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Der GröLaZ

Irrlichternd bewegt sich Claus Weselsky durch die Welt, die für ihn eine Bühne ist – bei seinen öffentlichen Auftritten immer mehr ähnelnd jenem "großen Diktator" aus Charlie Chaplins Schwarzweißfilm – und riesigem Erfolg aus dem Jahre 1940.

BÖRSE am Sonntag

Irrlichternd bewegt sich Claus Weselsky durch die Welt, die für ihn eine Bühne ist – bei seinen öffentlichen Auftritten immer mehr ähnelnd jenem "großen Diktator" aus Charlie Chaplins Schwarzweißfilm – und riesigem Erfolg aus dem Jahre 1940.

Irgendwie zum Lachen, aber bitter, sehr bitter. Verwurzelt ist der Chef der Loklenkergewerkschaft GdL natürlich nicht in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sondern eher in den östlichen sechziger oder siebziger Jahren desselben. Was es damals an Streikrecht in der DDR nicht gab (brauchte ja auch keiner im Arbeiterparadies), will der Dresdner nun mit Gewalt nachholen. Wozu hat er all die politischen Seminare gemacht und die Kampfkraft der proletarischen Massen studiert? Da müsste doch nun im Westen mal mindestens der Ehrentitel des Größten Lokführers aller Zeiten herausspringen.

An der Vorgehensweise des Mannes dürfte es nicht liegen, wenn das nicht klappt. Auch wenn er ja gar nicht fährt, und andere bevorzugt daran hindert, es zu tun: Vielleicht konnte er sich ja nie mit der Reisefreiheit im Westen anfreunden, mutmaßte kürzlich ein Witzbold, und schränkt sie daher nun auf seine Weise ein. Jedenfalls dürfte die Zahl der Jungen, die noch Lokführer werden wollen, demnächst rapide zurückgehen – gut fürs Renommee der Feuerwehr und der Raumfahrt.

Es ist derzeit auch kaum möglich, abzuschätzen, inwieweit seine in der GdL gebündelte Gefolgschaft überhaupt noch wild zum Kampf entschlossen ist, denn bei Weselsky kommt niemand sonst zu Wort. Die Bahn hat längst sehr auskömmliche Lohnerhöhungen und sonstige Verbesserungen angeboten, die jeder, der noch ganz bei Trost ist, in diesen Zeiten annehmen würde. Dass Streikposten Weselsky deshalb einpackt, war ja nicht zu erwarten – allerdings hat er nun auch klar dargelegt, dass es ihm gar nicht um das Wohl der Beschäftigten zu tun ist, sondern ausschließlich um sein eigenes, das er merkwürdigerweise mit dem Anspruch verbunden hat, für die Mitglieder anderer Gewerkschaften mitsprechen zu wollen.

In seiner vergangenen Heranbildung hat man die Strategie sicher als "Kampf gegen Spalter und Revanchisten" drangenommen. Die Konkurrenz von der EVG jedenfalls soll ausgemerzt werden, vorher gibt es keine Schlichtung und kein Zurückweichen. Auch diese Zwangsbeglückungsversuche sind eher etwas Typisches für fern-finstere Zeiten. Erstaunlicherweise wird in der Öffentlichkeit wenig darüber diskutiert, was den biederen deutschen Beamtenbund geritten hat, als er der Nervensäge auf der Gewerkschaftslok eine anhaltende Finanzierung seiner halbprivaten Vendetta zusagte.

War es das Gefühl, angesichts nicht streiken dürfender Mitgliederschaft wenigsten bei den assoziierten Lokführern mal so richtig auf den Putz hauen zu können? Falls ja, dürfte es jetzt aber auch mal gut sein. Schade um das viele Geld, das Lehrer, Richter und Polizisten dort eingezahlt haben, damit Weselsky es nun verbraten kann. Schade auch, dass die Bahn und ihr Chef Grube offenbar kein Mittel ersinnen können, den GröLaZ mal gegen den Prellbock rauschen zu lassen. Selbstfahrende Loks und Züge, Zusatzausbildung fürs Personal (bei Lufthansa fliegt auch schon mal ein Manager mit Lizenz), was auch immer: Man lasse bitte alles fahren, und nicht nur die Hoffnung.