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Wie Anleger 2016 vom Klimawandel profitieren können

Die Klimakonferenz in Paris hat deutlich gemacht: Das Zeitalter der fossilen Brennstoffe geht zu Ende. Ein Überblick, wie Anleger von den Beschlüssen der Weltklimakonferenz in Paris profitieren können.

BÖRSE am Sonntag

Die Klimakonferenz in Paris hat deutlich gemacht: Das Zeitalter der fossilen Brennstoffe geht zu Ende. Ein Überblick, wie Anleger von den Beschlüssen der Weltklimakonferenz in Paris profitieren können.

Es ist vollbracht. Die Vertreter von 195 Ländern haben einen Klimavertrag geschlossen, auf den sie mächtig stolz sind. Die Teilnehmer waren in Paris gerührt von sich selbst. Auf der Abschlussveranstaltung flossen Tränen. Selbst dem französischen Präsidenten, Gastgeber der Veranstaltung, stand das Wasser in den Augen, als er sein Wort an die versammelten Nationen richtete.

Der Vertrag hat unübersehbare Schwächen. So beginnt zum Beispiel die Laufzeit erst in fünf Jahren. Etliche Passagen, die den Verbrauch von Öl und Kohle stark einschränken sollten, wurden im letzten Augenblick noch entschärft. Konkrete Ziel-Formulierungen, wie etwa Decarbonisierung oder Nullemissionen wurden von Indien und den Erdölstaaten verhindert.

Größtes Manko: Es gibt weder eine neutrale Kontrollinstanz noch Sanktionsmöglichkeiten für den Fall, dass Länder ihre Zusagen, die sie laut Vertrag eingehen, nicht erfüllen. Es ist ein wachsweiches Dokument, gebaut allein auf der Einsicht, dass man irgendetwas tun muss. Damit nicht ganze Staaten im Meer versinken. Damit die Menschen in Peking nicht auf offener Straße ersticken.

Die Vermögensverwalter schichten um

Doch die Tatsache, dass überhaupt ein gemeinsamer Vertrag unterschrieben werden wird, ist ein wichtiges politisches Signal. Die Botschaft: Das Zeitalter der fossilen Brennstoffe geht zu Ende. Und das hat weitreichende Folgen für die Wirtschaft. Pensionsfonds, institutionelle Anleger, Family Offices – grundsätzlich alle Investoren, die mit langfristiger Perspektive große Vermögen verwalten und vermehren wollen – werden deshalb allmählich ihre Anlageentscheidungen anpassen.

Den Anfang hat bereits einer der größten Vermögensverwalter weltweit gemacht: Die Allianz hat angekündigt, ihre Investitionen in kohlebasierte Geschäftsmodelle kontinuierlich zurückzufahren. Die Entscheidung betrifft sowohl Aktien als auch Anleihen solcher Unternehmen. „Die Entscheidung war nur ein erster Schritt. Die Allianz hat angekündigt, noch im ersten Halbjahr 2016 weitere Konsequenzen für den Investmentprozess bekanntzugeben“, sagt Marc Pietzonka von der KSW Vermögensverwaltung in Nürnberg.

Andere Investoren werden folgen – vermutlich mit größerer Verzögerung. Doch es wäre aus Anlegersicht ein Fehler, diesen langfristigen Trend zu ignorieren. „Man sollte nicht auf kurzfristige Kursreaktionen an der Börse hoffen. Es wird schließlich darauf ankommen, welche Konsequenzen die jeweiligen Regierungen ziehen und welche Initiativen sie starten“, sagt Pietzonka.

Kann der Windtirbinenhersteller Vestas profitieren?

Bestimmte Branchen könnten auch weiterhin direkt staatlich oder indirekt durch Steueranreize gefördert werden. „Unternehmen aus dem regenerativen Energiebereich könnten insbesondere von staatlichen Subventionen schneller profitieren“, so Pietzonka. Aktuell litten die Kurse der entsprechenden Unternehmen in einigen Ländern noch unter den schwachen Preisen fossiler Energieträger. „Die Anreize für Einsparungen bei fossilen Brennstoffen wie etwa durch Elektromobilität oder die verstärkte Nutzung regenerativer Energien fehlen derzeit“, sagt Pietzonka. Erst mit einem spürbaren Anstieg der Energiepreise werde auch das Thema Regenerative Energien wieder verstärkt in den Vordergrund rücken.

„Eine Branche, die sicherlich vom Pariser Klimabeschluss profitieren wird, ist die Erneuerbare-Energien-Branche mit hochwertigen, rasch zu installierenden Einheiten“, sagt Andrew Murphy, von Murphy&Spitz Nachhaltige Vermögensverwaltung. Dazu gehören die Windkraftanlagenbauer Nordex und Vestas. „Wichtig wird der Zugang zu Märkten außerhalb Europas sein“, so Murphy. So hat beispielsweise Nordex im Oktober Acciona übernommen. Mit der Milliarden-Fusion soll ein global ausgerichteter Anbieter der Windindustrie geformt werden.

„Auch die Solarenergie wird im Zusammenspiel mit dem Wachstumsmarkt Energiespeicherung einen neuen Schub erhalten“, sagt Andrew Murphy. Er erwarte noch einmal einen Kostenrutsch von etwa 30 Prozent bei den Batteriespeichern. Profitieren würden davon Tesla, LG und Panasonic aber auch First Solar und SMA Solar aus Kassel.

„Die bereits installierten Solaranlagen, auch in Deutschland, werden zu einem Wettbewerbsvorteil werden, da sie bald Strom zu Marktpreisen anbieten, sobald sie aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG herausfallen“, erklärt Murphy. Bis dahin seien Unternehmen mit Erneuerbare-Energien-Kraftwerken wie Energiekontor und Capital Stage interessante Aktiengesellschaften. Auch Murphy betont, dass man die Marktentwicklung langfristig betrachten muss.

„Die meisten Aktien werden eher aus kurzfristiger Einschätzung und Überlegung von Anlegern in ein Depot gelegt“, so Murphy. Rückschläge seien auch für Unternehmen, die auf Erneuerbare Energien setzen, daher normal. Als gutes Beispiel dafür nennt er First Solar, das in den vergangenen Wochen an der Börse abgestraft wurde.

Auf die hochspekulative Solarworld-Aktie setzen?

„Zukünftig werden politische Rahmenbedingungen geschaffen, die es ermöglichen, etablierte Technologien in alle Regionen der Welt zu exportieren. Hermesbürgschaften, KFW-Kredite und CO2-Zertifikate sorgen für eine günstiges Investitionsklima“, erklärt Andrew Murphy.

Einer der großen Gewinner der Energiewende könnte Solarworld sein – falls ein US-Gericht das Unternehmen aus Bonn nicht stoppt. „Es ist politischer Wille, dass Solartechnologie weiterhin auch in Deutschland erforscht und produziert wird“, sagt Lothar Koch von GSAM + Spee Asset Management. Solarworld gehört zu den wenigen deutschen Solarmodulherstellern, die die deutliche Marktbereinigung vor einigen Jahren überlebt haben.

Das Unternehmen stand vor zweieinhalb Jahren kurz vor der Insolvenz, schaffte jedoch durch einen Kapitalschnitt und einer anschließenden Kapitalerhöhung die Wende. Solarworld-Chef Asbeck und die Firma Qatar Solar pumpten zudem rund 45 Millionen Euro frisches Kapital in die Firma. Mit den zusätzlichen Fertigungskapazitäten stieg Solarworld, eben noch fast pleite, nun zum zweitgrößten Solarhersteller außerhalb Chinas auf. „Das Unternehmen wirtschaftet profitabel, hat sich eines Großteils seiner Schulden entledigt und die Belastungen deutlich reduziert“, so Koch. Erst vergangenen Woche teilte Solarworld mit, dass das für 2015 selbst gesetzte Absatzziel von Photovoltaikmodulen und Bausätzen mit insgesamt einem Gigawatt Leistung bereits erreicht worden ist. Wachstumstreiber ist insbesondere das US-Geschäft. Doch die ambitionierten Wachstumspläne des Gründers Frank Asbeck sind derzeit durch eine anhängige Klage aus den USA massiv bedroht.

Hintergrund: Der Siliziumlieferant Hemlock Semiconductor hat Solarworld wegen nicht eingehaltener Verträge auf rund 800 Millionen Dollar Schadensersatz verklagt. Im Falle einer Niederlage vor Gericht geht es für Solarworld um die Existenz. Und die Gefahr, dass der Bonner Konzern die bereits seit Jahren andauernde Auseinandersetzung mit seinem ehemaligen Rohstofflieferanten tatsächlich verliert, ist deutlich gestiegen. Denn das US-Gericht hat nicht irgendein Argument von Solarworld kassiert, sondern dessen Hauptargument: Asbeck hatte sich in dem Rechtsstreit mit Hemlock auf das europäische Kartellrecht berufen. Das US-Gericht erkannte dies nicht an. Die Aktie des Unternehmens ist deshalb zum jetzigen Zeitpunkt ein hoch spekulatives Investment.

Seit Anfang Oktober hat sich der Wert der Aktie fast halbiert. Das Schicksal des Unternehmens hängt derzeit nicht von der Entwicklung seinen Umsatz- und Ertragszahlen ab, sondern allein von der Entwicklung in einem US-amerikanischen Gerichtssaal.

Besser Fonds als Einzelaktien?

Die Entwicklung von Solarworld in den vergangenen beiden Jahren zeigt, welche Chancen der Erneuerbare-Energien-Markt bietet. Das Beispiel macht aber auch deutlich, welche Risiken in einzelnen Aktien stecken können. Und es ist kein Geheimnis, dass insbesondere US-Unternehmen juristische Auseinandersetzungen in den USA gerne als Waffe gegen ausländische Konkurrenz einsetzen. Anleger, die darauf setzen, dass der Pariser Klimavertrag tatsächlich wirtschaftliche Folgen haben wird, sind deshalb besser beraten, in Nachhaltigkeitsfonds oder entsprechende Zertifikate zu investieren.

„Der Marktanteil an entsprechenden Portfolios, gemessen am verwalteten Vermögen, liegt derzeit bei lediglich 3,3 Prozent. Aber er wächst“, sagt Andreas Görler von Wellinvest Pruschke & Kalm. „Beim Thema Klima- und Umweltinvestments ist noch deutliches Potenzial vorhanden“, so Görler. Ein Problem sei im Moment zwar, dass es noch keine einheitliche Definition für entsprechende Investments gebe. Erst Anfang Dezember wurde das FNG Siegel für Nachhaltigkeitsfonds eingeführt.

Das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) will mit seinem Qualitäts-Siegel mehr Transparenz im Markt der Nachhaltigen Geldanlagen schaffen. Fonds, die mit dem Siegel ausgezeichnet sind, erfüllen Mindeststandards an Nachhaltigkeit und gehen noch darüber hinaus.

Wie sich das Siegel bewährt, wird sich in den kommenden Monaten und Jahren zeigen. Aktuell empfiehlt Görler, solche Produkte zu wählen, die sich in der Datenbank des Sustainable Business Insitute (SBI) befinden. Hier werden Fonds gelistet, die in besonderer Weise soziale, ökologische oder ethische Kriterien berücksichtigen. Im vergangenen Jahr befanden sich in der Datenbank 393 Publikumsfonds, die in Deutschland, Österreich und der Schweiz aufgelegt sind.

Görler rät, solche Fonds zu wählen, die schon längere Zeit am Markt sind. Einer der bekanntesten ist der Fonds Ökoworld Ökovision Classic, der seit 1996 am Markt ist. Seit der Auflegung hat sich der Wert der Fondsanteile verdreifacht. Das gleiche Haus bietet seit 2007 mit dem Fonds Ökoworld Klima auch eine Investitionsmöglichkeit in Unternehmen an, die Produkte, Technologien und Dienstleistungen anbieten, die zur Behebung des Treibhauseffektes beitragen. „Anleger müssen wissen, dass in dem Fonds auch Wertpapiere von Unternehmen enthalten sein können, für die es keinen breiten, liquiden Markt gibt. Das Schwankungsverhalten kann sich hierdurch erhöhen“, sagt Görler.

Mit Zertifikaten auf den Trend setzen?

Im Vergleich zur Fondsbranche ist die Auswahl bei Zertifikaten recht überschaubar. Die Emittenten haben vor Jahren Baskets aufgelegt oder neue Öko-Indizes unter dem Dachbegriff Nachhaltigkeit geschaffen, die als Basiswert für die entsprechenden Zertifikate dienen. Dabei konzentrierten sie sich oft auf Grundthemen der Nachhaltigkeit, zum Beispiel alternative Energieerzeugung. Dazu zählen regenerative Energien wie Biomasse, Solarenergie, Wasser- und Windkraft, aber auch neue Techniken zur sparsamen Energiegewinnung, beispielsweise Brennstoffzellen.

Die meisten dieser Produkte sind leider mittlerweile schon wieder vom Markt verschwunden. Eines der wenigen übrig Gebliebenen ist ein Zertifikat der Société Générale. Die Bank hat zusammen mit der SAM Group und der Index-Agentur STOXX den  European Renewable Energy Index erfunden, kurz: ERIX. Das ERIX-Zertifikat enthält die nach Kapitalisierung zehn größten Unternehmen aus den Segmenten Biomasse-, Geothermie-, Solar-, Wasser- und Windenergie. Dazu zählen derzeit unter anderem die beiden Windkraft-Spezialisten Vestas Wind Systems und Gamesa sowie Enel Green Power und das Windkraftunternehmen Nordex.

Besonderer Vorteil des Zertifikats: ERIX ist ein Performance-Index. Das heißt, dass auch Dividenden in die Berechnung einfließen. Da bei der Zusammensetzung des Index die Marktkapitalisierung der Unternehmen eine ausschlaggebende Rolle spielt, sind Solar- und Windkraft-Unternehmen stärker gewichtet. Die Zusammensetzung des dazu passenden Zertifikats ISIN DE000SG1ERX7 wird vierteljährlich überprüft und eventuell angepasst. Dafür berechnet der Emittent 0,85 Prozent Managementgebühren pro Jahr.

Fazit

Der Klimagipfel von Paris hat mit dem Vertrag ein wichtiges politisches Zeichen gesetzt, das auch wirtschaftliche Auswirkungen haben wird. An der Börse werden diese nicht sofort zu spüren sein. Langfristig wird sich der Trend zu Investitionen in nachhaltig wirtschaftende Unternehmen und Unternehmen aus dem Bereich Erneuerbare Energien verstärken. Wer sich hier rechtzeitig positionieren will, sollte das am besten mit langfristig angelegten Sparplänen in entsprechende Nachhaltigkeits-Fonds oder Zertifikate tun. Handelsblatt / Matthias v. Arnim