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UNTERNEHMEN  Fonds   ZERTIFIKATE  rohstofe   Lebensart   AKTIEN & MÄRKTE Keine Zukunft ohne Herkunft Doch so traditionsreich und herkunftsbewusst wie Siemens und seine Mitarbeiter heute sind, so innovativ und fortschrittlich muss das Unternehmen gleichzeitig sein. Manche Branchenexperten wollen dem Konzern mit Doppelsitz in München und Berlin gar die Rolle eines Pendants zu Google und anderen amerikanischen IT-Firmen zuweisen. Mit rund 17.500 Software- Entwicklern ist der deutsche Technologiekonzern Am 1. Oktober wird mit einem Schlag die Sektorenebene in der Organisations-Struktur abgeschafft. in diesem Bereich fast gleichauf mit Google. Doch während die Computernerds im Silicon-Valley nach neuen Algorithmen suchen, um digitale Fußabdrücke zu analysieren, kümmern sich Siemensianer beispielsweise um die intelligente Vernetzung und Datenauswertung von Windturbinen in Offshore-Parks. Allmählich hat der deutsche Tech-Konzern auch einen Fuß in der Tür des kalifornischen Technologie-Wunderlands. Dort versucht Siemens demnächst vom kreativen Umfeld diverser Startups zu profitieren und installiert dazu eine Art Think-Tank vor Ort. Auch der Bereich Energy-Managements wird seit August unter der Führung von Lisa Davis von Übersee aus geführt. Von der ehemaligen Shell-Managerin erhofft man sich intern eine Kehrtwende im Energy-Geschäft. Am 1. Oktober wird mit einem Schlag die Sektorenebene in der Organisations- Struktur abgeschafft. Bei Siemens ist man Sicherheit gewohnt, die Mitarbeiter schätzen dies und sorgen sich bei jeder Veränderung. Das mag zwar für ein Unternehmen, das sich an Innovationen und neuen Ideen messen lässt, eigenartig klingen. Doch Beständigkeit und Langfristigkeit wird bei Siemens großgeschrieben. Zwar ist dieser Umbruch schon seit einigen Monaten angekündigt, doch von Arbeitnehmerseite noch nicht vollends akzeptiert. Es herrscht Verunsicherung. Und diese rührt nicht allein von der Angst des Stellenabbaus. Flexibilität ist eine Eigenschaft, die bislang eher selten mit Siemens in einem Satz verwendet wurde. Einen dieser seltenen Fälle konnte man jedoch vor einigen Wochen beim geplatzten Alstom-Deal beobachten. So präsentierte es zumindest CEO Kaeser. Denn im Anschluss an das verpasste Geschäft – GE überbot Siemens im Übernahmepoker – bedankte er sich bei seinen Mitarbeitern in einem offenen Brief für die „außerordentliche Termin-Flexibilität“, die zeige, dass Siemens „zu jeder Zeit handlungsfähig“ sei. Überhaupt demonstrierte in jenen Tagen die Kommunikations-Abteilung in München auf eindrucksvolle Weise, wie man einen zunächst kritischen Vorgang ins Positive drehen kann. Die Presse war hernach fast einhellig der Meinung, dass der Ausgang des unvollendeten Alstom-Rendezvous für Siemens positiv zu bewerten sei. Nichts dem Zufall überlassen Siemens arbeitet akribisch – und dies über die vielen Abteilungen und Standorte hinweg. Die unausgesprochene Marschroute könnte „nichts dem Zufall überlassen“ lauten. Siemensianer folgen diesem Ideal fast unnachahmlich. Problematisch wird es, wenn Momentum oder Reaktionsschnelligkeit verloren gehen. In der Technologie-Branche kann dies schnell zur Gefahr werden, denn die Konkurrenz um General Electric ist nicht nur stark, sondern zuweilen stärker als der deutsche Vorzeigekonzern. Die Kernthemen der nächsten Jahren hat Siemens in der „Vision 2020“ niedergeschrieben. So orientiert sich der Mischkonzern an den Schlagwörtern Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung. Was damit konkret gemeint ist, erläutern zwei Beispiele: In der Nähe von Wien entsteht eine sogenannte „Smart City“: Der Ort Aspern wird dabei zu einem lebenden Labor. Hochmoderne Wohnhäuser, Schulen und Industriegebäude sollen sich in intelligenter Weise an ihre Umwelt anpassen. So wird der Energieverbrauch einer Schule außerhalb der Schulzeiten gedrosselt oder die Beheizung von Wohngebäuden je nach Jahreszeit und mithilfe von Wettervorhersagen reguliert. Bei der Bevölkerung scheint umweltfreundliches Wohnen beliebt zu sein. Dass sie dabei Gegenstand eines Labors sind und unter Beobachtung stehen, scheint die Wiener nicht zu stören. Der Andrang auf die Wohnungen in Aspern ist enorm. Noch ein kleines Stückchen weiter in der Entwicklung ist das Projekt eHighway. Siemens elektrifiziert dabei LKWs, indem 15 BÖRSE am Sonntag · 31/1 4 Unternehmen der Woche


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