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Autoaktien: Pro & Contra

Auto-Aktien zeigen seit dem Bekanntwerden massiver Abgasmanipulationen durch Volkswagen eine hohe Volatilität. Doch was bedeutet das für Anleger? Zwei Finanzexperten über Lehren aus der Vergangenheit und schwer einzuschätzende Risiken.

BÖRSE am Sonntag

Kaufen, wenn die Kanonen donnern

von Thomas Hünicke, Geschäftsführer der WBS Hünicke Vermögensverwaltung GmbH, Düsseldorf

Im Rahmen des Diesel-Betrugs werden auf Volkswagen immense Kosten und Forderungen zukommen. Wie die Vergangenheit zeigt, wird aber keineswegs alles so heiß gegessen, wie es gekocht wird.

Es ist der Super-GAU der deutschen Industriegeschichte. Bis zu elf Millionen Diesel-Pkw sollen von den Softwaremanipulationen betroffen sein. Strafen und mögliche Schadensersatzleistungen werden des-halb deutlich höher ausfallen als bei anderen Automobilbauern, deren schadhafte Brems- und Gaspedale (Toyota) sowie defekte Zündschlösser (General Motors) den unmittelbaren Tod einer ganzen Reihe von Verkehrsteilnehmern zur Folge hatten.

Hinzu kommt der enorme Imageverlust. Der Schaden für die Wolfsburger sowie die gesamte deutsche Autobranche ist bisher nicht ansatzweise absehbar. Entsprechend hatte sich die Marktkapitalisierung von VW zeitweise um 36 Mrd. Euro (minus 45 Prozent) reduziert. Andererseits zeigt der Blick in die Vergangenheit, dass Anleger immer wieder dazu neigen, auf sehr markante Nachrichten mit starker Medienpräsenz übertrieben zu reagieren. So übersteigen die Kursverluste von Versicherungskonzernen bei großen Naturkatastrophen die zu erwartende Schadenssumme oft deutlich, wie das Beispiel des Hurrikans Katrina im August 2005 zeigte.

Größere Parallelen des VW-Skandals lassen sich zum so genannten Lipobay-Desaster ziehen. Aufgrund starker Wechselwirkungen mit Todesfolgen musste Bayer 2001 seinen bis dahin überaus erfolgreichen Cholesterinsenker vom Markt nehmen. Auch hier schienen die finanziellen Belastungen zunächst unkalkulierbar. Die direkten Kosten aus Vergleichen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht beliefen sich bis Ende 2007 letztendlich jedoch auf weniger als 1,2 Mrd. US-Dollar. Heute notiert die Aktie rund 140 Prozent über ihrem Wert vor dem Verkaufsstopp. Die Zugewinne beim DAX-Kursindex betragen seither dagegen keine 20 Prozent.

Natürlich ist die Vergangenheit niemals eins zu eins auf die Zukunft übertragbar. Dennoch legen Verhaltensmuster nahe, dass sich ein Einstieg in die VW-Vorzugsaktie während der „schwärzesten Stunde“ des Volkswagenkonzerns durchaus lohnen könnte.

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Besser großräumig umfahren

von Gottfried Urban, Vorstand der Bayerische Vermögen AG, Traunstein

Als Aktien-Anleger wünschen wir uns hohe Erträge bei hoher Sicherheit. Leider gibt es das nicht. Auch nicht bei Marktschwergewichten, wie den Energieversorgern oder den großen Fahrzeugbauern. Der Kursrutsch von Volkswagen macht deutlich, wie wichtig die breite Streuung ist. Keine noch so gründliche Bilanzanalyse schützt vor Betrug, Skandalen oder - wie im Falle unserer Stromversorger - vor politischen Kehrtwenden. 

Für den Tagestrader sind das spannende Zeiten. Hohe Kursschwankungen können mit Glück zu großen Gewinnen verhelfen. Aber leider können Aktien, die schon um 50 Prozent gefallen sind, nochmal um 50 Prozent fallen oder im Extremfall sogar wertlos werden. Auch wenn der Extremfall bei den oben genannten Branchenvertretern nicht zu erwarten ist, so ist nur schwer zu sagen, wo der Boden gefunden wird. Bei VW und den Energieversorgern könnte man zu dem Schluss kommen: Sie sind schon so weit gefallen, tiefer geht es nicht mehr.

Doch gerade bei VW sind die Folgen der Klagewelle jedoch schwer abzuschätzen. Es ist zu erwarten, dass sich die Bedingungen bei der Emissionsmessung drastisch verschärfen werden. Das wird die Margen aller der Hersteller belasten. Zudem könnte eine Nachfrageverschiebung zu Gunsten von Fahrzeugen mit Benzinmotor entstehen. In Deutschland ist jede zweite Neuzulassung ein Diesel. Die Autonachfrage generell wird wegen des Skandals nicht zurückgehen.

Höhere F&E-Ausgaben sowie eine geringere Profitabilität im Autogeschäft bei wachsender Konkurrenz. Langfristig sind Autoaktien deshalb kein Kauf. Kurzfristig könnten Autoaktien auf dem aktuellen Niveau interessant werden. Diese Papiere sollten aber bei einer kräftigen Erholung wieder verkauft werden.

Ein Unternehmen mit mittelmäßigen Aussichten als Langfristanlage zu kaufen, nur weil die Aktie gerade billig erscheint, ist nicht die beste Methode für den Anlageerfolg. Für die nächsten Jahre sollten wenig zyklische Aktien wie Nestlé und Co. wohl den ruhigeren Schlaf bescheren. Automobilwerte sind und bleiben volatil. Und Anleger müssen nicht auf jeder Hochzeit tanzen. Es gibt genügend Aktien, die dem Gedanken langfristiger Sicherheit und Stabilität näher kommen.