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Die Welt aus amerikanischer Sicht

„Survival of the fittest“ – das ist das Motto, nach dem die New Yorker Börse an der Wall Street seit jeher funktioniert. Und dieser Grundsatz, durchaus in Europa erfunden, und zwar lange, bevor es die Vereinigten Staaten überhaupt gab, wird nun von diesen mit Verve verfochten – auch das wird von anderen Ländern und Märkten verlangt. Und dort angewendet.

BÖRSE am Sonntag

„Survival of the fittest“ – das ist das Motto, nach dem die New Yorker Börse an der Wall Street seit jeher funktioniert. Und dieser Grundsatz, durchaus in Europa erfunden, und zwar lange, bevor es die Vereinigten Staaten überhaupt gab, wird nun von diesen mit Verve verfochten – auch das wird von anderen Ländern und Märkten verlangt. Und dort angewendet.

Die Ukraine ist von New York aus weit weg. Die große Bedeutung, die der Konflikts im Donbass und in „Neurussland“ für Europa hat, wird natürlich wahrgenommen, sie erscheint aber winzigklein. Entsprechend nüchtern wird die Sache auf dem Parkett der NYSE betrachtet: Mit Interesse blickt man nach Donezk und Lugansk, um zu sehen, wer „the fittest“ ist. Und um inzwischen gute Geschäfte zu machen, nachdem sich in Europa durch die wechselseitigen Sanktionen zwischen West und Ost Marktnischen öffnen. Zum Beispiel im ukrainischen Energiesektor.

Wladimir Putin wird, und da sind nicht nur die Händler an der Wall Street völlig sicher, als Despot am äußersten rechten Rand – um dies vorsichtig zu umschreiben – durchaus klar erkannt. Einige Marktteilnehmer nennen ihn gar unverblümt einen Faschisten, ohne Beschönigung. In Europa schien das manchmal nicht so klar zu sein, doch das Bild scheint sich in dieser Woche zu bestätigen. Russische Soldaten, die „auf Urlaub“ waren, sollen laut Verteidigungsministerium in Moskau in der Ost-Ukraine unterwegs gewesen sein. Offenbar war – und ist! – es diesen Soldaten auch gestattet, Panzer und Flugabwehrraketen mit ins Nachbarland zu nehmen: in den Urlaub. Und wer die MH 17 abgeschossen hat? Nur Russland besitzt in jener Region Raketensysteme, mit denen ein Soldat – auch, wenn er zufällig gerade im Urlaub ist – erfolgreich ein in großer Höhe fliegendes Passagierflugzeug abschießen könnte. Von Amerikas Sicht auf Putin scheinen wir in Europa etwas lernen zu können.

Ukraine hin, Mittlerer Osten her, von Afrika ganz zu schweigen – Geschäfte werden nach New Yorker Lesart dort gemacht, wo Geld zu holen ist. Die für das eigene Land grundlegenden Werte spielen nur dann wirklich eine Rolle, wenn US-Bürger betroffen sind. Besorgt sehen die westlichen Partner, wie Krisenregionen zu strategischen Partnern werden, wenn es den Interessen dient – und zwar nicht nur für die Politik, sondern auch für große und sehr große US-Konzerne. Doch in der politischen Lage, speziell bei den Auslandseinsätzen amerikanischer Soldaten, lässt sich erkennen, dass diese Haltung Geld kostet. Viel, viel Geld.

Europa – und der ganze Westen – ist dagegen, wie Theodor Heuss es unnachahmlich formulierte, auf drei Hügel gegründet: Golgatha, die Akropolis und das Kapitol. Hier sind es die Amerikaner, die möglicherweise noch etwas von Europa lernen können. Und vielleicht sogar müssen. Weltweite Christenverfolgungen einerseits und der „Islamische Staat“ im Mittleren Osten andererseits sprechen eine überdeutliche Sprache. Sähe man darüber an der New York Stock Exchange weiter hinweg, würde der zu entrichtende Preis immens sein.