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Indien: Asiens neuer Musterschüler

Es ist keine drei Jahre her, da sah Die Zeit Indiens Regierung noch in „Richtung Untergang“ steuern. Die Neue Zürcher Zeitung wähnte zwölf Monate später den indischen „Traum von der Wirtschaftsmacht“ endgültig verblasst. Seither hat sich jedoch einiges getan: Die Aussichten sind durchaus vielversprechend, denn die Zeichen stehen wieder auf Wachstum.

BÖRSE am Sonntag

Es ist keine drei Jahre her, da sah Die Zeit Indiens Regierung noch in „Richtung Untergang“ steuern. Die Neue Zürcher Zeitung wähnte zwölf Monate später den indischen „Traum von der Wirtschaftsmacht“ endgültig verblasst. Seither hat sich jedoch einiges getan: Die Aussichten sind durchaus vielversprechend, denn die Zeichen stehen wieder auf Wachstum.

Kolumne von Dr. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank

Diese Erfolgsgeschichte verbinden viele mit dem Namen Narendra Modi, der seit knapp einem Jahr amtierender Premierminister Indiens ist. Schon in seiner Amtszeit als „Chief Minister“ im Bundesstaat Gujarat feierte er wirtschaftlich und administrativ bedeutende Erfolge. Die Hoffnungen der Wähler auf bundesweite Wiederholung dieser Erfolge scheinen sich zu erfüllen. So gelten die jüngsten Budgetverhandlungen als die produktivsten Parlamentssitzungen der vergangenen Jahre: Trotz fehlender Mehrheit im Oberhaus hat Modis Indische Volkspartei (BJP) eine Reihe wichtiger Gesetzesentwürfe verabschiedet. Offenbar findet der Premierminister derzeit auch über Parteigrenzen hinweg genügend Unterstützer für seine ehrgeizigen Reformpläne.

Zu den wichtigsten Reformen, die Modi seit seinem Amtsantritt im Mai 2014 angeschoben und bereits durchgesetzt hat, zählen der Abbau von Subventionen und die Einführung von Steuern bei Treib- und Energierohstoffen. Dadurch könnten allein im Fiskaljahr 2016 mehr als 13 Milliarden US-Dollar eingespart und für dringend benötigte Investitionen im Bereich der Infrastruktur verwendet werden. Das Schienennetz stammt teils noch aus britischen Kolonialzeiten, das Straßennetz ist zwar das zweitgrößte der Welt, doch nur ein Bruchteil davon ist als Schnellstraße ausgebaut – ein großes Hemmnis für ein Land, in dem mehr als die Hälfte der Warentransporte mit Hilfe von Lkw stattfinden.

Auch das Genehmigungs- und Vergabeverfahren für Minen wurde deutlich vereinfacht und transparenter gestaltet, um die riesigen Kohlevorkommen des Landes effizienter zu nutzen. Das spülte in der jüngsten Auktion nicht nur mehr als 34 Milliarden US-Dollar in die Staatskasse, sondern dient auch der Bekämpfung der hohen Korruption. Schon im Jahre 2012 stellte der indische Rechnungshof fest, dass dem Staat allein durch die intransparente Vergabe von Kohleabbaulizenzen Verluste über 207 Milliarden US-Dollar entstanden sind. Statt beim Fiskus landete das Geld in den Taschen korrupter Beamter und Verbindungsmänner. Mittlerweile sind die Auktionen für Abbaulizenzen öffentlich einseh- und damit nachvollziehbar.

Unterstützung erhält Modi auch von der indischen Notenbank, die – dank gefallener Ölpreise und durch den liberalisierten Nahrungsmittelmarkt vergleichsweise moderater Inflationszahlen – ausreichend Spielraum für Leitzinssenkungen sieht: Seit Jahresanfang wurde der Leitzins zwei Mal auf jetzt 7,5 Prozent gesenkt. Und ich rechne bis Jahresende mit zwei weiteren Anpassungen auf 7,0 Prozent. Das dürfte den indischen Unternehmen mehr Möglichkeiten für Investitionen geben und die Konjunktur weiter beleben.

Für Anleger kann Indien derzeit also ein interessantes Investmentziel sein – auch, weil die indische Rupie sich stark am US-Dollar orientiert und bei einem weiter schwächelnden Euro zusätzliches Ertragspotenzial eröffnen könnte. Zwar sind kurzzeitige Rücksetzer am Aktienmarkt jederzeit möglich. Findet Modis Reformagenda aber auch künftig eine breite Unterstützung, könnte Indiens Wirtschaft sich langfristig als Wachstumsmotor Asiens etablieren, und die Lücke, die durch Chinas abflauende Wirtschaftsdynamik entstanden ist, schließen.