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Rakete oder Komet?

Die Holdingfirma der Samwer-Brüder, Rocket Internet, führt ein beschauliches Leben im Entry Standard der Börse, dem Segment mit den nicht ganz so harten Anforderungen an Transparenz und Berichtswesen, und alles könnte so schön sein. Schließlich ist auch das Risiko begrenzt, etwas völlig Neues zu versuchen: Rocket ist ein besserer Kopierapparat, der erfolgreiche Geschäftsideen von anderswo bemerkt, untersucht, anpasst und schnellstmöglich dort unterbringt, wo das Original noch nicht Fuß gefasst hat.

BÖRSE am Sonntag

Die Holdingfirma der Samwer-Brüder, Rocket Internet, führt ein beschauliches Leben im Entry Standard der Börse, dem Segment mit den nicht ganz so harten Anforderungen an Transparenz und Berichtswesen, und alles könnte so schön sein. Schließlich ist auch das Risiko begrenzt, etwas völlig Neues zu versuchen: Rocket ist ein besserer Kopierapparat, der erfolgreiche Geschäftsideen von anderswo bemerkt, untersucht, anpasst und schnellstmöglich dort unterbringt, wo das Original noch nicht Fuß gefasst hat.

Nicht verwerflich, denn es darf ja ruhig mehrere geben, die etwas anbieten – man nennt es Wettbewerb. Nur – höchst angesehen ist halt nun mal der Wettbewerb der Ideen, nicht so sehr der des Ideenklaus. Die feine Linie dazwischen kann man notfalls mit hohen Erträgen zuschütten, auf dass sie unsichtbar werde. Daran aber fehlt es.

Das Credo von Rocket Internet, an der Börse nun knapp sechs Milliarden Euro wert, lautet wie einst am Neuen Markt: Gewinne sind nicht so wichtig, Marktbeherrschung und Umsatz zählen. Das wird derzeit von der Börse ziemlich kritiklos geschluckt, denn ein jeder ist nicht nur auf der Jagd nach der berühmten „Story“, sondern auch nach Rendite im Zinstal. Dass Rocket nicht senkrecht gestartet, sondern ein bisschen wie ein Komet leuchtend taumelnd angesengt worden ist, stört kaum. Die Töchter der Holding, die Start-Ups also mit virtuellen Möbelhäusern wie Home 24 oder Delivery Hero als Lebensmittel-Bringer wecken die nötige Phantasie.

Der Textilhändler Zalando, ebenfalls an der Börse und mehr wert als die einstige Geburtshelferin Rocket, bestätigt scheinbar das Konzept. Geld verdienen kann aber auch Zalando nicht, denn die Marketing- und Rückgabekosten sind nach wie vor hoch. Wer ins Grübeln gerät, oder gar ins Zweifeln, wird mit den Aussichten auf den Märkten in Südostasien oder Afrika getröstet. Dort liegt ein weites Feld vollkommen brach, und wenn der Lebensmitteleinkauf mit anschließender Lieferung hier nicht klappt, dann auswärts doch wohl sicher. Meint man. Dafür und für eine aggressiv-undurchsichtige Geschäftsstrategie haben die Anleger beim Börsengang vor nicht einmal einem Jahr 1,5 Milliarden Euro lockergemacht, dann im Februar nochmals 590 Millionen als Kapitalerhöhung und nun 550 Millionen per Wandelanleihe. Letztere sorgte für einen Kurseinbruch von zweitweise 18 Prozent in der vergangenen Woche – da verschwand mal ganz plötzlich das Doppelte des Anleihenerlöses an Marktwert. Aber nörgelnde Rechnertypen sind bei den Samwers noch nie beliebt gewesen. Denen wird man es zeigen, wenn erst die nächsten Stars aus dem Bukett der kampferprobten Startup-Unternehmen an die Börse gehen. Der Erlös sollte dann dazu beitragen, dass Rocket vielleicht mal eine Weile nicht ganz so rasant seine Barschaft schrumpft – die nimmt nämlich schneller ab als man Finanzierungsrunden aufrufen kann.

Das Problematische an der Konzeption des Ganzen ist nicht nur, dass die Rocket-Gründer unmöglich von all den Geschäftsfeldern etwas verstehen können, die ihre Hoffnungsträger beackern. Es kommt auch noch hinzu, dass es seitens China oder den USA kein Stillhalteabkommen gibt. Oliver Samwer will sein Konglomerat genau zwischen diesen Internet-Riesen aufbauen. Dass er dabei ungestört bleibt, dürfte nur so lange gewährleistet sein, wie er tüchtig Verlust macht. Sobald etwas sich bewährt hat, könnte die Retourkutsche kommen: Warum soll nicht China etwas kopieren, das die Samwers ihrerseits in den USA kopiert haben? Die Anleger müssen Überraschungen einfach lieben lernen.