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BÖRSE am Sonntag | Ausgabe 05

LEBENSART ROHSTOFFE AKTIEN & MÄRKTE UNTERNEHMEN TRADING FONDS ZERTIFIKATE bekämpfen und zu verhindern! Doch weit gefehlt! Das Kartellrecht verbietet Preisabsprachen und also sinken die Preise, weil sich unaufhaltsam eine ruinöse Preisunterbietung durchsetzt. Einer unterbietet den anderen und scheidet aus, wenn er nicht mehr kann. Und was macht ein großer Stahlproduzent, wenn die Preise sinken? Er baut eine noch größere Fabrik und legt die kleine unrentable still. Da der Zwang zur Rationalisierung erheblich stärker ist als jede Fusionskontrolle, ist die – natürlich bei uns auch vorhandene – Fusionskontrolle wirkungslos, wie man am Zustand der deutschen Wirtschaft ablesen kann. Das Kartellamt scheint das zwischenzeitlich erkannt zu haben und winkt heute Fusionsanträge 54 BÖRSE am Sonntag · 05/18 fast ausnahmslos durch. Todsünde 4: Das Kartellverbot zerstört die Produktqualität. Preisdruck und größere Produktionseinheiten auffangen wirken bei Lebensmitteln als Motoren der Massentierhaltung und führen zur industriellen Landwirtschaft. Und das hat unerfreuliche Konsequenzen, wie man beispielsweise bei der Milch-„Produktion“ erkennen kann. Und natürlich gibt es ähnlich negative Auswirkungen bei der „Produktion“ von Fleisch oder Gemüse oder Ingredienzien. Die Produktvielfalt, die Vielfalt an Marken, die Vielfalt an Geschmäckern, sie geht koplett verloren, wenn eine Branche von kleineren auf größere Betriebe umgestaltet wird. An dieser Stelle wird eine Discounter-Lüge berührt, nämlich die Behauptung, Aldi biete die höchste Produktqualität. Das mag bei einzelnen Produkten so sein, aber das Qualitätsmerkmal „Vielzahl“ fehlt komplett. Und genauso wichtig oder sogar noch wichtiger sind die Auswirkungen der Konzentration der Produktion auf die Sozialstruktur. Weniger und dafür größere Betriebe bedeuten weniger selbständige Kleinunternehmer und mehr Großunternehmer, bedeuten Foto: © akf - Shutterstock.com also den vielfachen Verlust des unternehmerischen Bewusstseins und des unternehmerischen Einsatzes, weil die, die ausscheiden, anderweitig zu abhängigen Beschäftigten werden. Sie verlieren den Bezug zum unternehmerischen Risiko, abgesehen davon dass sich auch hier sichtlich die Einkommensschere öffnet, weil sie als Angestellte weniger verdienen. Todsünde 5: Das Kartellrecht kriminalisiert die gesamte Kaufmannschaft Kaufleute, Geschäfte und Gewinne sind der Allgemeinheit bis heute suspekt. Das ist seit Adam Smith so. Im Jahr 1891 trat als erster Schritt in den USA der Sherman Antitrust Act in Kraft, von dem auch unser und das europäische Kartellrecht abgeschrieben ist. Hauptleidtragende der ungerechtfertigten Kriminalisierung ist heute unsere deutsche Automobilindustrie. Es mag sein, dass sie mancher Verfehlungen zurecht verdächtig ist, vor allem was Behördentäuschung in den USA anlangt, aber erst die intensive Kooperation und Abstimmung, die seit Jahrzehnten in fast allen Bereichen dieser Industrie funktioniert, hat die Wettbewerber erst so erfolgreich gemacht, vor allem gegenüber ausländischen Wettbewerbern, die diese Abstimmung nicht kennen, so zum Beispiel England, wo fast die gesamte Automobilindustrie verschwunden ist oder die USA, wo General Motors insolvent war und vom Staat gerettet werden musste und wo sich Chrysler fest in italienischer Hand befindet. Wo kämen wir hin, wenn BMW, Mercedes, Audi, VW und Porsche sich nicht gemeinsam bei Continental oder ZF oder Bosch oder bei anderen Zulieferern treffen würden, um viele ihrer 10.000 Produktkomponenten intensiv abzustimmen? Und natürlich gehören Kosten und Preise mit dazu zur Abstimmung. Preise macht nicht der Markt oder der Verbraucher. Das wäre der Untergang.


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