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Bayer zwischen Baum und Borke

Wenn es dem Chemie- und Pharmakonzern aus Leverkusen, bekannt durch die gleichnamige Fußballmannschaft und Aspirin zur Selbstmedikation (nein, nicht des Konzerns, sondern des Patienten), eines Tages gelingen sollte, das Joch brutaler Prozesse in den USA und internationaler Verwicklungen abzuschütteln, ja dann! Könnte es vielleicht auch wieder Kurse um die 140 Euro geben, wie sie früher mal, Mitte des letzten Jahrzehnts zum Beispiel, möglich waren.

Wenn es dem Chemie- und Pharmakonzern aus Leverkusen, bekannt durch die gleichnamige Fußballmannschaft und Aspirin zur Selbstmedikation (nein, nicht des Konzerns, sondern des Patienten), eines Tages gelingen sollte, das Joch brutaler Prozesse in den USA und internationaler Verwicklungen abzuschütteln, ja dann! Könnte es vielleicht auch wieder Kurse um die 140 Euro geben, wie sie früher mal, Mitte des letzten Jahrzehnts zum Beispiel, möglich waren.

Von Reinhard Schlieker

Heute steht die Bayer AG mit rund 52 Euro zwar in völlig anderen Regionen, aber dieser Wert bedeutet immerhin für die letzten vier Wochen einen zweistelligen Zuwachs. Man hört richtig, exakt jene vier Wochen, die für den Börsenfan im Großen und Ganzen nichts als Missvergnügen zu bieten hatten. Bayer ist eben ein Urgestein des Dax, früher mal wertvollstes Unternehmen dort, kein Technologie-Startup und auch kein Hoffnungswert, aus dem die Luft entweicht.

Apropos Urgestein: Das neue Nierenmedikament Fenerenon dürfte in Kürze in der EU zugelassen werden, so jedenfalls die Empfehlung der Arzneimittelagentur EMA im Dezember. Für chronisch Nierenkranke eine gute Nachricht – angesichts des Potentials aber auch eine für Bayer-Aktionäre. Dann wurde unlängst der Patentschutz für den Blockbuster „Xarelto“ zur Blutverdünnung um zwei Jahre verlängert, das sind gesicherte Milliardengewinne. Zum Teil dürfte der jüngste Kursaufschwung auf diese Hoffnungen zurückzuführen sein – zum Teil aber auch auf jüngste Erfolge in den USA, wo weiterhin Prozesse um das Monsanto-Unkrautvernichtungsmittel „Roundup“ laufen. Es geht um Milliarden an Schadensersatzforderungen, da das Mittel angeblich Krebs erzeugen könne, und Betroffene klagen.

Die Monsanto-Übernahme für 60 Milliarden Euro machte Bayer nach 2016 zwar zum größten Agrarchemiekonzern der Welt, brachte aber neben den horrenden Kosten des Kaufpreises eine Prozesslawine – kurz nach Abwicklung der Übernahme fiel 2018 ein erstes Urteil in Kalifornien, das dem Kläger 289 Millionen Dollar zusprach. Das Urteil hatte zwar keinen Bestand, aber dem Aktienkurs war fürs erste kaum noch zu helfen. Eine erste außergerichtliche Einigung mit tausenden klagender Kunden kostete Bayer dann an die zehn Milliarden Dollar. In einigen der Berufungsverfahren verlor Bayer, und konnte nun erst im Herbst und dann noch einmal im Dezember 2021 zwei Prozesse gewinnen. Ende offen, insgesamt – sollte Bayer kostenverträgliche Einigungen finden oder aber nachhaltig weitere Prozesse gewinnen, wäre dies sicherlich ein Baustein für künftig höhere Kurse.

Dies ist ebenso spekulativ wie amerikanische Gerichte unberechenbar sind. Ob es vor deutschen Gerichten besser aussieht, wird Bayer demnächst erfahren – wenn nämlich die Klagen zahlreicher Aktionäre verhandelt werden, die sich im Zuge der Monsanto-Übernahme getäuscht fühlen. Bayer habe die Risiken verschwiegen und mithin Schaden verursacht – nämlich durch den fallenden Aktienkurs. Immerhin rund 250 institutionelle Anleger klagen da, neben zahlreichen Privatanlegern. Wann das Musterverfahren eröffnet wird, ist nicht absehbar, wann es enden wird, erst recht nicht. Jahrzehntelange Verfahrensdauer nicht ausgeschlossen. Es geht um mehr als zwei Milliarden Euro.

Und dann gibt es noch aktivistische Aktionäre, wie man die druckausübende Spezies nennt, die gern verborgene Schätze heben wollen, von denen das Management angeblich nichts weiß. Im Falle Bayer wäre das die Aufspaltung des Konzerns in ein Pharma- und ein Agrarchemie-Unternehmen. Zumindest grob umrissen, weitere vorhandene Geschäftsbereiche und Konzernaktivitäten fallen demgegenüber weniger ins Gewicht. Die Trennungsfreunde haben ein Beispiel parat: Dem Bayer-Kurs tat es sehr gut, dass die Leverkusener sich von ihrem Chemiegeschäft verabschiedeten (Lanxess, 2004).

Ohnehin ist die Bayer-Geschichte reich an Umbau und Umwälzung – von vorneherein auszuschließen ist ein Erfolg der Aufspalter nicht. Dies ist offenbar ein Zeitzeichen – Daimler etwa trennte jüngst seine Lkw-Sparte ab, was vor einigen Jahren noch undenkbar schien.
So warten auf die Bayer-Aktionäre, derzeit oft noch zwischen Baum und Borke, wie wohl der ganze Konzern, mit Sicherheit ein paar Überraschungen. Was das Unternehmen kann, steht außer Zweifel. Wie man sich aus selbstverschuldeten Zwangslagen befreit, noch nicht so ganz.

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