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Arabien verschnupft - Katar hat Husten

Es ist eines der reichsten Länder der Welt – das Emirat Katar. Man katapultierte sich von einem nomadenbesiedelten Fischfanggebiet mit rückständiger Bevölkerung innerhalb weniger Jahrzehnte in die Liga der dekorierten Ölscheichs und wurde auf der internationalen Bühne eine Größe für sich. Rückständig blieb man allerdings. Und jetzt kommt die Quittung: Reinhard Schlieker macht die Rechnung auf.

BÖRSE am Sonntag

Es ist eines der reichsten Länder der Welt – das Emirat Katar. Man katapultierte sich von einem nomadenbesiedelten Fischfanggebiet mit rückständiger Bevölkerung innerhalb weniger Jahrzehnte in die Liga der dekorierten Ölscheichs und wurde auf der internationalen Bühne eine Größe für sich. Rückständig blieb man allerdings. Und jetzt kommt die Quittung.

Von Reinhard Schlieker

Flüssiggas-Exporte sorgten für märchenhaften Reichtum: Allein in Deutschland hat die staatliche Investmentgesellschaft Katars rund 25 Milliarden Dollar angelegt – als Großaktionär unter anderem von Volkswagen und bei der Deutschen Bank. Als äußerst angenehm wurden diese wenig krawallorientierten Geldgeber angesehen, die vornehm zurückhaltend nichts anderes zu wollen schienen als ein solides Investment mit auskömmlicher Rendite. In Sachen Finanzwesen macht dem Emir und den Seinen keiner etwas vor, und das Geld der verzweigten Sippe dürfte weit über das Ende des Ölzeitalters hinaus seine Früchte tragen. Nun aber droht dem Emirat tausenundeine Nacht: Es waren gar nicht mal die zementierten Hierarchien im Golfstaat, die Ausbeutung zugewanderter Arbeitskräfte auf den zahlreichen Baustellen oder die rigiden religiösen Einschränkungen des täglichen Lebens, die das Land nun in eine heiße Konfliktzone verwandelt haben.

Die Religiösen aus Katar werden vor allem vom sunnitischen Saudi-Arabien seit jeher verdächtigt, mit Erzfeind Iran zu kungeln und islamistische Terrorgruppen zu unterstützen, einst Al-Kaida und nun den sogenannten Islamischen Staat. Sechs arabische Länder haben die Beziehungen zu Katar abgebrochen und zum Boykott aufgerufen: Das Pulverfass Nahost hat seit wenigen Tagen eine neue Lunte. Dass aus dem schwelenden Konflikt ein heißer werden könnte, halten Experten nicht für ausgeschlossen. Wirtschaftlich trifft es Katar nämlich in einer bereits krisenhaften Situation: Vor allem wegen der Öl- und Gasförderung in den USA sanken seit längerem die Rohstoffpreise, wichtigste Einnahmequelle des Landes, das mit 2,6 Millionen Einwohnern etwa so groß ist wie Hessen. Und nur etwa zehn Prozent der Bewohner sind Kataris – der Rest stammt zumeist aus der Dritten Welt und ist für die unwürdige Arbeit zuständig.

Allein im Mai ist der Rohstoffpreisindex des Hamburgischen Weltwirtschaftinstituts im Sektor Energie um sieben Prozent gefallen (in Euro, in Dollar: 4,1). Es kommt aber noch dicker: Für deutsche börsennotierte Unternehmen stellen sich plötzlich ernste Fragen der guten Unternehmensführung: Bei VW etwa ist die „Quatar Investment Authority“ (QIA) mit ihren Ablegern größter Einzelaktionär mit 17 Prozent, bei der Deutschen Bank sind sie mit rund neun Prozent beteiligt und bei Siemens mit drei. In Fragen von Terrorismusförderung und/oder Geldwäsche spricht der deutsche Kodex guter Unternehmensführung eine eindeutige Sprache. Vielleicht müssten deutsche Konzerne, die um ihren Ruf besorgt sind, Aufsichtsratsmitglieder aus zwielichtigen Staaten und Organisation besser hinauskomplimentieren. Das wird auch nicht abgemildert durch die Tatsache, dass die Boykotteure, darunter eben Saudi-Arabien und Ägypten und solche Exoten wie die Malediven, selbst immer wieder auf Negativlisten auftauchen – in Sachen Pressefreiheit, Menschenrechte oder Demokratie reichen die Länder einander gern das Wasser.

In deutschen Chefetagen dürfte es also munter zugehen dieser Tage. Der Konflikt könnte sich in wirtschaftlicher Hinsicht zu einer Grundsatzdebatte ausweiten: Viele aufstrebende Staaten suchen nach Geldanlagen – soll deren Vermögen also willkommen sein, wenn es ihre Regierungen eher nicht sind? Bisher jedenfalls wurde diese Frage, nicht nur in Deutschland, zumeist mit „ja“ beantwortet. Dass Geld nicht stinkt, wussten ja schon die alten Römer.