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ELA, Helau!

Der ganzjährig tätige Fastnachtsnarr Alexis Tsipras mit seinem Finanzminister-Darsteller als Quell immer neuen Frohsinns sorgt für eine merkwürdige Situation auch für Kommentatoren und Berichterstatter: Mit jedem Tusch aus Athen, der seine Auftritte in der Bütt’ begleitet, kommt ein neuer Gag daher, der alles zuvor Vermutete wieder obsolet macht.

BÖRSE am Sonntag

Der ganzjährig tätige Fastnachtsnarr Alexis Tsipras mit seinem Finanzminister-Darsteller als Quell immer neuen Frohsinns sorgt für eine merkwürdige Situation auch für Kommentatoren und Berichterstatter: Mit jedem Tusch aus Athen, der seine Auftritte in der Bütt’ begleitet, kommt ein neuer Gag daher, der alles zuvor Vermutete wieder obsolet macht.
 
Zwischen ELAs und Helaus haben Aussagen aus Griechenland zu Griechenland die Halbwertzeit sozialistischer Wirtschaftspläne, sind immerhin aber fast ebenso witzig. Der Vermerk, „wie bei Redaktionsschluss bekannt“ sollte fester Textbaustein werden – Onlinemedien greifen zum Mittel des Livetickers, der sich bei Spielereignissen bewährt hat, wo sich die Lage minütlich ändert. Als letzte Volte hat Tsipras die erstaunten europäischen Finanzminister vor ihrer Notfalltagung am Samstag noch mal kurz genasführt: In einem Referendum soll nun also das griechische Volk nicht etwa über griechische Politik, sondern über den auf dem Tisch liegenden letzten Kompromissvorschlag der EU- und IWF-Gläubigerseite entscheiden.

Damit bricht Tsipras erneut eine der goldenen Brücken hinter sich ab, die ihm die schafsgeduldigen Europäer mal wieder gebaut haben. Denn dass eine Mehrheit der Griechen die Kompomissvorschläge ablehnen, kann man annehmen. Schließlich hat ihnen die Regierung lange genug versprochen, dass man auch weiterhin von fremdem Geld ohne große Mühe wird leben können, wie man es seit Jahrzehnten nicht anders kennt – und kommt es mal zum Schwur, dann werden eben Statistiken gefälscht, wie beim Verfahren zum Euro-Beitritt. Auch die landeseigenen Millionäre haben nichts zu fürchten von diesen schunkelnden rechts-links-Radikalen, vor deren Athener Fastnachtshochburg die lustig verkleideten Wach-Soldatendarsteller in putzigen Kleidchen paradieren wie eh und je, in welchen sie vermutlich üben, wie man den nächsten Kampf verliert.

Mehrere Clous beim Referendum: Die Ablehnung der Vorschläge wird es Tsipras leicht machen, Empörung zu heucheln darüber, dass man den Griechen zumutet, mal so in zwanzig Jahren etwa eigene Mittel zu erwirtschaften statt mit ihrer eigentlich global und europäisch völlig bedeutunglosen Mini-Volkswirtschaft das Geld anderer Leute zu verprassen. Warum nur fallen die Europäer auf den Trickser herein, wenn sogar ein Wladimir Putin schaudernd Abstand hält? Und noch ein Clou: Die Volksabstimmung soll am 5. Juli stattfinden – weit jenseits vertraglich festgelegter Stichtage, der des 30. Juni zum Beispiel. Da wenigstens der IWF sich nur begrenzt am Nasenring durch die Halle führen lässt, dürfte am 1. Juli die Zahlungsunfähigkeit erklärt werden.

Damit kann man 2% der europäischen Wirtschaftsleistung dann auch offiziell vergessen. Nur die EZB mit ihren außer- oder übergesetzlichen täglichen Notkrediten ELA schafft noch Geld ins Land, welches die Griechen aus dem Automat holen und bunkern. Kleine Notration für später, oder? Das ist das einzige, was man an Griechenland derzeit sehr gut verstehen kann, zwischen Ela, Alaaf und Helau. Für ein groteskes Schauspiel sind die Eintrittskarten entschieden zu teuer. Hoffentlich fällt die letzte Vorstellung aus und dann ganz schnell der Vorhang.

Reinhard Schlieker, ZDF-Wirtschaftskorrespondent