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When I’m 64 – das Ende des Booms?

Der demografische Wandel in den USA bremst die Dynamik in der weltgrößten Volkswirtschaft zunehmend ab. Zu dieser Einschätzung kommen die Experten des britischen Vermögensverwalters Legal & General Investment Management (LGIM) in ihrem aktuellen Ausblick.

BÖRSE am Sonntag

Der demografische Wandel in den USA bremst die Dynamik in der weltgrößten Volkswirtschaft zunehmend ab. Zu dieser Einschätzung kommen die Experten des britischen Vermögensverwalters Legal & General Investment Management (LGIM) in ihrem aktuellen Ausblick.

Das langfristige Wachstum der US-Wirtschaft ist nach Beobachtungen der Anlageexperten bereits seit einigen Jahren rückläufig. Verschärft wird diese Entwicklung durch das sinkende Arbeitskräftepotenzial und die in der Folge immer angespanntere Situation auf dem Arbeitsmarkt. Steigende Löhne könnten zusammen mit stabileren Rohstoffpreisen im kommenden Jahr die Kerninflation nach oben treiben und damit die US-Notenbank Fed zum Handeln zwingen. „Die US-Wirtschaft ist in den vergangenen 50 Jahren im Durchschnitt um drei Prozent gewachsen“, erklärt James Carrick, Ökonom bei LGIM. „Dabei gab es einen Unterschied zwischen der letzten Dekade, in der das Wachstum im Mittel bei 1,5 Prozent lag, und den vier Dekaden zuvor, in denen das Wachstum bei 3,25 Prozent lag. Wir gehen davon aus, dass diese Abschwächung eher auf strukturelle als auf zyklische Faktoren zurückzuführen ist – und dafür ist im Wesentlichen der demografische Wandel verantwortlich.“

Demografie beeinflusst das Wachstum einer Volkswirtschaft in zweierlei Hinsicht: Zum einen durch die Zahl der Menschen, die arbeiten können und wollen, zum anderen durch ihre Produktivität. „Wenn die Menschen älter werden, sind sie erfahrungsgemäß weniger produktiv – vor allem dann, wenn sie sich dem Zeitpunkt nähern, zu dem sie in Rente gehen können,“ so Carrick. Der LGIM-Experte weist darauf hin, dass die Geburtenrate in den USA ihren Höhepunkt in den späten 1950er-Jahren hatte. Die Arbeitskräfte aus diesen Baby-Boomer-Jahrgängen sind nun in ihren späten 50er-Lebensjahren und ihre Produktivität sinkt allmählich. „Das drückt die durchschnittliche Produktivität in der Gesamtwirtschaft nach unten“, sagt Ökonom Carrick.

Immigration als wachsender Faktor

„Das Wachstum der Erwerbsbevölkerung treibt nunmehr vor allem die Immigration an. Politisch gesehen ist das ein heikles Thema, das auch ein wesentlicher Pfeiler in der Wahlkampfkampagne von Donald Trump war.“ Sollte der Zustrom von Immigranten auf dem aktuellen Niveau bleiben, würde das Arbeitskräftepotenzial Carrick zufolge in den kommenden Jahren lediglich um 0,25 Prozent pro Jahr wachsen – 1,5 Prozentpunkte weniger als in den vier Dekaden vor der Finanzkrise.

„Trotz des immer angespannteren Arbeitsmarktes glaubt dahingegen Fed-Chefin Janet Yellen, dass es für die US-Wirtschaft genug Puffer gibt“, beobachtet der LGIM-Ökonom. Die Notenbankerin gehe davon aus, dass viele Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt zurückkehrten, die bislang kaum Chancen hatten, einen Job zu bekommen. Zusätzlich könnten künftig viele Teilzeitkräfte, die dies schon länger wünschten, auf eine Vollzeitstelle wechseln. „Wird sind uns dem nicht so sicher: Wir haben Sorge, dass der US-Wirtschaft die Puste auszugehen droht – vor allem dann, wenn der neue US-Präsident Trump sein Wahlversprechen wahrmacht und den Zustrom von Immigranten stoppt“, resümiert Carrick.

Die LGIM-Experten prognostizieren, dass höhere Löhne infolge des angespannten US-Arbeitsmarktes bis Ende 2017 die Kerninflation nach oben treiben werden. „Die Fed wird dann vor dem Spagat stehen, ihre Leitzinsen erhöhen zu müssen, um die Inflation in den Griff zu bekommen, ohne gleichzeitig zu viel Druck auf den verschuldeten Unternehmenssektor auszuüben“, glaubt Carrick. „Es sieht so aus, als wenn die Baby-Boomer-Generation just zu dem Zeitpunkt das Ende ihrer Berufsphase erreicht, zu dem auch die langjährige wirtschaftliche Aufschwungphase zu Ende geht.“