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Qatar: Dem Emir, dem Mega-Anleger, folgen?

Katar und damit vor allem dessen Staatsoberhaupt Emir Scheich Tamim bin Hamad Al Thani ist zu einem Global Player auf den Finanz- und Beteiligungskapitalmärkten dieser Welt geworden. Über den 2005 aufgelegten Staatsfonds „Qatar Investment Authority“ und dessen Investment-Sparte „Qatar Holding“ kauft sich das Wüstenemirat in Konzerne, Banken, Fußball-Clubs, Kaufhäuser und Immobilien auf der ganzen Welt ein. Sollen Anleger vom Wissen der Qataris profitieren? Immerhin, der Ruf des Emirats ist angeschlagen. Wäre es da nicht angebrachter, um Firmen, in denen Qatar investier ist, einen weiten Bogen zu machen?

BÖRSE am Sonntag

Qatar und damit vor allem dessen Staatsoberhaupt Emir Scheich Tamim bin Hamad Al Thani ist zu einem Global Player auf den Finanz- und Beteiligungskapitalmärkten dieser Welt geworden. Über den 2005 aufgelegten Staatsfonds „Qatar Investment Authority“ und dessen Investment-Sparte „Qatar Holding“ kauft sich das Wüstenemirat in Konzerne, Banken, Fußball-Clubs, Kaufhäuser und Immobilien auf der ganzen Welt ein. Sollen Anleger vom Wissen der Qataris profitieren? Immerhin, der Ruf des Emirats ist angeschlagen. Wäre es da nicht angebrachter, um Firmen, in denen Qatar investier ist, einen weiten Bogen zu machen?

Der Gesamtwert des von der Qatar Holding zusammengetragenen Vermögens liegt inzwischen bei rund 335 Milliarden US-Dollar. Qatar, dieses Wüsten-Emirat am Ostrand der arabischen Halbinsel, kauft ein für die Zukunft. Und sorgt damit vor für eine Zeit, in der Erdöl und Erdgas den 2,7 Millionen-Einwohner-Staat nicht mehr reich machen können. Bis dieser Punkt erreicht ist, mag es noch ein bisschen dauern. Doch eines ist sicher: Irgendwann wird es soweit sein. Der Tourismus allein wird die darauffolgenden Einnahme-Verluste nicht ausgleichen können.

Da es an eigenen konkurrenzfähigen Unternehmen außerhalb des fossilen Energieträger-Bereichs stark mangelt, muss die Idee der zukünftigen Staatsfinanzierung wohl darin liegen, sich bevorzugt in westliche Großkonzerne einzukaufen, um so über Kurssteigerungen und Dividendenzahlungen am Finanzmarkt eine hohe Rendite erzielen zu können. Da verwundert es wenig, dass auch einige deutsche Unternehmen zum Portfolio des „Qatar Investment Authority“, einer der 15 größten Staatsfonds des Planeten, gehören. Wer diesen riesigen Fonds an erstklassigen Investments lenkt, muss sich auskennen. Eine strategie für Anleger könnte lauten, sich hier anzuhängen. Hier sozusagen mitzumachen. Aber ist das erstens wirtschaftlich sinnvoll und zweitens moralisch vertretbar?

Deutsche Bluechips sind in Qatar gefragt

Schauen wir uns zunächst die Fakten an. An Siemens hält der Katar-Fonds drei Prozent der Anteile, was einem Wert von circa vier Milliarden Dollar entspricht. Mit dem dreifachen, nämlich zwölf Milliarden Dollar, ist das Emirat am deutschen Automobilkonzern Volkswagen beteiligt. Und auch vor Deutschlands immer noch größtem Geldhaus, der Deutschen Bank, haben die Wüsten-Investoren in der Vergangenheit nicht Halt gemacht. Über die Paramount Service Holding und Supreme Universal halten Scheich Hamad bin Jassim bin Jaber Al-Thani und dessen Cousin Hamad bin Khalifa Al-Thani knapp zehn Prozent der Anteile. Somit ist Katar , Haupt-Aktionär der Banknoch vor dem weltgrößten Vermögensverwalter BlackRock aus den USA. Auch beim Essener Baukonzern Hochtief waren die Scheichs schon investiert, ihre Anteile haben sie inzwischen aber wieder verkauft.

Fleißig eingekauft haben Emir Al Thani und Co. natürlich auch außerhalb Deutschlands. 2012 sicherte sich das Königshaus einen zweiprozentigen Anteil am Mineralölkonzern Total. 2008 war man bei der Schweizer Bank Credit Suisse eingestiegen und hält dort noch immer fünf Prozent der Anteile. Deren Wert: 2,8 Milliarden Dollar.

Big Oil ist gerade gut genug

Erst im vergangenen Jahr investierte der katarische Staatsfonds volle 5,5 Milliarden Dollar in den russischen Rosneft-Konzern und bekam dafür einen Anteil in Höhe von zehn Prozent zugesprochen. Mit Royal Dutch Shell, BHP-Billiton und Glencore gehören noch bedeutende Anteile weiterer großer Rohstoffkonzerne zum Portfolio. Weiterhin sind die Scheichs mit knapp zehn Prozent an der London Stock Exchange, sechs Prozent an der britischen Bank Barclays und  22 Prozent am ebenfalls britischen Einzelhandelsunternehmen Sainsburry‘s beteiligt. Teil des Fonds sind zudem die Franzosen vom Medienkonzern Lagardére und der Schmuckhersteller Tiffany aus den USA. Der Zwergstaat hält an beiden Unternehmen jeweils um die 13 Prozent. Mit Accor und der Agricultural Bank of China gehören weiterhin die größte Hotelkette Europas und ein weiteres Finanzinstitut zur guten Teilen der Qatar Holding.

Die Liste der Unternehmen, in die Qatar investiert, sie ist gefühlt unendlich lang. Und natürlich fließen die katarischen Petrodollars nicht nur in Konzern-Aktien. Auch am Londoner Bürogebäudekomplex Canary Wharf, um ein immobiles Beispiel zu nennen, halten die Araber Anteile. Und bereits 2010 hatte sich der Saudi-Nachbar das Londoner Luxuskaufhaus Harrods für 1,5 Milliarden Pfund gekauft, da wollte man wohl nicht nachstehen. Hinzu kommen Anteile am Betreiber des Londoner Flughafens Heathrow. Auch in Washington D.C. und New York investierten die Scheichs aus Qatar in der Vergangenheit in diverse Gebäude- und Wohnkomplexe.

Neben dem milliardenschweren Staatsfonds sind die steinreichen qatarischen Scheichs auch in der Welt des Sport aktiv, und zwar auch hier im ganz großen Stil. Der geneigte Fußball-Fan dürfte wissen, dass sowohl Paris St. Germain als auch Manchester City, und damit zwei europäische Top-Clubs, Scheich-Eigentum sind. Die Fluggesellschaft Qatar Airways ist zudem Trikotsponsor des FC Barcelona. 2022 kommt aller Voraussicht nach – wenn sozusagen nichts dazwischenkommt – die Fußall-WM nach Qatar. Eine Handball-WM, wie auch viele weitere größere Turniere anderer Sportarten, haben bereits in der Wüste stattgefunden. Irgendwann sollen die Olympischen Spiele folgen, so zumindest lautet der Wunsch des Emirs von Qatar. Und ein Emir ist nicht gewohnt, dass ein Wunsche nicht in Erfüllung geht.

Das kleine Emirat wird im Zuge der Globalisierung immer größer. Und ist, was Anteile an Unternehmen betrifft, gefühlt schlichtweg überall. Vor allem aber wird angesichts der Tatsache, dass Qatar keine Demokratie, sondern eine absolute Monarchie ist, die Herrscher-Familie um Emir Al Thani immer (einfluss-)reicher. Passend dazu gehört auch der in der arabischen Welt weit verbreitete Nachrichten-Fernsehsender Al-Jazeera dem qatarischen Herrschaftshaus. Sollten investoren, die westliche werte und Moral schätzen, hier nicht kalte Füße bekommen?

Es klingt fürwahr alles nach ziemlich viel absolutem, unkontrolliertem Einfluss für einen Staat, der vermeintlich - oder: mutmaßlich – Terrorgruppen finanziert und nicht nur die Rechte von Frauen völlig ungeniert mit Füßen tritt. Vor allem klingt es nach viel, viel  Einfluss in der westlichen Welt. Denn alle Konzerne, an denen Qatar beteiligt ist, finanzieren den Terror über ihre nach Qatar überwiesenen Dividenden indirekt mit. Und das sehr wohl bewusst. Und es ist nicht von der Hand zu weisen: die Investment-entscheidungen aus Qatar klingen mehr als vernünftig, sie wären eine gute Vorlage für Anleger, die ihr Vermögen mehren und mit guten Investments arrondieren wollen.

Die aufgetauchten Anschuldigungen gegen das Wüstenemirat sind nicht neu. Dass sie als konkrete Vorwürfe nun vor allem von Nachbar Saudi Arabien kommen, ist an Ironie allerdings kaum zu übertreffen, sieht es doch dort bei Menschenrechten und Demokratie nicht viel anders aus. Und das betrifft neben den unwahrscheinlich großen Investments auch dort die Menschenrechte, speziell die Rechte der Frauen und auch die Arbeitsbedingungen von Beschäftigten, die keine Landeskinder sind. Wobei mehr informationen nötig wären, bevor man das letztgenannte Phänomen auf der gesamten arabischen Halbinsel als „Rassismus“ brandmarken könnte, eventuell.

„Den enormen moralischen Konflikt, der sich an der Qatar-Frage auftut, können Investoren und Kapitalanleger nicht lösen. Aber sie können sich genau anschauen, in welche Branchen die Scheichs von Qatar investieren“, sagt dazu der Chefredakteur der BÖRSE am Sonntag. Und er gibt weiter zu bedenken: „Jeder Anleger muss genau für sich abwägen, wie sehr er das Wissen der zweifelsohne bestens informierten Investment-Profis aus Qatar nachvollziehen möchte, quasi als eine Art Wikifolio, und ab wann ihm der Einfluss der drakonisch-absolut herrschenden, streng muslimischen Scheichs in bestimmten Unternehmen zu riskant wird. Dann nämlich würde es Zeit, genau von den Aktien abstand zu halten, in die die Gewaltherrscher vom Persischen Golf schwerpunktmäßig investiert sind.“ Oder, um es mit einem arabischen Bild zu sagen: Investments mit oder gegen Qatar sind ein zweischneidiges Schwert – so oder so.

Also: Dem absolut zwielichtigen Emir folgen oder einen weiten Bogen um seine gleichwohl cleveren und kohärenten Investment-Ideen machen? Die Antwort mus jeder Anleger selbst finden. Die BÖRSE am Sonntag kann lediglich – oder: immerhin! – für diese Frage sensibilisieren. OG