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Hans-Werner Sinn: Italien wird Eurozone verlassen

Italien liegt wirtschaftlich am Boden. Chance auf Erholung? Mit dem Euro so gut wie keine. Star-Ökonom Hans-Werner Sinn spricht Klartext: Die Rückkehr zur Lira wird wahrscheinlicher; das Land könnte davon sogar profitieren. Und die Aktienmärkte sowieso.

BÖRSE am Sonntag

Italien liegt wirtschaftlich am Boden. Chance auf Erholung? Mit dem Euro so gut wie keine. Star-Ökonom Hans-Werner Sinn spricht Klartext: Die Rückkehr zur Lira wird wahrscheinlicher; das Land könnte davon sogar profitieren.

Von Hans-Werner Sinn

Die Wahrscheinlichkeit, dass Italien dauerhaft Teil des Euro bleibt, fällt von Jahr zu Jahr. Das Land kommt mit dem Euro nicht zurecht. Die italienische Volkswirtschaft ist nicht wettbewerbsfähig und hat in den vergangenen Jahren keine messbaren Anstrengungen unternommen, wieder wettbewerbsfähig zu werden. Seit 1995 ist Italien als Produktionsstandort gegenüber Deutschland um 42 Prozent teurer geworden. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte in den vergangenen acht Jahren laut Internationalem Währungsfonds (IWF) um 600 Milliarden auf geschätzte 1,8 Billionen Dollar im Jahr 2017. Die Staatsverschuldung kletterte im gleichen Zeitraum von 102 auf satte 133 Prozent des BIP. Die Produktion im verarbeitenden Gewerbe liegt um 19 Prozent unter dem Vorkrisenniveau des Jahres 2007.

Der Ausweg aus der Misere, mit der Rückkehr zur alten Währung Lira – die gegenüber dem Euro abwerten würde – das Land wettbewerbsfähiger zu machen, wird an den Märkten wieder mit höherer Wahrscheinlichkeit gespielt. Die Renditen zehnjähriger italienischer Staatsanleihen entfernen sich bereits seit Anfang 2016 deutlich von denen ihrer deutschen Pendants. EZB-Ökonom Roberto de Santis taxierte das Redenominationsrisiko, also die Wahrscheinlichkeit, dass der Euro durch eine neu eingeführte, abgewertete Währung ersetzt wird, für Italien zuletzt auf 20 Prozent. Anfang 2016 hatte es noch bei fünf Prozent gelegen.

Wirtschaft ist nicht wettbewerbsfähig

Doch kann sich Italien den Austritt überhaupt leisten? Schließlich verteuert sich die Schuldenlast, wenn die aktuellen Außenstände in einer abgewerteten Währung zurückgezahlt werden müssen. Die italienische Mediobanca kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass das Land ein veritables Interesse hätte, das Kapitel Euro so schnell wie möglich zu schließen. Denn – Überraschung – Italien könne aktuell noch einen großen Teil seiner ausstehenden Anleihen in günstigen Lira und nicht in teuren Euros zurückzahlen. Das gehe auf die Lex monetae zurück, wonach souveräne Staaten die Währung wählen können, die sie möchten.

Die Zahl der betreffenden Anleihen schrumpft jedoch mit der Zeit, da neuere Papiere in den Bedingungen die sogenannte Collective Action Clause (kurz CAC-Klausel) enthalten. Die macht eine Änderung einzelner Bedingungen von der Zustimmung der Mehrheit der Gläubiger abhängig und steht einer Konvertierung im Weg.
Wie lange hält Italien noch durch?

2016 verteilte sich laut Mediobanca die Summe der 1,9 Billionen Euro Staatsschulden Italiens noch ungefähr je zur Hälfte auf alte und neue Papiere. Dieses Jahr und in den kommenden Jahren verschieben sich die Lager allerdings um rund 200 Milliarden Euro jährlich. 2022 wären dann kaum noch alte Anleihen im Umlauf. Der finanzielle Vorteil der Lira-Zahlung schrumpfte nach Mediobanca-Berechnungen von aktuell noch etwa 170 Milliarden auf rund 25 Milliarden Euro.

Wann kommt es zum Showdown? Entweder noch im Spätherbst, vermutlich aber eher im Frühjahr 2018 – je nachdem, wann die nächsten Parlamentswahlen in Italien abgehalten werden. Die Euro-kritische 5-Sterne- Bewegung (M5S) liegt aktuell in Umfragen leicht vorn vor der Demokratischen Partei (PD) von Ministerpräsident Paolo Gentiloni. M5S strebt eine Volksabstimmung über den Verbleib in der Gemeinschaftswährung an. EU-Umfragen zufolge hielten zuletzt weniger als die Hälfte der Italiener den Euro für eine gute Idee.

Hans-Werner Sinn, geboren 1948, wurde international bekannt als langjähriger Direktor der Münchner ifo-Instituts. Dieser Text erschien zuerst auf Focus.de.