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BÖRSE am Sonntag | Ausgabe 31

unwahrscheinlich. Wahrscheinlich ist auch, dass Schäuble in dem Fall ein hochrangiges EU-Mandat anvisieren würde, allen voran dasjenige des Präsidenten der EU-Kommission, welches 2019 aufgrund des angekündigten Rückzugs von Jean-Claude Junker neu besetzt werden muss. Die Konsequenzen sind weitreichend. Seine Ernennung hätte nicht nur höhere fiskalische Disziplin in der EU-Peripherie zur Folge, sondern gleichzeitig eine Minimierung der Chancen auf einen erstmalig deutschen EZB-Präsidenten. Auch wenn die Nominierungen vom Europarat, in dem Deutschland durchaus Gewicht hat, ausgehen und die Bundesrepublik vermutlich Ambitionen auf das Amt hegt, wäre zuzüglich zu einem deutschen Präsidenten der EU-Kommission und den deutschen Vorsitzen im Rettungsfonds ESM und in der europäischen Investitionsbank nicht mit einem weiteren zentralen EU-Mandat in deutscher Besetzung zu rechnen – zumal die Bundesregierung, in welcher Konstellation auch immer, sicherlich keine der beiden letztgenannten Positionen aufgeben möchte. Im Bereich des Möglichen wäre es dennoch, allerdings nur auf Kosten der Zusage einer sehr hohen fiskalischen Integration entgegen des Bevölkerungswillens. Eine nicht-deutsche Besetzung der EZB-Präsidentschaft wäre voraussichtlich mit einer weniger disruptiven Geldpolitik verbunden und wäre demnach anlegerfreundlicher als die Alternative. Keine kurzfristigen Marktveränderungen zu erwarten Im Hinblick auf die verschiedenen möglichen Konstellationen der zukünftigen EU-Strukturen hat die Deutschlandwahl mittel- bis langfristige Auswirkungen auf die Anlagemärkte. Viel hängt von der Besetzung der EZB-Präsidentschaft und der europäischen Geldpolitik ab. Welche Zinspolitik verfolgt wird und ob Maßnahmen wie die derzeitige quantitative Lockerung beibehalten werden, beeinflussen sowohl die Anleihe- als auch die Aktienmärkte auf lange Sicht erheblich. Für die Entwicklung des Euro besteht – solange die Schuldenbremse intakt bleibt – kein Risiko und wird hauptsächlich von anderen Faktoren wie Macrons Politik, dem Brexit oder auch den anstehenden Wahlen in Italien geprägt. Nur eine Regierungsbeteiligung der FDP könnte durch das Forcieren einer stringenteren Europapolitik den Euro stärken. Nach einem langen Wahlmarathon im Jahr 2017 bleibt außerdem festzuhalten: Populistische Strömungen feierten zwar überall Erfolge, waren aber an keiner Regierungsbildung beteiligt und werden das aller Wahrscheinlichkeit nach auch bei der letzten anstehenden Wahl des Jahres nicht sein. Damit ist auch das Risiko für politisch getriebene kurzfristige Marktschwankungen stark gesunken. Trotzdem bleibt der populistische Trend bestehen. Wie sich dieser weiterentwickelt, hängt nicht zuletzt davon ab, ob die neu gewählten Regierungen den Ansprüchen ihrer Wähler gerecht werden können. 15 BÖRSE am Sonntag · 31/17 foto © canadastock / Shutterstock.com AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART


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