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Ist der Euro noch sicher?

Nie war die Inflationsrate in der Eurozone so hoch, selten die Wahrscheinlichkeit einer Rezession so groß. Bürger bekommen zunehmend Angst um ihr Erspartes. Sollten sie ihr Geld besser in Fremdwährungen, wie den Schweizer Franken, anlegen?

(Foto: Tania Kitura / Shutterstock)

Nie war die Inflationsrate in der Eurozone so hoch, selten die Wahrscheinlichkeit einer Rezession so groß. Bürger bekommen zunehmend Angst um ihr Erspartes. Sollten sie ihr Geld besser in Fremdwährungen, wie den Schweizer Franken, anlegen?

Im August ist die Inflationsrate in der Eurozone auf 9,1 Prozent gestiegen. Das ist der höchste je gemessene Wert seit Bestehen der Währungsunion und innerhalb von zwölf Monaten das elfte Plus gegenüber dem jeweiligen Vormonat. Die Europäische Zentralbank hat die Gefahr dieser ungebremsten Teuerung nach langem Zögern jetzt erkannt und steuert mit Zinserhöhungen dagegen, im internationalen Vergleich allerdings äußerst zaghaft. Zwar beschloss sie im September mit einem Aufschlag von 0,75 Prozent die höchste Zinserhöhung, seit es den Euro gibt, in der Summe liegt der Leitzins damit aber trotzdem nur bei 1,25 Prozent. Zu niedrig, urteilen viele Experten. Die EZB hätte viel früher reagieren müssen, ist von Volkswirten zudem häufig zu hören. Nun jedenfalls droht der perfekte Sturm aus steigenden Zinsen, Rekord-Inflation und Rezession.

Dessen erstes Opfer scheint der Euro. Seit Mai 2021 verliert Europas Gemeinschaftswährung gegenüber dem US-Dollar rasant an Wert. Bekam man damals noch rund 1,22 US-Dollar für einen Euro, sind es jetzt nur noch 0,96 US-Dollar. Das ist der tiefste Stand seit 20 Jahren. Auch im Vergleich zum Schweizer Franken hat der Euro deutlich abgewertet. Nur rund 95 Rappen bekommt man aktuell für einen Euro.

Sowohl der US-Dollar als auch der Schweizer Franken profitieren aktuell von ihrem Ruf als sicherer Hafen. Gleichzeitig hat die US-Notenbank Fed deutlich schneller und energischer auf die steigenden Inflationsraten in ihrem Land reagiert als die EZB in der Eurozone. Der US-Leitzins steht nun bereits bei 3,25 Prozent. Es gilt als wahrscheinlich, dass er bis zum Jahresende auf über vier Prozent steigt. Das stützt den Dollar. Die Schweiz profitiert derweil von einer deutlich niedrigeren Inflationsrate, als sie derzeit vielerorts zu beobachten ist. Im August lag diese bei lediglich 3,5 Prozent. Für die Schweizer Nationalbank aber Grund genug ebenfalls die Leitzinsen anzuheben, auf 0,5 Prozent. Weitere Erhöhungen, so die Prognose der Währungshüter, könnten folgen.

Spannend ist auch der Blick nach China. Gegenüber dem chinesischen Yuan hat der Euro in den vergangenen beiden Jahren ebenfalls bedeutend an Wert verloren. Bekam man im August 2020 noch in etwa 8,2 Yuan für einen Euro, sind es nun nur noch 6,9 Yuan. Auch in China ist die Inflationsrate im internationalen Vergleich niedrig. Im August lag sie bei 2,5 Prozent. Gegenüber dem japanischen Yen hat der Euro in diesem Jahr hingegen aufgewertet, was aber auch an dessen Schwäche liegt. Ähnlich dem Euro hat der Yen gegenüber dem US-Dollar kräftig an Wert verloren. Die Inflationsrate allerdings lag in Japan im August mit 3,0 Prozent ähnlich niedrig wie in der Schweiz und China.

Fest steht: der Euro hat im internationalen Vergleich zuletzt massiv an Stärke eingebüßt und könnte durch den jüngsten Wahlerfolg des Rechtsbündnisses in Italien im Wert sogar noch weiter fallen.  Die hohe Inflation im Euro-Raum dürfte nach Einschätzung von Experten zudem erst einmal nicht zurückgehen und eher noch steigen. Das bedroht bei zunehmender Sorge um die Stabilität der eigenen Währung die Ersparnisse der Bürger, denn der Zinsanstieg gleicht die Inflation derzeit bei weitem nicht aus.

Den Blick ins Ausland gerichtet, liegt da die Flucht in Fremdwährungen nahe. Doch ist das wirklich eine gute Idee oder vielmehr eine gefährliche Panikreaktion? Und wie funktioniert das überhaupt genau?

Grundsätzlich haben Anleger zwei Möglichkeiten: Entweder sie investieren direkt in die jeweilige Währung oder sie kaufen Wertpapiere, die in der entsprechenden Währung gehandelt werden. So weit, so einfach. Doch dann gilt: Investitionen in Fremdwährungen sind risikoreich. Besonders für Privatanleger, die sich nicht täglich mit dem Börsen- und Wirtschaftsgeschehen auseinandersetzen.

Ob eine Währung auf- oder abwertet, hängt von zahlreichen Faktoren ab, die sich wiederum gegenseitig beeinflussen und verstärken können. Interventionen der Politik können dazu Trends von einem Moment auf den anderen umkehren. Zur Wahrheit gehört aber auch: Wer in diesem Jahr frühzeitig in den US-Dollar investiert hat, hat durch dessen Aufwertung gegenüber dem Euro erhebliche Währungsgewinne erzielen können. Die Herausforderung dabei: den richtigen Zeitpunkt erwischen. Gerade jetzt, da der schwache Euro die Schlagzeilen dominiert, könnte es letztlich schon zu spät sein für ein US-Dollar-Investment.

Wer jetzt beispielsweise US-Staatsanleihen kauft, weil diese für den Moment deutlich besser verzinst, sind als deutsche Staatsbonds, könnte am Ende trotzdem schlechter dastehen, wenn der Euro wieder ein Stück weit aufwertet. Allein auf Stärke und Schwäche einer Währung zu setzen, ist schlicht eine riskante Wette. Für etwas Absicherung können sich Anleger aber zumindest Geld auf ein Fremdwährungskonto überweisen. Kauft und verkauft man von einem Dollar-Konto dann US-Aktien, fällt der Wechselkurs zum Euro zunächst nicht ins Gewicht. Geduldige Anleger können dann abwarten, bis der Wechselkurs für sie günstig ist. Das kann jedoch endlos werden. Dass man genau in dem Moment kaum investiert ist und viel Liquidität auf dem Konto hat, indem der Wechselkurs günstig ist, hat wohl mindestens genauso viel mit Glück wie mit Können zu tun. Hinzu kommt: In aller Regel greift bei Fremdwährungskonten die EU-Einlagensicherung nicht. Diese sichert Anlegern 100.000 Euro zu, sollte die Bank in Zahlungsschwierigkeiten geraten.

Dennoch gilt wohl: Wenn nicht jetzt, wann dann über Investments in Fremdwährungen nachdenken. Es geht dabei schließlich nicht allein um Währungsgewinne. Eine starke Währung kann auch auf eine vergleichsweise starke Wirtschaft hinweisen, was sich möglicherweise in den Aktienkursen der Unternehmen des jeweiligen Landes positiv widerspiegelt. So laufen US-Aktien beispielsweise besser als deutsche. Auf Jahressicht steht der Dow Jones mit rund 15 Prozent im Minus, der Dax hingegen mit 21 Prozent. Der Schweizer Leitindex SMI hat sogar „nur“ 13 Prozent verloren. Und wer ganz grundsätzlich nach sicheren Häfen sucht, der findet in US-Dollar und Schweizer Franken aktuell zweifellos stabilere Bedingungen vor, als im Euro-Raum. Das aber heißt nicht automatisch, dass die beiden Währungen weiter gegenüber dem Euro aufwerten. Alles in allem gilt für Anleger wohl auch beim Euro das, was immer gilt: Ruhe bewahren.

Oliver Götz

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