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Autoaktien-Anleger fragen: „Noch alle Tassen im Schrank?“

Irrationalität hat unser Land ergriffen. Es ist einfach irre, dass ein Land, das in der globalen Arbeitsteilung mit einem Industrieprodukt, dem Auto, der größte Gewinner ist, von Politik und Journaille getrieben, zur wirtschaftlichen Selbstzerstörung schreitet. Es ist glatter Wahnsinn, dass ein unvergleichlich gutes Ingenieursprodukt, also das Automobil plus Komponenten, kaputtgeredet und kaputtgeschrieben wird. Die Folgen davon tragen nicht zuletzt die Anleger.

BÖRSE am Sonntag

Irrationalität hat unser Land ergriffen. Es ist einfach irre, dass ein Land, das in der globalen Arbeitsteilung mit einem Industrieprodukt, konkret mit dem Auto, der größte Gewinner ist, von Politik und Journaille getrieben, zur wirtschaftlichen Selbstzerstörung schreitet. Es ist glatter Wahnsinn, dass ein unvergleichlich gutes Ingenieursprodukt, also Automobil plus Komponenten, kaputtgeredet und kaputtgeschrieben wird. Die Folgen davon tragen auch die Anleger.

Von Florian Josef Hoffmann

Egal, was die Ingenieure in den letzten zehn Jahren mit den Abgasen angestellt haben, fest steht doch, dass sie getrieben wurden. Fest steht aber auch, dass es ihnen in einem ungeheuren technologischen Kraftakt gelungen ist, Verbräuche und Abgase um 70 Prozent und mehr zu reduzieren! Getrieben wurden sie anfangs von kalifornischen Hippie-Träumen nach Null-Emissionen, später von steigenden Benzinpreisen. Getrieben wurden sie von einer unersättlichen EU-Bürokratie, der kein Grenzwert niedrig genug war. Nach stetigen und scheinbar unbegrenzten Fortschritten wurden Bürokratien, Medien und Parteien aller Couleur unersättlich. Alle meinten, es geht technologisch so weiter, man muss nur fordern. Diese Unersättlichen sind dieselben, die jetzt von sich selbst ablenken und die von ihnen Getriebenen in die öffentliche Verurteilung treiben. Von Betrug und Kriminalität ist die Rede.

Wie irrational der ganze Hexenkessel ist, offenbaren ein paar einfache Betrachtungen aus eigenem Erleben. Ich war schon immer Cabriofahrer. Sie kennen das schöne alte VW-Cabrio, meine Studentenliebe? Es war in den 70-er Jahren in Nürnberg, wo ich am Stadtrand wohnte. Wenn ich mit geöffnetem Dach in die Stadt fuhr, musste ich mir nach der Rückkehr die verschmutzten und klebrigen Haare waschen. Cabrios gab es genau aus diesem Grunde nur ganz wenige. Das ist heute völlig anders.

Kaum scheint die Sonne, flanieren fröhliche Menschen in offenen Cabrios durch die Stadt, von Peugeot bis Porsche, gefahren von Jung und Alt. Das ist die Realität, wie wir sie alle (nicht nur im Sommer!) erleben. Keiner mus sich nach acht Kilometern im Cabrio mehr die Haare waschen. Das geht nur, weil die Luft heute sauber ist. Auch in den Städten. Als Staub und Dreck seinerzeit von den Straßen verschwanden, als aus unseren „Dreckschleudern“ umweltfreundliche Autos wurden, die keine „Fahne“ mehr hinter sich herzogen, wurden Cabrios wieder Mode – wie schon mal in den fünfziger Jahren, als es nur wenige Autos auf den Straßen gab.

Feinstaub! Wie haben wir nur unsere Kindheit überlebt?

Politiker und Journalisten leben in einer anderen Welt. Als das Problem „Dreck und Staub“ von den Straßen verschwunden war, erfand man das Problem „Feinstaub“. Nur, was ist Feinstaub? Ich verbinde damit assoziativ den Staubwedel meiner Mutter, mit dem sie den leichten Staubüberzug in den Ecken der Bilderrahmen oder sonst wo aufwirbelte und so unsichtbar verteilte. Ob meine Mutter ahnte, welchen Gefahren sie sich und ihre Familie aussetzte? Feinstaub setzt sich in der Lunge fest, liest man. 80.000 Tote pro Jahr durch Feinstaub! Erschreckt liest man’s! Aber stimmt’s denn auch?

Die Bürokratie greift die politische Schnapsidee auf und stellt Messgeräte auf. Da, wo man nichts mehr sieht, nichts mehr riecht, muss es doch was zu messen geben, schließlich registrieren Messgeräte doch feiner als Augen und Ohren. Und in der Tat. Die Feinstaubkonzentration an unseren Hauptverkehrsstraßen wurde sodann – ohne echten medizinischen Hintergrund – als „mörderisch“ diagnostiziert. Dann wurde der Diesel als Hauptverursacher ausgemacht, weil er damals noch eine sichtbare und stinkende „Fahne“ hatte.

Dass der Diesel nicht Hauptverursacher ist, sondern die Wetterlage, diese Tatsache ist leider erst in diesen Tagen von einem Dresdner Wissenschaftler veröffentlicht worden. In Unkenntnis dessen wurde von den Herstellern seinerzeit die Motortemperatur des Diesel erhöht, wodurch der Feinstaub am Auspuff verschwand. Allerdings: Das Stickoxid erschien. Aber nur sozusagen, denn niemals hat ihn jemand gesehen oder gerochen, außer in hoher Konzentration im Labor. Und wieder wurde an den Straßen gemessen, die vermutete Zahl der Toten blieb dieselbe und schon wurde wieder politisch und publizistisch an den Grenzwerten geschraubt.

Ist es eine deutsche Krankheit?

Dieser Druck machte, weil technisch nicht zu verwirklichen, die deutsche Autoindustrie zum vermeintlichen Betrüger (die Ausländer nicht, weil sie keine Diesel können!). Man konnte die Grenzwerte von 40 Mikrogramm je Kubikmeter nicht einhalten. Man wehrte sich nicht gegen den bürokratischen Unsinn und fingen an zu tricksen. Wie idiotisch dieser Grenzwert ist, zeigt die Tatsache, dass der deutsche Grenzwert am Arbeitsplatz 24 mal (!) so hoch ist wie auf der Straße. Warum das? Jetzt kommt wieder die Realität: Stickoxid ist allenfalls ab einer Konzentration von 2.000 Mikrogramm je Kubikmeter giftig, also schädlich. Sagt die Wissenschaft. Hat aber sonst leider keiner gemerkt.

Festzustellen ist deshalb: Weder die Kunden noch die Allgemeinheit wurden geschädigt, denn alle ausgelieferten Dieselfahrzeuge sind de facto in Ordnung, weil weder wegen Feinstaub noch wegen Stickoxid schädlich. Sie entsprechen nur nicht den abstrusen und wirkungslosen Vorgaben beziehungsweise Grenzwerten des Gesetzgebers, mit denen die Hersteller belastet wurden. So kippt die vermeintliche Rationalität, auf die wir uns so viel einbilden, hinüber zur politischen Irrationalität. Mangels schädigender Eigenschaften eigentlich ein typischer Scheinbetrug. Also straflos – vorausgesetzt, die Verursacher, Bürokratie und Politik, geben ihren Irrtum öffentlich zu, wozu man sie drängen sollte.

Ob diese Irrationalität eine deutsche Krankheit ist? Wir Deutschen haben sie schon einmal zum Exzess getrieben, indem wir Rassismus zur Staatsreligion erklärt haben. Ich denke, wir sollten uns von so einer Krankheit befreien. Dann bleiben die Tassen im Schrank und die Autos auf der Straße.

Diese Kolumne erschien zuerst auf dem Debattenportal The European.

Florian Josef Hoffmann ist Rechtsanwalt mit den Spezialgebieten Wirtschaftsrecht und Kartellrecht. Seit 2008 Leiter des European Trust Institute in Düsseldorf.