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Kanada – der vielleicht sicherste Hafen der Welt

Wanderrouten in der Wildnis – dafür ist Kanada bekannt. Doch das könnte sich ändern, denn seit wenigen Tagen ist es der CETA-Partner der Europäer. Während anderswo – salopp gesagt – die Wirtschaft ums Überleben kämpft, erscheint Kanada als ruhiger, ausdauernder und wirtschaftlich äußerst stabiler Stabilitätsanker. Für Anleger öffnen sich verlockende Wege, die gar nicht nach Wildnis aussehen.

BÖRSE am Sonntag

Wanderrouten in der Wildnis – dafür ist Kanada bekannt. Doch das könnte sich ändern, denn seit wenigen Tagen ist es der CETA-Partner der Europäer. Während anderswo – salopp gesagt – die Wirtschaft ums Überleben kämpft, erscheint Kanada als ruhiger, ausdauernder und wirtschaftlich äußerst stabiler Stabilitätsanker. Für Anleger öffnen sich verlockende Wege, die gar nicht nach Wildnis aussehen.

Vor den Verhandlungen und dem Abschluss von CETA war selten etwas aus dem flächenmäßig zweitgrößten Land der Welt zu hören. Solide und stabil ist das Land mit dem Ahornblatt in der Flagge, soviel war aber immer sicher. Skandale produzieren? Aufsehen erregen? Nicht gerade die kanadische Art. Gerade einmal 36,5 Millionen Einwohner zählt das US-Nachbarland, es gehört aber zu den wohlhabendsten und größten Volkswirtschaften auf der Erde. Einer der Gründe dafür: Hinter Venezuela und Saudi-Arabien verfügt man über die größten Erdölreserven des Planeten. Kanada steht auf Rang fünf, was die weltweite Erdgas- und Erdölförderung anbelangt: Ressourcenreichtum statt Ressourcenfluch. Eine weltweit selten zu findende, glückliche Konstellation.

Allerdings war es auch genau dieser Fakt, der Kanada zuletzt schwer zu schaffen machte und der das Land bei vielen Investoren aus dem Blickfeld rücken ließ. Der Preisverfall beim Öl wie auch der der meisten anderen Rohstoffe hatte bedeutend negative Auswirkungen auf die Wirtschaftskraft. Denn auch wer gewissenhaft und volkswirtschaftlich wohlstandssteigernd mit seinen Ressourcen umgehen kann, ist zunächst immer noch von ihnen abhängig. 2015 stand gerade einmal eine BIP-Steigerung von 0,8 Prozent zu Buche.

Dann wurde Justin Trudeau gewählt – und am Rohstoffmarkt kam die lang ersehnte Wende. Nun, 2017, befindet sich Kanadas Wirtschaft im Aufschwung. Die Mehrheit der Analysten rechnet mit einer Zunahme des BIP um mehr als zwei Prozent. Die Preise für Öl und viele Industrie- und Edelmetalle haben sich inzwischen stark erholt. Zudem erweisen sich der private Konsum – im ersten Quartal 2017 ergab sich ein Plus von 3,1 Prozent gegenüber dem Vorjahr – und nicht zuletzt ein 125 Milliarden Euro schweres Konjunkturpaket zur Modernisierung der Infrastruktur als Wachstumstreiber. Die lockere Geldpolitik mit einem Leitzinssatz von 0,5 Prozent tut ihr Übriges.

So füllen sich die Auftragsbücher der kanadischen Unternehmen schneller als noch 2016, in allen Sektoren entstehen neue Arbeitsplätze, die Investitionen ziehen an. Die Bruttoanlageinvestitionen sollen 2017 um 0,6 und 2018 um 2,1 Prozent steigen. 2017 haben außerdem die Exporte wieder stärker zugenommen. Damit all das mindestens so bleibt und im besten Falle noch weiter ausgebaut werden kann, will die Regierung um Trudeau mehr in Industrie 4.0 und die Digitalwirtshaft investieren. Ressourcenreichtum ohne Ressourcenabhängigkeit. Das ist Kanadas Plan.

Der feine Unterschied...

Profitieren von einem sich weiter erholenden und solide wachsenden Kanada könnten nun auch Anleger. Unter anderem in Form von ETFs. Unter hunderten Angeboten ist nach Ansicht der Lynxbroker-Experten der „db x-trackers MSCI Canada Index UCITS ETF (DR) 1C“ interessant. Er nutzt als Referenzindex den MSCI Canada Total Return Index, der wiederum 94 kanadische Aktiengesellschaften beinhaltet. Damit bilde er rund 85 Prozent des kanadischen Aktienuniversums „in Bezug auf die streubesitzadjustierte Marktkapitalisierung“ ab, sagt Dirk Friczewsky von Lynxbroker. Inzwischen kommt der Index auf eine Marktkapitalisierung von cirka 1.344 Milliarden US-Dollar, was immerhin in etwa der des DAX entspricht. 2016 stieg sein Kurs um mehr als 25 Prozent, in den ersten acht Monaten des laufenden Jahres bereits wieder um 7,86 Prozent. Der ETF stieg mit. Und zwar um zirka 6,5 Prozent. Der feine Unterschied lässt sich hauptsächlich durch Wechselkursverhältnisse erklären, wird der ETF schließlich in Euro gehandelt. Derzeit steht ein Kurs von 43,29 Euro zu Buche. Mitte September hatte der Fonds ein Gesamtvolumen von rund 253 Millionen Euro. Abgebildet wird der Referenzindex durch die vollständig physische Replikationsmethode. Das heißt: Der ETF kauft die Aktien des Referenzmarktes direkt.

Mit knapp acht Prozent ist die Royal Bank of Canada am stärksten gewichtet. Es folgt mit einem Anteil von 7,3 Prozent die Toronto Dominion Bank. Drittstärkste Kraft ist mit 5,52 Prozent die Bank of Nova Scotia. Auf Rang vier liegt Enbridge mit 4,8 Prozent, wiederum gefolgt von der Canadian National Railway mit 4,4 Prozent. Diese fünf Positionen zusammen ergeben bereits einen Anteil in Höhe von 30,1 Prozent. Auffällig zudem: Die hohe Gewichtung des Finanzdienstleistungssektors. Betrachtet man das Gesamtportfolio hat dieser einen Anteil von 42 Prozent. Es folgen mit 22 Prozent der Energiesektor und mit zehn Prozent die Grundstoffe. Dem beschrieben Fonds der Deutschen Asset Management ähnlich sind auch der „iShares MSCI Canada UCITS ETF“ oder der „UBS-ETF-MSCI CANADA A“.

Wer lieber auf Einzelaktien setzt könnte bei Fortis fündig werden. Der Energiekonzern könnte in diesem Jahr seine Wachstumsziele aufgrund neuer LNG- und Stromübertragungsprojekte sowohl in Kanada als auch den USA übertreffen. Die Aktie schnellte nach den Ankündigungen auf ein neues Rekordhoch in Höhe von 37,58 US-Dollar. Zudem überzeugt das Papier mit einer Dividendenrendite von 3,4 Prozent. Auch ein Blick auf Blackberry scheint lohnenswert. Aus dem früheren Handyproduzenten entsteht derzeit ein Softwareunternehmen. Sollte sich dieser Umbau langfristig als erfolgreich erweisen, könnte der Kurs an Höhe gewinnen. CEO John Chen ist guter Dinge: „Der Softwareumsatz dürfte im Gesamtjahr wie bereits angepeilt um zehn bis 15 Prozent zulegen.“ Analysten sehen zudem den kanadischen Zug- und Flugzeughersteller Bombardier für die Zukunft gut aufgestellt und rechnen mit steigenden Gewinnen ab dem Jahr 2018. Probleme bei der „CSeries“-Entwicklung, womit man den Flugzeug-Großmächten Airbus und Boeing versucht Konkurrenz anzubieten, sind wohl inzwischen gelöst und immer mehr Fluggesellschaften greifen auf das Jet-Modell zurück.

Bei weiter steigenden Rohstoffpreisen bieten womöglich auch Aktien von kanadischen Bergbau- und Minenkonzernen eine interessante Anlagechance. Doch genau hier steht ein großes Fragezeichen. Und trotz aller Bemühungen sich von der Rohstoff-Abhängigkeit zu lösen, muss so auch hinter Kanadas Wirtschaftsaufschwung ein Fragezeichen stehen. Denn noch hat man sich noch nicht gelöst. Sollten die Preise für Erdöl und Co. wieder stärker und lang anhaltend nachgeben, wird das auch die kanadische Wirtschaft im Allgemeinen treffen. Vielleicht sollten Anleger da dann einfach kanadisch ruhig bleiben oder sich wie der Backpacker zur richtigen Zeit eine Auszeit nehmen. Oliver Götz