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BÖRSE am Sonntag | Ausgabe 31

AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART Deutschland stellt die Weichen für Europas Zukunft Unabhängig vom Resultat der Bundestagswahl Ende September steht bei den Koalitionsverhandlungen der Posten des Finanzministers im Mittelpunkt. Die Besetzung könnte weitreichende Auswirkungen auf die Währungsunion, den europäischen Aktienmarkt, Anleiheerträge und Schlüsselpositionen in der EU haben – die Wahl des EZB-Präsidenten 2019 hängt unmittelbar davon ab. Umfragewerten im Vorfeld einer Wahl war zuletzt nicht immer zu trauen – man denke an die Präsidentschaftswahl der USA oder an die letzten Abstimmungen im Vereinigten Königreich. Aus diesem Grund hat UBS zusätzlich zwei statistische Modelle hinzugezogen, welche unter anderem historische Diskrepanzen miteinbeziehen. Daraus ergibt sich folgendes Bild: Die CDU/CSU liegt klar vorn und die Chancen stehen gut, dass Angela Merkel die Rekordamtszeit ihres einstigen Mentors übertreffen könnte. Die kleinen Parteien – FDP, Grüne, die Linke und AFD – sollten die 5-Prozent-Hürde überwinden. Was die exakten Kräfteverhältnisse angeht, ist jedoch mit Überraschungen zu rechnen. Großes Konfliktpotential zwischen Koalitionspartnern Die FDP fährt auf europäischer Ebene einen sehr strikten Kurs – plädiert wird unter anderem für die Abschaffung des Rettungsfonds ESM und für eine langsamere fiskalische Integration. Eine schwarz-gelbe Koalition würde daher die konservativeren Strömungen innerhalb der Union stärken und könnte somit Merkels gemeinsame Pläne mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel BÖRSE am Sonntag · 31/17 Kolumne 14 Macron für Europa gefährden. Bei einer möglichen Regierungsbildung mit grüner Beteiligung tragen deren Forderungen im Bereich der Klimapolitik ein hohes Konfliktpotential. Die SPD wäre also wieder der geeignetste Koalitionspartner, zumal die vier Jahre des gemeinsamen Regierens die Schnittmenge beider Parteien noch vergrößert hat. Zwar könnte es bei der von der SPD geforderten Reichensteuer Probleme geben, denn die Verabschiedung eines solchen Gesetzes würde die Zustimmung des stark fragmentierten Bundesrats erfordern, mit offenem Ausgang. Auf europäischer Ebene ziehen CDU/CSU und SPD dagegen weitestgehend an einem Strang – beide wollen ganz im Sinne des wieder entdeckten deutsch-französischen Willens zur gemeinsamen Gestaltung eine europäische Verteidigungsunion, eine geltende Verfassung und sogar die Einführung eines europäischen Finanzministeriums vorantreiben. Deutscher EZB-Präsident unwahrscheinlich Welche Partei sich in der neuen Regierung den Posten des Finanzministers sichern kann, ist höchst ungewiss. Von der FDP wäre bei Koalitionsverhandlungen zu erwarten, dass Ansprüche auf das Finanzministerium gestellt werden, vor allem nachdem die letzte Regierungsbeteiligung mit der Besetzung des Außenministeriums in einer existenziellen Parteikrise endete. Auch die SPD würde abhängig vom Wahlergebnis auf das Amt pochen. Die Grünen dagegen scheinen ihre Prioritäten anderswo zu setzen. Dass Wolfgang Schäuble seinen derzeitigen Posten auch bei einem Wahlsieg der Union verlässt, ist also gar nicht mal so Maximilian Kunkel Chef-Anlagestratege UBS Deutschland


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