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Allzeithoch beim DAX! Vive la France!

Präsidentschaftswahlen in Frankreich, erste Runde. Der Ausgang entspricht den Prognosen: Macron vor Le Pen. Das Ergebnis sorgt für haussierende Börsen am Tag danach, zur Mittagsglocke markierte der DAX ein neues Allzeithoch. Insgesamt hatten die Marktteilnehmer bereits vor der Abstimmung demonstrative Gelassenheit demonstriert. Falls Macron am 7. Mai gewinnt, würde die heutige Wette auch aufgehen. Die BÖRSE am Sonntag bringt Überlegungen zu den beiden noch möglichen Wahlausgängen und zur Reaktion der EZB. Und einen Blick über den Ärmelkanal.

BÖRSE am Sonntag

Präsidentschaftswahlen in Frankreich, erste Runde. Der Ausgang entspricht den Prognosen: Macron vor Le Pen. Das Ergebnis sorgt für haussierende Börsen am Tag danach, zur Mittagsglocke markierte der DAX ein neues Allzeithoch. Insgesamt hatten die Marktteilnehmer bereits vor der Abstimmung demonstrative Gelassenheit demonstriert. Falls Macron am 7. Mai gewinnt, würde die heutige Wette auch aufgehen. Die BÖRSE am Sonntag bringt Überlegungen zu den beiden noch möglichen Wahlausgängen und zur Reaktion der EZB. Und einen Blick über den Ärmelkanal.

Erleichterung herrscht an den Aktienmärkte am Tag nach der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahlen. Die Marktteilnehmer setzen jetzt klar auf Emmanuel Macron als neuen Präsidenten, die Kurse steigen kräftig. Auch der Euro legt zu. Und die Wette könnte aufgehen. Doch noch ist sie nicht gewonnen. Was sind die möglichen Auswirkungen?

Szenario 1: Möglicher Macron-Sieg beflügelt Europas Aktienmärkte

Wir halten es immer noch für am wahrscheinlichsten, dass Marine Le Pen von der extremen Rechten und der eher gemäßigte Emmanuel Macron in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen gegeneinander antreten werden. Bei einer solchen Konstellation dürfte Macron den Sieg davontragen – in Umfragen liegt er regelmäßig weit vor Le Pen, wenn gefragt wird, wem von beiden die Franzosen im zweiten Wahlgang ihre Stimme geben würden. Denn das System der zwei Wahlgänge stellt für die Kandidatin des Front National eine beträchtliche Hürde dar. Bei französischen Präsidentschaftswahlen liegt die Wahlbeteiligung im zweiten Wahlgang erfahrungsgemäß bei rund 80 Prozent. Das begünstigt den Kandidaten des sogenannten Medianwählers – also den Wähler, der genau in der Mitte der Gesellschaft steht. Das macht es unwahrscheinlich, dass Le Pen in letzter Minute großen Zulauf von Wählern erhält, die bei früheren Wahlen zu Hause geblieben waren. Das alles senkt die Wahrscheinlichkeit, dass die Umfragen weit neben der Realität liegen und am Ende ein unerwarteter Ausgang steht, wie bei den US-Präsidentschaftswahlen und dem Brexit-Referendum.

Ein Sieg Macrons ist positiv für die Börsen. Der Euro sollte steigen und der Renditeabstand zwischen französischen und deutschen Staatsanleihen schrumpfen. Bisher haben französische Anleihen die Nervosität der Marktteilnehmer am meisten zu spüren bekommen, während der französische Aktienmarkt (CAC 40) von der Verbesserung der wirtschaftlichen Lage profitiert und seit Jahresbeginn sogar um rund zehn Prozent zugelegt hat.

Wir halten es dann auch für denkbar, dass die Kurse an den europäischen Aktienmärkten, ausgelöst durch eine Neubewertung vermeintlicher politischer Risiken durch die Marktteilnehmer, steigen. Insgesamt bin ich sehr zuversichtlich für europäische Aktien. Denn diese sind, gemessen an der fundamentalen Lage in Europa, den in der Breite positiven konjunkturellen Frühindikatoren sowie den gestiegenen Gewinnerwartungen der Unternehmen, derzeit unterbewertet. Im Vergleich dazu sind US-Aktien gegenwärtig um rund 20 Prozent höher bewertet.

Anleger sollten jedoch ihr Risiko diversifizieren, etwa über den Ausbau von Positionen in Anleihemärkten, die ein höheres Beta aufweisen und damit stärker mit dem Gesamtmarkt korrelieren. Beispiele dafür sind etwa „Hybrid“-Papiere – also Anleihen mit aktienähnlichen Eigenschaften – und Lokalwährungsanleihen aus Schwellenländern. Daneben könnte Gold höher gewichtet werden oder eine Long-Position im Yen aufgebaut werden. Die japanische Währung gilt gemeinhin als sicherer Hafen.

Szenario 2: Keine Panik bei Wahlerfolg von Le Pen

Es ist zwar nicht völlig ausgeschlossen, dass es am Ende doch zu einem Rennen zwischen Marine Le Pen und Emmanuel Macron um die französische Präsidentschaft kommt. Doch zum jetzigen Zeitpunkt ist das eher unwahrscheinlich. Allerdings könnte Le Pen mit dem Thema Innere Sicherheit punkten. Denn der jüngste Anschlag in Paris rückt diesen Aspekt bei den Wählern schmerzlich ins Bewusstsein. Le Pen müsste überdies, sollte sie an die Macht gelangen, erhebliche politische und verfassungsrechtliche Hürden überwinden, um ihre Anti-EU-Vorstellungen umzusetzen. Insbesondere die einige Wochen später folgende Parlamentswahl und die dort zu erwartenden Mehrheitsverhältnisse, die keinen extrem rechten Kandidaten unterstützen würden, wären für sie wohl eine politische Sackgasse.

An den Börsen wird es bei einem Wahlsieg von Le Pen sicher zu beträchtlichen Schwankungen kommen. Am stärksten wird der Euro unter einem solchen Ergebnis leiden. Gut möglich, dass er auf Parität zum US-Dollar – oder noch darunter – sinkt. Die französischen Aktienindizes wären möglicherweise weniger stark betroffen, da viele französische Unternehmen weltweit operieren. Bei französischen Staatsanleihen ist von einer spürbaren Erweiterung der Renditeaufschläge auszugehen. Dies hätte wiederum Einfluss auf die europäischen Peripheriestaaten – besonders anfällig wäre in diesem Fall Italien, das bereits mit einer Bankenkrise und einem Führungsvakuum ringt. Auf die Strategie der EZB, die quantitative Lockerung nach und nach zu reduzieren und das Volumen monatlicher Anleihekäufe zurückzufahren, dabei aber am Markt aktiv zu bleiben, hätte dies einen verheerenden Effekt. Möglicherweise würde der Abschied vom Kapitalschlüssel dann noch schneller kommen.

Dennoch: Bei einem Wahlerfolg von Le Pen sollten Anleger nicht in Panik verfallen, sondern Ruhe bewahren. Die Kapitalmärkte haben in den letzten sechs bis zwölf Monaten zahlreiche politische Überraschungen erlebt – und sich trotzdem immer wieder zügig davon erholt.

Kapitalmärkte warten auch auf EZB und England-Wahl

Unabhängig vom Wahlausgang könnte sich für Franzosen zukünftig einiges ändern. Anders als in den Niederlanden stellt sich kein amtierender Ministerpräsident zur Wiederwahl. Zudem spielen die etablierten Parteien in Frankreich nur noch eine untergeordnete Rolle. Le Pen steht für einen Euro-Austritt. Dagegen strebt Fillon weitergehende Strukturreformen, zum Beispiel eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, an, um die französische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähiger zu machen. Alle Präsidentschaftskandidaten wären jedoch machtlos, wenn sie bei den im Juni stattfindenden Parlamentswahlen nicht auch Mehrheiten erringen könnten. In diesem Fall wären kaum politische Richtungswechsel zu erwarten.

Die Situation ist offensichtlich sehr komplex. So bleibt nur, die Situation Schritt für Schritt und in Szenarien zu analysieren. Unser Basisszenario ist, dass Macron tatsächlich in der Stichwahl gegen Le Pen gewinnt. In diesem Fall dürften die Aktienmärkte zunächst beruhigt sein und könnten sich vorübergehend auf die guten fundamentalen Daten konzentrieren. Sollte jedoch Le Pen gewinnen und/oder neben ihr Mélenchon in die zweite Runde einziehen, wären zumindest zeitweilige Turbulenzen an den Börsen wahrscheinlich. Die Risikoaufschläge französischer Staatsanleihen würden sich ausweiten, der Euro abwerten und die Aktien ihren seit Herbst letzten Jahres bestehenden Höhenflug vorerst beenden.

Der weitere Verlauf hinge dann von den Reaktionen der anderen Euro-Staaten sowie insbesondere der EZB ab. Es ist davon auszugehen, dass die Notenbank im Falle größerer Turbulenzen beruhigend eingreifen würde, und sei es auch nur verbal, wie es Mario Draghi in den letzten Jahren einige Male bereits getan hat.

Ach ja, und dann kam in dieser Woche auch noch die überraschende Ankündigung von Neuwahlen in Großbritannien. Die amtierende Ministerpräsidentin Theresa May scheint die Gunst der Stunde nutzen zu wollen, um sich mit einer stärkeren innenpolitischen Machtbasis für die anstehenden Brexit-Verhandlungen ausstatten zu lassen. Dieser Urnengang findet am 8. Juni, also noch vor der französischen Parlamentswahl statt – als wäre der europäische Wahlkalender nicht schon voll genug. Die direkten Auswirkungen auf die Kapitalmärkte dürften überschaubar bleiben. Trotzdem ist dieser Schritt bemerkenswert, denn es ist vor der Wahl kaum mit konkreten Brexit-Verhandlungen zu rechnen. Die ohnehin knapp bemessene Verhandlungszeit wird also noch weniger.

Die politische Lage am Wahltag

Frankreich hat Probleme mit den selbst mitbeschlossenen EU-Vorgaben. Wegen der Wirtschaftsflaute sprengte Paris die im Euroraum vereinbarte Defizitgrenze von 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Während Brüssel auf Einhaltung der Regeln pocht, kritisiert Le Pen „Gängelei“. Zweites heißes Eisen ist die EU-Flüchtlingspolitik mit der Umverteilung von Ankömmlingen aus Italien und Griechenland. Dritter Punkt ist die Terrorgefahr im Europa der offenen Grenzen. Die subjektiv empfundene Übermacht einerseits, die Ineffizienz andererseits – EU-Skepsis hat nicht nur in Frankreich Konjunktur.

Als aussichtsreichster Kandidat gilt trotz aller Enttäuschungen und Frustrationen der europafreundliche Jungstar Macron. Doch auch der möchte im Falle eines Wahlsieges nicht willfährig gegenüber Brüssel und Berlin dastehen. Zuletzt forderte er laut dpa einen „Ausgleich“ für die hohen Handelsüberschüsse Deutschlands, die der Wirtschaft „der Eurozone schadeten“. Kämen die beiden radikalen Kandidaten Le Pen und Mélenchon wie in Umfragen zusammen auf 40 oder mehr Prozent, wäre das laut der Nachrichtenagentur auch ein Warnschuss für Brüssel. Die Botschaft der Frankreich-Wahl wird wohl in jedem Fall lauten: Die EU und die Eurozone müssen sich ändern.

Carsten Roemheld ist Kapitalmarktstratege bei Fidelity International in Deutschland.

Carsten Mumm ist Leiter der Kapitalmarktanalyse bei der Privatbank Donner & Reuschel.