Page 31

BaS_34-14

Lebensart   AKTIEN & MÄRKTE  unternehmen  fonds   Zertifikate   rohstoffe Schweizer Künstler mit dem schwarzen Humor selbst als lebensgroßer Zuschauer dieses Wachs-Trauerspiels darstellt. Sein Schicksal verurteilt jedoch auch ihn dazu, zum Finale als Fettfleck am Betonboden zu erscheinen. Laute Tanzmusik ertönt kurz darauf, wenn man Piotr Uklánskis Saal mit den bunten Lichtquadraten am Boden betritt. Unterschiedliche Motive und Farben wechseln im Rhythmus, den die hüpfenden Kinder freudig übernehmen, während den Erwachsenen bei der Lektüre des Titels „Untitled (Dancing Nazis)“ und der Betrachtung der Wand mit Fotos von rekonstruierten Nazifilmhelden die Gänsehaut kommt. Es dominieren die teuren Künstler Ganz nebenbei sieht man das Riesengemälde von Takashi Murakami, der sich mit japanischer Bildtradition auseinandersetzt. Unübersehbar auch der überdimensionale Hasen à la Albrecht Dürer, den Zeng Fanzhi bunt nachmalte, oder die Fotografien von Louise Lawler, die die „Kleine vierzehnjährige Tänzerin“ von Edgar Degas wieder aufleben ließ. Oder: das Diptychon von Marlene Dumas, die das um 1520 gemalte Gemälde „Der tote Christus im Grabe“ von Hans Holbein d.J. mit dem in einem sargähnlichen Sauerstoff-Kasten schlafenden Michael Jackson gleichsetzt. Oft benutzen die Künstler die Kunstgeschichte zur Konfrontation mit religiösen Motiven oder dem Mythos der Unsterblichkeit. Dass Pinault sie erwarb, ist bemerkenswert. Der Zwiespalt der Gefühle durchzieht bewusst die Rezeption der gesamten Schau. Deren Parcours reicht bis zu den sogenannten Appropriation – Künstlern. Sie kopieren oder adaptieren bewußt bekannte Werke anderer Künstler. Zu ihnen zählt die kürzlich verstorbene Elaine Sturtevant, die hier mit ihrer Imitation von Andy Warhol „Flowers“ vertreten ist. „ArtLovers“ ist keine Schau junger, aufstrebender Künstler. Hier dominieren die teuren Künstler, die zum Teil auch durch hochpreisige Ankäufen François Pinaults Kunstmarkt-Schlagzeilen machten. Handelsblatt / Olga Grimm-Weissert Produkt der Woche sachkundig und pädagogisch klug unterstützt von Martin Bethenod, dem Direktor der „Collection Pinault“ im Palazzo Grassi-Punta della Dogana in Venedig. Bethenod kuratierte auch die Schau in Monaco. Als Einstieg in die monegassische Schau wählte Bethenod Jeff Koons rosa schillerndes Metallherz mit goldener Schleife. Wie ein Spiegel, in dem sich die Besucher reflektiert sehen, funktioniert das „Hanging Heart (red/gold)“ der amerikanischen Neo-Pop-Ikone. Im ersten Saal, einem riesigen White Cube mit vielen weißen Skulpturen, hängt das kleinste Werk, die schwarz-weiße Fotomontage von Giulio Paolini, „Invenzione di Ingres“ von 1968. Laut Kurator Bethenod das Schlüsselerlebnis der gesamten Schau: Paoloni reproduzierte das 1504 gemalte Selbstbildnis von Raphael, das Jean Auguste Dominique Ingres 1820 anlässlich seines Florenz-Aufenthaltes nachmalte. Paolinis Bild-Überlappung ergibt eine verunsichernde Unschärfe, ein Schwindelgefühl. Ratlos begutachten die Besucher die neun liegenden Marmorskulpturen „All“ von Maurizio Cattelan, die mit Leichentüchern bedeckte Kadaver darstellen. Sie sind technisch perfekt, formell unspektakulär und dem Betrachter gegenüber – wie so oft bei dem italienischen Künstler – provokant. Man lässt daher die Leichen Cattelans links liegen, um zur neoklassischen, weißen Marmorbüste von Jeff Koons vorzudringen. „Bourgeois Bust – Jeff and Ilona“ von 1991 zeigt das jung verheiratete Paar Ilona Staller, die Giccolina genannte Pornofilmdarstellerin und den Künstler. Koons Karriere nahm mit dieser Skandalheirat ihren definitiven Aufstieg. Die Ausmaße der Wachsrekonstitution von Giambolognas Skulpturengruppe „Raub der Sabinerinnen“ sind imposant. Nur: Ihre muskulösen Menschengestalten zerfliessen langsam aber sicher. Ebenso wie der Wachssessel nach einem Modell von Franz West. Die ganze Transformation beobachtet ein schicker Wachsmann, mit dem sich der Maurizio Cattelan, We, aus dem Jahr 2010. Quelle: Collection Pinault/ Grimaldi Forum 31 BÖRSE am Sonntag · 34/1 4


BaS_34-14
To see the actual publication please follow the link above