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UNTERNEHMEN  Fonds   ZERTIFIKATE  rohstofe   Lebensart   AKTIEN & MÄRKTE Kolumne Brexit-Entscheidung: Normalisierung der EZB-Geldpolitik rückt in weite Ferne Konjunkturdaten wie der Einkaufsmanager-Index der Euro-Zone und das deutsche ifo Geschäftsklima nährten zuletzt die Hoffnung auf eine sich festigende wirtschaftliche Erholung der Euro-Zone. Auch weltweit erholte sich die Konjunktur dank der relativ stabilen Situation in China sowie des erwarteten Wachstums in den USA. All dies hat zu der Erwartung geführt, dass die Investitionen vor allem in der Euro-Zone wieder anziehen. Doch stattdessen besteht nach der Entscheidung der Briten für den Brexit die Gefahr, dass die Euro-Zone in die nächste Krise stolpert und damit eine mittelfristige Normalisierung der Geld- und Zinspolitik zunichte gemacht wird. Bereits 2012 hatten Griechenland bzw. die Staatsschuldenkrise die konjunkturelle Erholung und den Versuch einer Normalisierung der Geldpolitik verhindert. Die EZB sieht sich also erneut vor Herausforderungen gestellt. Die Briten haben durch das Referendum ihre Präferenz für einen Austritt aus der EU dargelegt – mehr nicht. Das Votum ist weder für das britische Parlament bindend noch existiert aktuell eine handlungsfähige - und vor allem entscheidungsstarke – britische Regierung, die das Ergebnis des Referendums zielstrebig umsetzen könnte. So hängen Großbritannien und damit auch die EU im luftleeren Raum, was Gift für die Entwicklung der beiden Wirtschaftsräume ist. Zwar scheint die EU konsequenterweise auf eine zügige Klarstellung der britischen Position zu bestehen, doch der Antrag auf einen Austritt muss durch die Briten geschehen. Erst dann kann der Stein ins Rollen kommen. Die britische Regierung hingegen scheint keine Eile zu haben. Im Gegenteil, es scheint, dass gegenwärtig so mancher britische Politiker und Bürger kalte Füße bekommt, da die bereits seit Monaten prophezeiten negativen Konsequenzen eines Brexit nun Realität werden können. Und diese mögen durch die Verhandlungen mit der EU durchaus noch zunehmen, insbesondere dann, wenn die Briten nicht die erhofften Zusagen erhalten, die ihnen weiterhin den Zugang zum EU-Binnenmarkt sichern. Die Briten könnten den Versuch starten, erst zu verhandeln und dann über einen Antrag zum Austritt zu entscheiden. Das Ergebnis des Referendums führt deshalb nicht automatisch zu einem stringenten weiteren Vorgehen. Stattdessen hat die Unsicherheit über die zukünftige Ausgestaltung der EU massiv zugenommen. Dies wird die britische, aber auch die europäische Wirtschaft im nächsten und wahrscheinlich auch in den folgenden Quartalen belasten – unabhängig von den Ergebnissen der Verhandlungen. In solch einem Umfeld bleibt der EZB nichts anderes übrig, als weiterhin eine ambitionierte Krisenpolitik zu verfolgen. Da sie jedoch bereits außerordentlich expansiv unterwegs ist, bringt die aktuelle Entwicklung die Notenbank in eine prekäre Situation. Die eskalierende Unsicherheit könnte entschiedenes, geldpolitisches Handeln erfordern. Dies könnte sich aber gleichzeitig aufgrund des bereits groß angelegten Aufkaufprogramms sowie negativer Zinsen als schwierig erweisen. Durch die Brexit-Entscheidung, aber vor allem durch das unentschlossene Verhalten der Briten, stößt die EZB an die Grenzen ihrer geldpolitischen Möglichkeiten. Das erhöht nicht nur den Druck auf die Fiskalpolitik, aktiver zu werden, sondern vor allem auf die Verhandlungsparteien, so schnell wie möglich klare Fakten zu schaffen. Unabhängig von den Ergebnissen ist jedoch davon auszugehen, dass die Krisenpolitik der EZB noch auf Dauer Bestand haben wird, und die Zinsen mittelfristig auf einem extrem niedrigen bzw. negativen Niveau verharren werden. Keine guten Zeiten für Sparer oder Notenbanker. Von Klaus-Dieter Bauknecht Klaus-Dieter Bauknecht Chefvolkswirt der IKB Deutsche Industriebank AG 24 BÖRSE am Sonntag · 26/1 6


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