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Guter Stern für China

Daimler hat es allen gezeigt – keiner der Marktbeobachter hatte damit gerechnet, dass der Autohersteller bei Gewinn, Umsatz und auch operativer Marge so stark zulegen könnte wie er es gegen Ende der Woche berichtet hat. Plötzlich, muss man fast sagen, stehen die Stuttgarter wieder auf dem Treppchen, nachdem in den vergangenen Jahren schon fast Abgesänge zu hören gewesen waren.

BÖRSE am Sonntag

Daimler hat es allen gezeigt – keiner der Marktbeobachter hatte damit gerechnet, dass der Autohersteller bei Gewinn, Umsatz und auch operativer Marge so stark zulegen könnte wie er es gegen Ende der Woche berichtet hat. Plötzlich, muss man fast sagen, stehen die Stuttgarter wieder auf dem Treppchen, nachdem in den vergangenen Jahren schon fast Abgesänge zu hören gewesen waren.

BMW und Audi hatten den Ruf der Angreifer, der jüngeren und beweglicheren Herausforderer des schwäbischen Riesen. Die Entwicklung zeigt aber, dass man nicht voreilig urteilen sollte, sie zeigt aber zudem, dass das Vergängliche in der Branche nicht der Rost am Produkt ist, der ja nach und nach keine Rolle mehr spielt – der Lebenszyklus des Automobils wird nicht mehr vom unvermeidlichen Oxidieren bestimmt. Heute sind das Design und der Kraftstoffverbrauch das Merkmal des Alters. Die Langlebigkeit der Modelle ist zu einem ganz eigenen Problem der Branche geworden: Hob oder senkte früher der TÜV den Daumen und bestimmte weitgehend, wann sich Schweißen einfach nicht mehr lohnte, so fahren die Wagen inzwischen mit Verbundwerkstoffen, Carbon und Aluminium fast jedem Salzfraß davon.

Daimler profitierte im ersten Halbjahr von neuen Modellen, das ist eindeutig. Und von China. Die Bedürfnisse des Riesenreiches, das einen historisch ganz anderen, den roten Stern, im Emblem führt, ist eine Aufgabe, die die deutschen Hersteller zum Glück frühzeitig angegangen sind, und man kann ihnen zutrauen, die Besonderheiten des Marktes zu verstehen – sie werden in China sehr maßgeblich von einem Politbüro bestimmt, das sich zutraut, auch Aktienkurse richtig einschätzen und notfalls bestimmen zu können. Um wie viel mehr dann Autostrategien?

Die Herausforderungen des Konzerns liegen hier. Behäbigkeit ist das Schlimmste, was man einem Autohersteller nachsagen kann, Verlässlichkeit und Tradition, die einst Daimler Wucherpfund waren, sind nur noch schöne Beigaben. Es zählen Technologie, Computerwissen, strategisches Netzdenken in der Google- und Youtube-Welt. Während mancher sich noch erinnern kann, dem Tankwart mit der Schirmmütze hilflos die Landkarte hingehalten zu haben, um sich zeigen zu lassen, wo denn nun Maria-Enzersdorf liegt, haben die großen Autohersteller sich einen digitalen Kartendienst von Nokia gekauft. Das ist die technische Seite.

Derweil hat das chinesische Politbüro seine Entsprechungen im Rest der Welt: Dem Ingenieur mag manches ein Graus sein, was Politik und allgemeine Stimmungslage von ihm verlangen, etwa die einseitige Minderung des CO2-Ausstoßes, ein Gas, das fast schon als giftig hingestellt wird, wo wir doch ohne es nicht überleben könnten. Das wirklich giftige Kohlenmonoxid ist kein Thema mehr – so ändern sich auch in Sachen Unheilsprophetien die Zeiten. Die Technologie muss so flexibel sein, dass sie den neuesten Moden der Umweltpolitik, dessen, was gerade politisch korrekt ist, stets folgen kann. Das ist vielleicht die größte Herausforderung an Flexibilität, die auf einen Riesenkonzern im Moment zukommt. Und man muss in der Lage sein, mit Inbrunst dem vermeintlich Guten zu folgen und dem Bösen zu entsagen, sonst bekommt man kein Rad mehr auf den Boden.