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BÖRSE AM SONNTAG | Ausgabe 26

Finanzdienstleistungen, die den Euro als Basis haben. Somit besteht eine durchaus realistische Möglichkeit, dass einige Finanzdienstleister, vor allem die nicht englischen, ihre Sitze in ein der 29 BÖRSE am Sonntag · 26/17 EU weiterhin zugehöriges Land verlagern. Was passiert mit den Menschen? Ebenfalls Teil des europäischen Binnenmarktprojekts ist die Gewährleistung der Personenfreizügigkeit, was freilich die sogenannte Arbeitnehmerfreizügigkeit miteinschließt. Vor allem der Finanzsektor aber ist in hohem Maße auf qualifizierte und internationale Arbeitskräfte angewiesen. Fällt die EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit weg, verringert sich zunächst das qualifizierte Arbeitsangebot, während die Nachfrage nach selbigem gleich bleibt. Goldman Sachs denkt beispielsweise darüber nach, die Hälfte seiner Angestellten – zirka 3.000 Mitarbeiter – aus London abzuziehen und zum Teil nach New York, zum Teil nach Frankfurt zu verlagern. Die Citibank und JP Morgan Chase haben bereits ähnliche Überlegungen publik gemacht. Zudem darf nicht vergessen werden, dass auch Universitäten und Forschungseinrichtungen in hohem Maße von der Personenfreizügigkeit innerhalb der EU profitieren. Und jene sind von hoher Bedeutung für die Finanzbranche, schließlich bilden sie die dringend benötigten, hochqualifizierten Arbeitskräfte aus und schaffen zusätzlich oft die Grundlagen für spätere Innovationen. Wird deren Input von „außen“ also geschwächt und nimmt deren Leistungsfähigkeit in der Folge ab, dürfte sich dies langfristig in einem ernstzunehmenden Wettbewerbsnachteil äußern. Für Frankfurt sieht die Sache schon ganz anders aus. Die Finanzhauptstadt Deutschlands wird vom Brexit kaum direkt beeinflusst. Wenn überhaupt, könnte man am Main indirekt von der Schwäche Londons profitieren. Schließlich müssen diejenigen Institute, die womöglich aus London abwandern auch irgendwo hinwandern. Die Chancen, dass deren Ziel die hessische Großstadt wird, stehen nicht schlecht. Natürlich gibt es mit Paris – in der französischen Hauptstadt arbeiten immerhin 180.000 Menschen im Finanzsektor – Konkurrenz auf Augenhöhe, Dublin könnte mit der englischen Sprache locken und Luxemburg und Amsterdam dürfen aufgrund ihrer Steuervorteile nicht unbeachtet bleiben. Wie reagieren die Märkte? Aber die Voraussetzungen für Frankfurt sind gut. Durch den Brexit werden sich fast ausschließlich Aktivitäten aufgrund des Zugangs zum europäischen Markt verlagern und die Mainmetropole ist Finanzplatz Deutschlands, der größten Volkswirtschaft Europas, die im europäischen Vergleich besonders stark und stabil erscheint. Zudem hat die EZB ihren Sitz in Frankfurt, weshalb sich foto © LaMiaFotografia / Shutterstock.com AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART


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