsstrukturkurven in der Historie ein vorauslaufender Indikator für Rezessionen waren“, so Bente. Bei einer invertierten Zinsstrukturkurve ist der Kreditimpuls in einer Volkswirtschaft geringer, weil der Anreiz für Banken, Kredite zu vergeben, deutlich abnimmt.

„Darüber hinaus sagt das auch etwas über die Märkte aus“, sagt Bente. „Diese erwarten bei einer invertierten Zinsstrukturkurve mittelfristig fallende Zinsen.“ Das ist in einem Inflationsumfeld eigentlich nur aus einem Grund möglich: Um eine Rezession zu bekämpfen, müssen die Notenbanken die Zinsen senken. Aus diesen Gründen ist die Zinsstrukturkurve ein guter Indikator. „Letztlich bedeutet das auf kurze Sicht höhere Risiken für die Aktienmärkte, denn eine Rezession ist auf dem derzeitigen Niveau sicherlich nicht eingepreist.“ Allerdings ist Rezession anders zu definieren als die akademisch-technische Definition von „zwei Quartalen negativ“. „Für uns ist eine Rezession das, was relevant ist für den Aktienmarkt: eine breit angelegte wirtschaftliche Abwärtsbewegung, die sich vor allen Dingen in Kreditstress, Massenentlassungen und Gewinneinbrüchen äußert“, so Bente. „Und all das sehen wir bisher nicht.“

Auf der jüngsten Jackson-Hole-Konferenz der Notenbanker hat Fed-Chef Jerome Powell so deutlich wie noch nie in den vergangenen Monaten gemacht, dass er die Inflationsbekämpfung ernst meint. „Nun ist sicher, dass er die Inflation auch um den Preis einer Rezession nachhaltig nach unten bringen will“, so Bente. „Damit sollte jetzt auch dem letzten Marktteilnehmer klargemacht worden sein, dass der Fed Put nicht mehr existiert.“ Die Fed steht also nicht mehr dafür, dass sie wie in der Vergangenheit den Schmerz der Aktienmarktteilnehmer stets lindert oder vermeidet, indem sie jede Bärenmarkt-Zuckung direkt mit Liquiditätsspritzen V-förmig hochdrückt. In einer Zeit, in der die Fed die Inflation sehr aktiv bekämpfen will, ist diese Möglichkeit nicht mehr gegeben.

Spät, aber immerhin bewegt sich auch die EZB bei der Inflationsbekämpfung und zwar in die gleiche Richtung wie die Fed. „Die Verlautbarungen der Direktoriumsmitglieder müssen wir zunehmend so verstehen, dass auch die EZB jetzt offenbar nicht mehr von einer temporären Inflation ausgeht, die sich von selbst erledigt, sondern dass auch die EZB zunehmend verstanden hat, dass sie etwas tun muss, um die Inflation zu bekämpfen“, so Bente. „Dies können letztlich nur deutlichere Zinssteigerungen sein, als sie bisher avisiert worden sind.“

Die Marktmeinung, dass die EZB eine echte Zinserhöhungspolitik gar nicht vornehmen kann, weil dann die Peripheriestaaten umkippen, ist dabei falsch. „Die EZB hat das jüngst bewiesen, indem sie ein flankierendes Instrument etabliert hat“, sagt Bente. „Sie will darauf achten, dass die Spreads nicht zu weit rauslaufen und würde in den Bonds intervenieren, die unter Druck stehen.“ Damit hat sie sich ein Instrument geschaffen, das beides zur gleichen Zeit kann: einerseits die Zinsen erhöhen, um die Inflation zu bekämpfen, und andererseits eine Peripheriekrise vermeiden, indem sie im Bondmarkt quasi stimulativ interveniert. Mit diesem Doppelschlag entkoppelt die EZB Zinssteigerung und Peripherie-Kreditstress-Risiko und schafft damit das, was viele Marktteilnehmer immer noch für unmöglich halten: die Möglichkeit für inflationsbekämpfende Zinssteigerungen.