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BÖRSE am Sonntag | Ausgabe 09

AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART Small- und Mid-Caps am aussichtsreichsten Bei den Arzneimittelherstellern ist derzeit eine einzigartige Konstellation zu beobachten. Auf der einen Seite verfügen die großen Pharmakonzerne über enorme Cashbestände. Dafür mangelt es ihnen an neuen Therapien. Auf der anderen Seite gibt es eine ganze Reihe Unternehmen aus der zweiten und dritten Reihe, die über innovative Produkte verfügen. Vor diesem Hintergrund sind verstärkte Übernahmeaktivitäten absehbar. Anleger profitieren von satten Aufgeldern. Ein typisches Beispiel für die Entwicklung im weltweiten Gesundheitswesen war die Übernahme von Pharmasset durch Gilead im Jahr 2012. Der Preis belief sich damals auf 11,2 Milliarden US-Dollar. Zum Zeitpunkt der Akquisition hatte Pharmasset Sovaldi im Portfolio. Das Medikament befand sich 2012 noch in der klinischen Entwicklung. Im Jahr darauf erteilte die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA die Zulassung zur Therapie von Hepatitis C. Die durch Viren verursachte Erkrankung kann zu Leberfibrose, Leberzirrhose und Leberkrebs führen. Sovaldi hemmt die virale Replikation und ist der Eckpfeiler einer oralen, Interferon-freien Therapie. Die Heilungsraten liegen bei mehr als 90 Prozent. Gleichzeitig konnte durch den neuen Wirkstoff die Behandlungsdauer von 48 Wochen auf zwölf Wochen gesenkt werden. Schließlich ist das Medikament besser verträglich als alte Interferon-basierte Therapien. Gilead legte 2012 für Pharmasset eine Übernahmeprämie von 89 Prozent auf den Tisch. Trotz des auf den ersten Blick hohen Preises zahlte sich die Investition mehr als aus. Der Kauf von Pharmasset legte den Grundstein für die beeindruckende Wachstumsstory von Gilead. 2011, also im Jahr vor der Übernahme von Pharmasset, erzielte der Pharma- und Biotechkonzern einen Jahresumsatz von gut acht Milliarden US-Dollar. Vier Jahre später hatten Mario Linimeier Healthcare-Analyst und Portfoliomanager bei Medical Strategy sich die Verkaufserlöse bereits in etwa vervierfacht. Dasselbe gilt für den Aktienkurs. Die Marktkapitalisierung von Gilead beläuft sich heute auf fast 100 Milliarden US-Dollar. Vor der Übernahme war das Unternehmen knapp 27 Milliarden US-Dollar wert. Ein anderes Beispiel ist Bristol-Myers Squibb. Durch die Übernahme von Medarex stieg der Konzern zu einem der führenden Player im Bereich Krebsimmuntherapie auf. Dieser Behandlungsansatz nutzt das menschliche Immunsystem, um Tumorzellen zu bekämpfen. Ein wesentlicher Vorteil im Vergleich zu nicht-immunologischen Ansätzen besteht in der nachhaltigen Wirksamkeit. Die Experten von Leerink schätzen, dass das Marktvolumen der Immunonkologie bis 2025 auf einen jährlichen Umsatz von 35 Milliarden US-Dollar anwächst. Bristol-Myers-Squibb zahlte für Medarex ein Aufgeld von 90 Prozent. Nach einer gewissen Flaute im vergangenen Jahr scheint das weltweite M&A-Karussell 2017 wieder an Schwung zu gewinnen. Direkt zum Jahresauftakt übernahm Takeda Ariad, Eli Lily schluckte Colucid und Johnson & Johnson machte bei Actelion das Rennen. Sanofi hatte dagegen bei Actelion zum wiederholten Male bei einem Übernahmekampf das Nachsehen. Jetzt scheinen die Franzosen am Onkologie-Unternehmen Tesaro interessiert zu sein. Der Druck bei den großen Pharmakonzernen auch auf anorganisches Wachstum zu setzen, resultiert maßgeblich aus dem Ablaufen von Patenten. Nach Schätzungen von IMS sind alleine im vergangenen Jahr weltweit bei Pharma- und Biotechprodukten mit einem jährlichen Umsatzvolumen von mehr als 45 Milliarden US-Dollar die Patente abgelaufen. Dieses und kommendes Jahr könnte der Wert sogar auf mehr als 50 Milliarden US-Dollar steigen. Die Entwicklung ist vergleichsweise gut vorhersagbar. Denn typischerweise verbleiben nach einer zehnjährigen Entwicklung eines Arzneimittels nur noch zehn weitere Jahre für die BÖRSE am Sonntag · 05/17 Gastbeitrag 24


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