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Revolution im Automobilsektor

Gleich zwei Innovationen haben das Zeug, die Straßen von morgen tiefgreifend zu verändern: der Elektromotor und das selbstfahrende Automobil. „Niemand zweifelt mehr daran, dass der Elektroantrieb kommen wird, auch wenn die Verkaufszahlen das noch nicht zeigen“, so Jürgen Pieper, Leiter des Research bei Metzler Capital Markets.

BÖRSE am Sonntag

Gleich zwei Innovationen haben das Zeug, die Straßen von morgen tiefgreifend zu verändern: der Elektromotor und das selbstfahrende Automobil. „Niemand zweifelt mehr daran, dass der Elektroantrieb kommen wird, auch wenn die Verkaufszahlen das noch nicht zeigen“, so Jürgen Pieper, Leiter des Research bei Metzler Capital Markets.
 
Dass der Marktanteil weltweit mit aktuell rund 0,5 Prozent sehr gering sei, habe seine Ursachen vor allem im bislang hohen Preis und der relativ kurzen Reichweite. Ab einer Reichweite von rund 300 Kilometer rechnet Pieper aber mit steigender Akzeptanz. Der Analyst der renommierten Privatbank geht davon aus, dass im Jahr 2020 weltweit 2,1 Millionen E-Autos verkauft werden, was einem jährlichen Wachstum von 40 Prozent entspräche. Das Hybridfahrzeug sei im übrigen eine gute Übergangslösung – nicht mehr und nicht weniger.

Dass auch das selbstfahrende Auto – das Automobil im Wortsinn – die Straßen der Zukunft erobern wird, steht für Pieper fest, auch wenn hier einige Hürden zu überwinden seien. Auch hier dürfte der derzeit hohe Preis potentielle Käufer vorerst abschrecken. Zudem müsse noch die Frage nach der Haftung im Schadensfall geklärt werden. Entscheidend sei schließlich auch die Akzeptanz autonomer Fahrsysteme durch den Verbraucher. Pieper ist optimistisch – zumindest für den temporären Einsatz autonomer Systeme: „Je mehr selbstfahrende Autos im Straßenbild sichtbar sind, desto mehr wird diese Technik an Faszination gewinnen und nachgefragt werden.“ Ab 2020 rechnet er mit einem spürbaren Anziehen der Verkaufszahlen; 2025 könnte mehr als ein Viertel aller Neuzulassungen mit autonomen Fahrsystemen ausgestattet sein.

Innovationswellen zahlen sich in aller Regel für Investoren aus

Die Innovationswellen in der Autoindustrie dürften sich auch für den Investor auszahlen. Perioden hoher Innovationsfreude waren häufig auch Blütezeiten für die jeweilige Branche – und mithin für die Gewinnentwicklung und die Aktienkurse. Das Beispiel des US-amerikanischen Autoherstellers Tesla zeige, dass durch die starke Konzentration auf neue Techniken hohe zweistellige Zuwachsraten bei Umsatz und Gewinn auch für einen Autohersteller über eine längere Zeit möglich seien. Wer die Nase im Rennen um die Markteroberung vorn habe, könne zumindest für eine gewisse Zeit auch vom Alleinstellungsmerkmal im Markt profitieren, das zugleich Preismacht verleihe. Preismacht sei in den zurückliegenden Jahren zum Fremdwort in der Autobranche geworden – zu groß seien die Herstellungskapazitäten in Relation zur Nachfrage.

Dass sich die Branche seit der Finanzmarktkrise 2008/09 dennoch gut entwickelt habe, führt Pieper vor allem auf den bis vor kurzem boomenden chinesischen Markt zurück, der die Konjunktur in der Autoindustrie insgesamt beflügelt habe: So stieg die Zahl der neu verkauften Pkw seit 2009 stärker als das weltweite Bruttoinlandsprodukt. Die sich abzeichnenden, bisher aber noch wenig umgesetzten Innovationen hätten dabei kaum eine Rolle gespielt. „Das wird in Zukunft anders sein. Dann wird das Wachstum mehr und mehr von Innovationen getrieben sein und weniger von der regionalen Expansion“, erwartet Pieper. Dies dürfte sich in der Bewertung des Sektors niederschlagen, der seinen Rückstand zum Gesamtmarkt von heute knapp 35 Prozent dank der technischen Neuerungen bis 2020 nahezu aufholen könne.

VW vor Daimler und BMW

Allerdings dürften sich die einzelnen Unternehmen – Hersteller wie Zulieferer – kaum homogen entwickeln. Der Metzler-Analyst hat zwei Faktoren als Gradmesser dafür gewählt, welches Unternehmen die größten Chancen hat, vom Innovationstrend zu profitieren: die aktuelle Forschungs- und Entwicklungsquote sowie das von Metzler geschätzte durchschnittliche Umsatzwachstum für die Jahre 2015 bis 2018. Nach diesem Ranking schneiden die Zulieferer besser ab als die Originalhersteller, was auf das durchschnittlich höhere F&E-Budget zurückzuführen sei.

Hella punkte, so Pieper, besonders mit seinen hohen Aufwendungen für F&E von fast 10 Prozent des Umsatzes, die überwiegend in die Lichttechnik und Sensorik flössen. Für beide Marktsegmente erwartet Pieper bis 2017 Wachstumsraten für Umsatz und Gewinn von mindestens zehn Prozent jährlich. Mit einem F&E-Budget von knapp sieben sieben Prozent, gemessen am Umsatz, liege Continental ebenfalls vorne. „Continental hat eine überragende Marktstellung bei der Technik von morgen – darunter elektronische Assistenzsysteme. Damit hat das Unternehmen beste Chancen, von Anfang an zu einem führenden Anbieter für Selbstfahrsysteme zu werden“, stellt Pieper fest. Unter den Autoherstellern überrunde VW die Mitbewerber BMW und Daimler. Das sei in erster Linie auf das F&E-Budget von geschätzten 12,2 Milliarden Euro (2015e) zurückzuführen, das damit doppelt so hoch sei wie bei Daimler und dreimal so hoch wie bei BMW. Auch gemessen am Umsatz überschreite es die Budgets der Wettbewerber. Mit dem E-Golf habe sich VW innerhalb kurzer Zeit die Marktführerschaft bei alternativen Antriebstechnologien in Deutschland gesichert.