Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Märkte >

2017: Trotz Trump positive Aussichten!

Michael Heise ist Chefvolkswirt der Allianz SE. Er berät den Vorstand des im DAX notierten größten deutschen Versicherers in volkswirtschaftlichen und strategischen Fragen. Aufgrund seiner zutreffenden Vorhersagen wurde Heise in diesem Jahrhundert bereits dreimal zum Prognostiker des Jahres erkoren. Und als Prognostiker saß Heise auch beim Ludwig-Erhard-Gipfel auf dem Podium. Im Anschluss stand er der BÖRSE am Sonntag Rede und Antwort.

BÖRSE am Sonntag

Michael Heise ist Chefvolkswirt der Allianz SE. Er berät den Vorstand des im DAX notierten größten deutschen Versicherers in volkswirtschaftlichen und strategischen Fragen. Dazu gehören Analysen und Prognosen zur deutschen und internationalen Wirtschafts- und Finanzmarktentwicklung. Aufgrund seiner zutreffenden Vorhersagen wurde Heise in diesem Jahrhundert bereits dreimal zum „Prognostiker des Jahres“ erkoren – ein Titel, den eine große deutsche Tageszeitung vergibt. Und als Prognostiker saß Heise auch beim Ludwig-Erhard-Gipfel auf dem Podium. Im Anschluss stand er der BÖRSE am Sonntag Rede und Antwort.

Wie ist Ihre Prognose für die EU für 2017 – und zwar gerade auch politisch?

Im Jahr 2017 steht die Europäische Union vor großen Herausforderungen: Parlamentswahlen in wichtigen Euroländern, Unklarheiten über die Wirtschaftspolitik und Europapolitik unter Donald Trump und der Beginn der Brexit-Verhandlungen. Trotz aller politischer Risiken und Unwägbarkeiten gibt es aber gute Gründe, auch mit Zuversicht ins neue Jahr zu blicken. Die europäische Konjunktur hat  sich weiter stabilisiert, bereits im letzten Jahr hat sich die Wirtschaft gegenüber erhöhten politischen Unsicherheiten als widerstandsfähig erwiesen. Haupttreiber der europäischen Konjunktur bleibt die Binnennachfrage: Die Kauflaune der Konsumenten wird zwar etwas unter der anziehenden Inflation und der Erholung der Ölpreise leiden, aber zusätzliche Unterstützung ist von der stetig steigenden Beschäftigung zu erwarten.

Das klingt nach einer vorsichtig positiven ökonomischen Prognose für 2017?

Sicherlich ist die „neue Normalität´“, die sich seit der Wirtschaftskrise in unterdurchschnittlichem Wirtschaftswachstum und geringer Inflation niederschlagen hat, damit noch nicht völlig ausgehebelt. Aber erste Anzeichen einer vorsichtigen Trendwende sind zu beobachten – die Langfristzinsen und die Inflation tendieren wieder leicht aufwärts –, und das dürfte im Jahr 2017 so bleiben.

Wie ist Ihre Prognose für die USA unter dem neuen Präsidenten Trump?

Unter der neuen US-Administration sind Änderungen in vielen politischen Bereichen zu erwarten. In der Wirtschaftspolitik besteht noch erhebliche Unsicherheit darüber, welche Wahlversprechen Donald Trump wann und in welchem Umfang einlösen wird. Der in der Steuerpolitik erforderliche Gesetzgebungsprozess könnte einige Zeit in Anspruch nehmen. Grundsätzlich gehen wir aber von einer expansiven Finanzpolitik und einem geänderten Policy-Mix aus: Die Geldpolitik wird die Wirtschaftsentwicklung etwas weniger, die Fiskalpolitik dagegen mehr unterstützen.

Und speziell die US-Wirtschaft?

Das US-Wirtschaftswachstum wird in diesem Jahr zulegen, nachdem es 2016 doch recht deutlich hinter dem Trend zurückgeblieben war. Die Investitionstätigkeit der Unternehmen und des Staates dürfte zunehmen. In unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass die fiskalpolitischen Maßnahmen im zweiten Halbjahr umgesetzt werden und die Konjunktur bis in das kommende Jahr hinein anregen. Der feste US-Dollar wird die Wachstumsdynamik allerdings dämpfen.

Wie lässt sich das Verhältnis der Wirtschaftsblöcke USA und EU zueinander prognostizieren?

Mit seiner Kritik an internationalen Freihandelsabkommen, der Nato und der Europäischen Union hat der designierte US-Präsident Donald Trump in den letzten Wochen die Grundpfeiler der internationalen Nachkriegsordnung infrage gestellt. Sollte Trump seinen Worten auch Taten folgen lassen, würde Europa ökonomisch und sicherheitspolitisch nicht wie bisher auf die USA zählen können. In jedem Falle ist es wichtig, dass Europa möglichst mit einer Stimme spricht.

Wie entwickeln sich die Risiken für die Europäer gerade in diesem Zusammenhang?

Eine wirkliche Umsetzung der Trump-Doktrin „America first“ würde die von den USA seit dem zweiten Weltkrieg maßgeblich vorangetriebene Weltwirtschaftsordnung wohl klar verändern. Zunächst einmal würde dies zu mehr wirtschaftlicher und politischer Unsicherheit führen. Erhöhter Protektionismus oder gar das Risiko eines Handelskriegs stellen eine Bedrohung für jede offene Volkswirtschaft dar. Europa müsste sich selbst verstärkt um die Verteidigung wirtschaftlicher aber auch politischer Grundwerte bemühen. Europäische Nato-Partner müssten weit mehr Verantwortung übernehmen. Dies alles birgt nicht nur Risiken, sondern auch Chancen. Es könnte dazu führen, dass die Europäer näher zusammenrücken und gemeinschaftlicher agieren.

Wie bewerten Sie Trumps Androhungen, Strafzölle zu erheben?

Erklärtes Ziel der wirtschaftspolitischen Agenda von Trump ist es, nachhaltig ein Wachstum von drei bis vier Prozent zu generieren. Mit handelsbeschränkenden Maßnahmen ist dies keinesfalls zu erreichen. Weniger Handel und damit weniger Wettbewerb würde letztlich das ohnehin schwache Produktivitätswachstum weiter unterminieren und somit die längerfristigen Wachstumsmöglichkeiten der US-Wirtschaft reduzieren. Eine ausgreifend protektionistische Politik sollte vernünftigerweise vermieden werden.

Ein Wort zu Reinhard Kardinal Marx – dem Träger des „Freiheitspreises der Medien 2017“ – als Ökonom?

Kardinal Reinhard Marks tritt ganz im Sinne Ludwig Erhards für ein gerechtes Wirtschaftssystem ein. Er setzt dabei nicht auf Dirigismus, sondern auf eine freiheitliche Gesellschaftsform, zu der die soziale Verantwortung, Ethik und Moral untrennbar dazugehören. Diese Idee einer verantwortungsvollen Marktwirtschaft ist gerade in der heutigen Zeit von besonderer Bedeutung.

Herzlichen Dank für dieses Gespräch, Herr Heise!