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Eine Wahl, die die Welt bewegt

Die Wahl zum 45. US-Präsidenten geht in die heiße Phase. Hillary Clinton und Donald Trump vertreten dabei zum Teil sehr unterschiedliche Positionen. Anleger sollten den Wahlverlauf daher genau verfolgen – und die wirtschaftspolitischen Ziele der beiden Kandidaten zu interpretieren wissen. Für die BÖRSE am Sonntag beobachtet Ulrich Stephan das Geschehen.

BÖRSE am Sonntag

Die Wahl zum 45. US-Präsidenten geht in die heiße Phase. Hillary Clinton und Donald Trump vertreten dabei zum Teil sehr unterschiedliche Positionen. Anleger sollten den Wahlverlauf daher genau verfolgen – und die wirtschaftspolitischen Ziele der beiden Kandidaten zu interpretieren wissen.

Von Ulrich Stephan

Der Schwächeanfall von Hillary Clinton, die vermeintlichen Schulden von Donald Trump, Clintons private Mails, Trumps verbale Aussetzer, Clintons Lachen, Trumps Frisur – der US-Präsidentschaftswahlkampf bestimmt seit Wochen die Schlagzeilen weltweit. Dabei bleibt keine Geste der beiden Kandidaten ungedeutet und kein Wort ungehört. Das liegt auch an der perfekten Medienmaschinerie der beiden politischen Lager. Vor allem aber daran, dass es bei der Wahl am 8. November um nichts weniger geht als den neuen mächtigsten Menschen der Welt. Denn die USA sind politisch und wirtschaftlich nach wie vor der entscheidende Taktgeber und werden es nach der Wahl bleiben, egal ob unter der Demokratin Clinton oder dem Republikaner Trump. Allerdings stellen sich viele Anleger insbesondere in Anbetracht eines an Polemik kaum zu überbietenden Wahlkampfs zu Recht die Frage, wie sich die USA nach der Amtszeit Barack Obamas verändern könnten – und welchen Einfluss dies auf ihre Investments hätte.

Grundsätzlich gehe ich nicht davon aus, dass es durch die neue Präsidentin oder den neuen Präsidenten zu einer kompletten Neuausrichtung der US-Politik kommen wird. Das ist schon durch das festgeschriebene Prinzip von „Checks and Balances“ wenig wahrscheinlich, welches das politische System der Vereinigten Staaten seit der Unterzeichnung der Verfassung im Jahr 1787 prägt. Es soll durch gegenseitige Kontrolle (engl.: check) des Präsidenten, des Kongresses – bestehend aus Senat und Repräsentantenhaus – und des Obersten Gerichtshofs ein politisches Gleichgewicht (engl.: balance) im Lande sicherstellen. So kann beispielsweise der Präsident sein Veto gegen Gesetzesvorlagen des Kongresses einlegen, der Oberste Gerichtshof die Direktiven des Präsidenten für verfassungswidrig erklären und der Kongress den Präsidenten sogar seines Amtes entheben.

Insofern sind die gleichzeitig mit der Präsidentschaftswahl stattfindenden Urnengänge zum Senat – wo turnusgemäß 34 der insgesamt 100 Sitze zur Abstimmung stehen – und zum Repräsentantenhaus von ähnlich großer Bedeutung wie die Entscheidung zwischen Clinton und Trump selbst. Aktuell besitzen die Republikaner in beiden Kammern die Mehrheit – bei einem demokratischen Präsidenten Obama. Umfragen deuten derzeit jedoch darauf hin, dass sich die Mehrheitsverhältnisse im Senat auch umkehren könnten.

Anders als die Prognosen zum Ausgang der Präsidentschaftswahl, die ein offenes Rennen signalisieren, geben die Wahlprogramme der beiden Kandidaten schon erste konkrete Hinweise, was die Welt von den USA in Zukunft zu erwarten hat. Beispiel Außenhandel: Der Wahlkampfslogan Donald Trumps „Make America Great Again“ (zu deutsch: „Mach Amerika wieder großartig“) spiegelt sich in kaum einem anderen Bereich deutlicher wider. Der Republikaner will dafür unter anderem die Brücken zu internationalen Handelspartnern teilweise abbrechen, um den US-Binnenmarkt vor äußeren Einflüssen zu schützen. Zwar hat sich auch Clinton gegen die Transpazifische Partnerschaft TPP und für eine Neuverhandlung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA ausgesprochen, in seiner Radikalität geht Trump aber noch einige Schritte weiter: So bezeichnete er die zulasten der USA ausfallende Außenhandelsbilanz mit China als den „größten Diebstahl der Weltgeschichte“ und das Reich der Mitte als „Währungsmanipulator“. Im Falle eines Wahlsieges würde er daher „seine ganze präsidiale Macht“ dafür einsetzen, diese Ungerechtigkeiten zu beheben – und sei es durch die Einführung von Strafzöllen.

Soll Yellen bleiben?

In anderen Bereichen laufen die Wahlprogramme der beiden Kandidaten ebenfalls deutlich auseinander. So will Trump zum Beispiel die Chefin der US-Notenbank Janet Yellen nach dem Ende ihrer Amtszeit 2018 ersetzen und eine weniger expansive Geldpolitik verfolgen, während Clinton die aktuelle Zentralbankpolitik unverändert belassen möchte. Beim Thema Steuern setzt Clinton auf höhere Sätze für Top-Verdiener, während Trump den Spitzensteuersatz von knapp 40 auf 33 Prozent senken will. Bei der Körperschaftsteuer wiederum plant Trump eine deutliche Kürzung von 35 auf 15 Prozent. Clinton möchte den bestehenden Satz beibehalten.

Bei so viel Unterschieden gibt es jedoch auch Gemeinsamkeiten. Zum einen wollen beide mittlere Einkommen entlasten. Zum anderen haben sie mehr oder weniger konkret  eine „Repatriation Tax“ ins Spiel gebracht, um zu einem reduzierten Steuersatz die Gewinne ausländischer Tochtergesellschaften von US-Unternehmen ins Land zu holen. Und auch in Sachen Infrastrukturinvestitionen bewegen sie sich zumindest in die gleiche Richtung: Clinton spricht von 275 Milliarden US-Dollar für Brücken, Tunnel und Flughäfen, Trump sogar von der doppelten Summe.

Bleibt die Frage zu beantworten, welche Auswirkungen ein Wahlsieg Clintons beziehungsweise Trumps auf die Märkte und damit für die Anleger haben könnte. Volkswirtschaftlich betrachtet wäre eine schnelle und substanzielle Umsetzung einer expansiven Fiskalpolitik sicher begrüßenswert. Allerdings dürften Infrastrukturinvestitionen und/oder Steuererleichterungen kaum einen zeitnahen Effekt haben: Vor 2018 sind Auswirkungen auf die Realwirtschaft in Form einer Stimulierung des Bruttoinlandsprodukts und erhöhter Erwerbstätigkeit kaum zu erwarten. Wenig Veränderungen dürfte es auch hinsichtlich des US-Dollar geben. Egal ob Clinton oder Trump: Ich erwarte für die Weltleitwährung in Zukunft eine Fortsetzung ihrer strukturellen Stärke gegenüber zum Beispiel Euro, Yen oder Pfund.

Gute Aussichten in beiden Fällen

Mit Blick auf den Anleihemarkt dürften Clintons „Weiter so“ bei der Geldpolitik sowie ihre geplanten fiskalpolitischen Maßnahmen wenig am niedrigen Zinsumfeld ändern. Zusammen mit stabilen volkswirtschaftlichen Rahmendaten dürften insbesondere US-Unternehmensanleihen guter Bonität (Investment Grade) davon profitieren. Auch die Wahl Trumps könnte sich positiv auf Unternehmensanleihen auswirken. Weniger wegen der angekündigten geldpolitischen Wende – bislang hat die US-Notenbank es stets verstanden, sich eine gewisse politische Unabhängigkeit zu bewahren – als vielmehr durch die radikalen Steuersenkungen und die massiven Investitionen, die den Unternehmen zugutekämen.

Am US-Aktienmarkt könnte sich Trumps grundsätzlich kritische Haltung gegenüber Regulierungen insbesondere im Finanz- und Energiesektor positiv niederschlagen – auch wenn abzuwarten gilt, welche seiner Pläne er tatsächlich wird umsetzen können. Gleichzeitig dürfte die Senkung der Körperschaftsteuer insbesondere binnenmarktorientierte US-Unternehmen unterstützen – seine angestrebte Abschottung des US-Marktes allerdings international tätige Firmen schwächen. Insgesamt könnte es nach einem Sieg Trumps aufgrund der zum Teil wenig konkreten Aussagen in seinem Wahlprogramm anfänglich zu erhöhten Schwankungen an den US-Börsen kommen.

Clintons Pläne scheinen bereits etwas konkreter: Sie befürwortet eine stärkere Regulierung in Branchen wie Finanzen oder Pharma, steht fossilen Brennstoffen nicht unkritisch gegenüber und will stattdessen stärker auf erneuerbare Energien setzen. Das könnte die betreffenden Sektoren zunächst unter Druck setzen. Von ihrem geplanten Investitionsprogramm hingegen dürften, wie auch bei Trump, die Sektoren Industrie, Grundstoffe sowie Luftfahrt und Verteidigung besonders profitieren.

Ein besonderes Augenmerk sollten Anleger zudem auf die mögliche „Repatriation Tax“ richten. Diese beträfe in besonderem Maße US-Unternehmen aus der Tech- und Pharmabranche, da diese nach Berechnungen der Deutschen Bank mit Abstand die meisten Erträge im Ausland akkumuliert haben. Eine Zunahme der Aktienkursschwankungen in diesen Marktsegmenten scheint daher möglich.

Ulrich Stephan ist Chef-Anlagestratege Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.