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Fusions-Aus: Börsen nicht heiratsfähig

In London muss es sehr vernehmlich „pfffft“ gemacht haben, als die Anforderung der EU bekannt wurde: Die Londoner Börse LSE sollte zunächst eine italienische Beteiligung abstoßen. Angesichts des Milliardenprojekts wäre das kein so dramatisches Opfer gewesen – im Lichte der jüngsten Entwicklungen aber ist das ein betörender Anlass, nein zu sagen, Luft abzulassen und elegant zu entschwinden aus der europäischen Umlaufbahn. Und nun?

BÖRSE am Sonntag

In London muss es sehr vernehmlich „pfffft“ gemacht haben, als die Anforderung der EU bekannt wurde: Die Londoner Börse LSE sollte, um eine Fusion mit der Deutschen Börse erlaubt zu bekommen, zunächst eine italienische Beteiligung abstoßen. Angesichts des Milliardenprojekts Börsenfusion wäre das kein so dramatisches Opfer gewesen – im Lichte der jüngsten Entwicklungen aber kam den Londonern die Brüsseler Auflage wohl gerade recht: Als betörender Anlass, nein zu sagen, Luft abzulassen und damit elegant zu entschwinden aus der europäischen Umlaufbahn.

Von Reinhard Schlieker

Nun ist der Traum wohl endgültig geplatzt. Die Fusion scheint gescheitert, und viel Geld, Schmerz und Herzeleid in Frankfurt wurden umsonst bemüht – wenn auch nicht vergeblich. Denn die Widerstände im Hessischen wurden auch bei den Briten aufmerksam registriert, und gegen eine Welle anzutreten, die während des ohnehin schwierigen Starts einer solchen Fusion noch bremst, wäre sicherlich schwierig geworden.

Die ganze Misere kulminierte aber bereits mit dem britischen Brexit-Votum im vergangenen „schwarzen Juni“ (Prof. Sinn, damals Ifo-Institut), eine Disruption, wie man sie nicht klarer haben kann. Damit bekam der Streit um den Sitz des neuen Unternehmens erst so richtig eine international-juristische Komponente, denn die Deutsche Börse, regiert von außerhalb der EU – das wollte man sich nicht vorstellen. Hat sich nun wohl erledigt, zumal auch sonst kein milder Sternenglanz auf das Vorhaben fiel: Jüngster Fall von Blutgrätsche kam aus der Frankfurter Staatsanwaltschaft, die zur Fusion zwar keine dezidierte Meinung haben dürfte, zu verbotenen Insidergeschäften aber schon.

Und so nahm man Großeinkäufe von Börsenchef Carsten Kengeter unter die Lupe, der just zur Zeit der aufkommenden Verhandlungen über die Fusion für einige Millionen Aktien des eigenen Unternehmens kaufte – was allerdings auch so vom Aufsichtsrat gewünscht und vertraglich festgelegt wurde, um die Bindung des angestellten Chefs an das Unternehmen zu stärken. Blödes Timing halt. Nachweisen müsste die Staatsanwaltschaft, dass Kengeter mit Wissensvorsprung handelte und sich so bereichern wollte – das scheint kaum möglich, zumal es ja überhaupt nicht ausgemacht ist, dass der Kurs mit der Fusion gestiegen wäre. Man hat da ja schon anderes gesehen. Ob Kengeter gleichzeitig Put-Optionen erworben hat? Weiß man natürlich nicht, und man will’s nicht hoffen.

Das alles jedenfalls machte aus Londoner Hardcore-Bankern scheue Rehe, und das ist auch gut so. Die Deutsche Börse hat in den Jahren 2000, 2004, 2005, 2006 und 2011 diverse Fusionen versucht – die Vereinnahmung anderer Börsenbetreiber verlockt mit günstigen Synergieverhältnissen, aber scheitert regelmäßig. Da sind nationale Eigenheiten, und überall (außer in Deutschland wohl) unverhandelbare Unternehmenssitze – niemand lässt sich „seine“ Börse nehmen, einen Finanzplatz ohne einen Handelsbetreiber will man in London nicht und in New York schon gar niemals. Insofern sind Börsen wohl nicht heiratsfähig und aus diesem Alter raus.

Bleibt den Deutschen Börsianern der Blick nach Osten und Fernost – und wenn man willens und in der Lage ist, Frankfurt als unumstrittenen Sitz zu behalten, dann wären sicher auch Kleinaktionäre, Bankenumfeld sowie Regulierer in der hessischen Landesregierung keine Bremsklötze mehr. Wäre doch mal eine Idee.