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BÖRSE am Sonntag | Ausgabe 48

AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN FONDS ZERTIFIKATE ROHSTOFFE LEBENSART BÖRSE am Sonntag: Können Rentenanleger 2018 wieder mit steigenden Kursen rechnen? Stephan: Rentenanleger wurden zuletzt von einer guten Performance verwöhnt. Ich erwarte allerdings, dass die Zinsen 2018 am kurzen und am langen Ende steigen und der Bullenmarkt allmählich ausläuft. Mit Euro-Anleihen im Investment Grade drohen in den nächsten zwölf Monaten sogar negative Gesamterträge. Bei entsprechender Risikobereitschaft können Anleger höhere Renditen in den Schwellenländern suchen. Vor allem Lokalwährungsanleihen dürften allerdings bei steigenden US-Zinsen anfällig sein. BÖRSE am Sonntag: Derzeit wird viel über Bitcoins diskutiert. Ist das ein Thema für Privatanleger? Stephan: Würden Sie in den Ariary aus Madagaskar oder den botswanischen Pula investieren, um langfristig Vermögen aufzubauen? Das sind exotische Währungen, die eins gemeinsam haben: Ihre Kurse entwickelten sich in den letzten sechs Monaten deutlich stabiler als der Bitcoin. Kein Wunder, der Markt für Kryptowährungen ist bis heute unreguliert. Solange sich daran nichts ändert, rate ich von einem Engagement ab. BÖRSE am Sonntag: Heißt das, Anleger sollten digitalen Trends eher mit Skepsis begegnen? Stephan: Keineswegs, ich sehe eine Reihe von digitalen Zukunftsbranchen, die für langfristig orientierte Anleger attraktiv sein können. Denken Sie an das „Internet der Dinge“, an Big Data, Cloud Computing und elektronische Zahlungen – alles Trends mit erheblichem Renditepotenzial. Angesichts der globalen Vernetzung werden auch Lösungen für Cybersicherheit immer wichtiger und damit für Anleger interessant. Eine breite Investition in die genannten Themen ist deshalb für Aktienanleger eine Überlegung wert. BÖRSE am Sonntag: Gibt es andere Anlageklassen, die von der Digitalisierung profitieren können? Stephan: Ja, zum Beispiel der Immobilienmarkt. Der Onlinehandel wird immer schneller und flexibler, das erfordert zunehmend effiziente Beschaffungsketten – und damit moderne Logistikimmobilien. Ich rechne mit einer weltweit steigenden Nachfrage nach solchen Flächen. Neben Wohn- und Büroimmobilien in den Metropolen könnten ausgewählte Logistikobjekte die Gewinner am Immobilienmarkt BÖRSE am Sonntag · 48/17 Interview 17 2018 sein. Ulrich Stephan Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank BÖRSE am Sonntag: Das klingt alles sehr positiv. Gießen wir etwas Wasser in den Wein: Wo liegen die Risiken? Stephan: Die nächste Krise kommt bestimmt, so viel ist sicher. Ein Warnsignal könnte zum Beispiel sein, dass die Inflation unerwartet stark ansteigt. Die Notenbanken würden sich dann möglicherweise genötigt sehen, beim Ausstieg aus der Nullzinspolitik aggressiver vorzugehen als geplant und die Zinsen rasch anzuheben. Das könnte der weltweiten Konjunktur einen Dämpfer verpassen – umso mehr, als wir uns hier auf unbekanntem Terrain bewegen. Es gibt einfach keine historischen Vorbilder dafür, was passiert, wenn eine Phase extrem expansiver Geldpolitik endet. BÖRSE am Sonntag: Halten Sie dieses Szenario für wahrscheinlich, und was bedeutet das für Anleger? Stephan: Meine Erwartung ist, dass sich die Notenbanken sehr behutsam bewegen werden und ihre Geldpolitik die Weltwirtschaft 2018 nicht nachhaltig negativ beeinflussen wird. Ein robustes globales Wachstum sollte dann gute Voraussetzungen für weiter steigende Aktienkurse und Immobilienpreise bieten. Allerdings rechne ich damit, dass sich die zurzeit sehr niedrigen Schwankungen an den Kapitalmärkten wieder verstärken, auch aufgrund politischer Risiken wie etwa dem unklaren Verlauf des Brexit. Aus Anlegersicht könnte dies für Multi-Asset-Lösungen mit einer dynamischen Allokation sprechen, die in der Lage sind, ihr Vermögensportfolio rasch und flexibel an aktuelle Marktentwicklungen anzupassen.


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