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AKTIEN & MÄRKTE  UNTERNEHMEN  FONDS  ZERTIFIKATE  Rohstofe   Lebensart Kolumne Erdöl – zwischen Krisen und Konjunktur An den weltweiten Rohstoffmärkten geht es derzeit abwärts. Rechtzeitig zur kalten Jahreszeit rücken jedoch einzelne Energierohstoffe wieder in den Fokus. Denn Erdöl sorgt als wichtigster Energieträger weltweit in Millionen deutschen Haushalten für Wärme. Besitzern von Ölheizungen kommt der Preisverfall an den Rohstoffmärkten natürlich entgegen: Heizöl lag zuletzt auf einem so günstigen Preisniveau wie seit fast vier Jahren nicht mehr. Warum aber sind die Preise für Energierohstoffe überhaupt so stark gefallen? Auf den ersten Blick erscheint mir diese Entwicklung paradox – schließlich sind bedeutende Rohölproduzenten in den Krisenherden Osteuropas bzw. dem Nahen Osten ansässig. Das dadurch erhöhte Risiko von Produktionsausfällen hätte die Notierungen nach oben treiben können – doch das Gegenteil ist passiert. Seit seinem Juni-Höchststand verbilligte sich ein Barrel der Öl-Sorte Brent um knapp 30 Prozent. Dafür allein die erwarteten, aber bisher ausgebliebenen Produktionsausfälle im Irak verantwortlich zu machen, greift nach meiner Ansicht zu kurz. Vielmehr ist es eine Kombination verschiedener Entwicklungen, die die Preise derzeit niedrig hält. Neben den nach wie vor stabilen Produktionsmengen aus dem Irak sorgen Produktionszuwächse von kleineren Ölförderern wie Libyen sogar für eine Ausweitung des Angebots. Und auch die USA befeuern diesen Expansionstrend: Die größte Volkswirtschaft der Welt dürfte nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) Saudi-Arabien als weltweit größten Erzeuger liquider Energieträger ablösen. Insgesamt erwartet die IEA auch für die nächsten Jahre einen stabilen Produktionsanstieg, der den Nachfragezuwachs zumindest bis Ende 2017 weiterhin übersteigen dürfte. Daneben könnte die aktuelle Stärke des US-Dollar gegenüber allen wichtigen Währungen weltweit für zusätzlichen Druck auf den Ölpreis sorgen – immerhin steigen die Kosten für Käufer außerhalb der USA durch die gegenwärtige Währungsstärke deutlich an. Die Spirale aus sinkender Nachfrage und rückläufigem Ölpreis wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass die USA auf ihrem Weg zur Energieautarkie große Fortschritte machen: Es werden weniger Ölimporte notwendig, die US-Handelsbilanz verbessert sich und der US-Dollar gewinnt an Wert. Ein Effekt, der in meinen Augen noch weiter anhalten dürfte. Dass es trotzdem nicht zu einer anhaltenden Abwärtsspirale beim Ölpreis kommen dürfte, liegt hauptsächlich an zwei Faktoren: Auf der Nachfrageseite sollten die robuste Entwicklung der USKonjunktur und die nach wie vor hohen Wachstumsraten in China dafür sorgen, dass die Weltwirtschaft im kommenden Jahr deutlich stärker wachsen dürfte als in der Vorperiode. Ich rechne für 2015 mit einem Weltwirtschaftswachstum von 3,7%. Auf der Angebotsseite scheint es mir zunehmend wahrscheinlich, dass die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC) zu gegebener Zeit in den Markt eingreifen wird, um die Preise zu stabilisieren – zum Beispiel über eine Reduzierung der Fördermengen. Die Deutsche Bank rechnet mit einer Absenkung der OPEC-Fördermengen von 30,3 Millionen Barrel pro Tag (Stand: August 2014) auf etwa 29,6 Millionen Barrel pro Tag im kommenden Jahr. Bis dahin könnte der weiter erstarkende US-Dollar den Ölpreis aber unter Druck setzen – ich erwarte sowohl im laufenden als auch im nächsten Jahr keine größeren Preissprünge beim Ölpreis. Für Anleger macht das den Erdölmarkt mittelfristig wenig interessant. Besitzer von Ölheizungen dagegen können sich auf einen vergleichsweise günstigen Winter 2015 freuen. Dr. Ulrich Stephan Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank 07 BÖRSE am Sonntag · 46/1 4


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