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DAX: Die drei größten Brexit-Verlierer

Es ist die Stunde des Bären. Das Brexit-Beben hat am zum Wochenschluss den DAX heftig abstürzen lassen. Drei Aktien verzeichnen Verluste im deutlichen zweistelligen Prozentbereich, Finanzsektor und Industrie, Banken und Stahl sind schwer getroffen. Zwei weitere Werte kratzen an der Zehn-Prozent-Marke.

BÖRSE am Sonntag

Es ist die Stunde des Bären. Das Brexit-Beben hat am zum Wochenschluss den DAX heftig abstürzen lassen. Drei Aktien verzeichnen Verluste im deutlichen zweistelligen Prozentbereich, Finanzsektor und Industrie, Banken und Stahl sind schwer getroffen. Zwei weitere Werte kratzen an der Zehn-Prozent-Marke. Und was wird aus der Bankenhauptstadt?

Wie Wassereis in der prallen Junisonne schmelzen am Freitag die Gewinne dahin, die sich der DAX seit der vergangenen Woche erarbeitet hatte. Zwischenzeitlich steht der deutsche Leitindex bis zu zehn Prozent im Minus und fällt deutlich unter die 10.000-Punkte-Marke. Manche Analysten sprechen schon von einem „Black Friday“. Im Laufe des Nachmittags haben sich die Verluste etwas reduziert, der DAX steht mit einem Minus von rund 5,5 Prozent bei knapp 9.700 Punkten. Dennoch ist die Bilanz des Tages nach dem Brexit-Referendum für einige deutsche Großkonzerne verheerend. Wie erwartet müssen vor allem die Deutsche Bank und die Commerzbank herbe Verluste hinnehmen: 14,1 und 12,9 Prozent.

Verlierer Nr. 1: Deutsche Bank

Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau, kritisiert angesichts der herben Verluste die europäische Reform- und Geldpolitik: „Dass Großbritannien nun seinen eigenen Weg geht, spiegelt ein verbreitetes Misstrauen in das europäische Projekt wider. Dies ist wiederum eine Folge des schwachen Wirtschaftswachstums. Die Europäische Union wäre heute erfolgreicher und attraktiver für die Wähler, wenn die Reformen früher begonnen hätten und eine immer lockerere Geldpolitik es nicht so einfach gemacht hätte, schwierige Entscheidungen zu vermeiden.“

Sein Chef John Cryan erwartet jedoch nicht, „dass wir unsere Struktur oder unser Geschäftsmodell in Großbritannien kurzfristig wesentlich ändern müssen.“ Die Deutsche Bank habe ihren Hauptsitz in Deutschland und einen „sehr wichtigen Standort“ in Großbritannien und sei damit „gut dafür gerüstet, die Auswirkungen eines EU-Austritts Großbritanniens so gering wie möglich zu halten.“

Verlierer Nr. 2: Commerzbank

Der oberste Volkswirt derCommerzbank, Jörg Kramer, sagte dem Nachrichtensender n-tv: „Es kommt jetzt darauf an, ob wir eine saubere oder eine schmutzige Scheidung bekommen. Es geht vor allem darum, ob Großbritannien nach einem Verlassen der EU den Zugang zum EU-Binnenmarkt behält.“ 

Die Europäische Union solle nicht „die beleidigte Leberwurst“ spielen, so Kramer, sondern ihre wirtschaftlichen Interessen in den Mittelpunkt stellen. Doch der Brexit „stellt auch ein politisches Risiko für die EU dar. Denn das wird den Anti-EU-Parteien in vielen EU-Ländern Rückenwind geben. Die Regierungen werden noch weniger als bisher mehr Europa wagen, so dass die Probleme der Währungsunion weitgehend ungelöst bleiben.“ Die Anleger, die im Voraus des Referendums auf einen Verbleib spekuliert hatten, haben den beiden Banken jetzt jedoch das Vertrauen entzogen. Das sagen zumindest die Aktienkurse.

Verlierer Nr. 3: Thyssen-Krupp

Dritter großer Verlierer ist ThyssenKrupp mit einem Minus von rund 12,4 Prozent. Der Stahlkonzern wird wohl auch von der Nachricht belastet, dass in der vergangenen Woche eine Razzia in seiner Zentrale durchgeführt wurde. Das bestätigte am Freitag die Staatsanwaltschaft Bremen der „Rheinischen Post“. Grund für die Durchsuchungen in Essen ist der Vorwurf der Bestechung gegen das Bremer Rüstungsunternehmen Atlas Elektronik, das ein Gemeinschaftsunternehmen von ThyssenKrupp und Airbus ist. Verantwortliche des Unternehmens sollen türkische Amtsträger bestochen haben, ermittelt wird auch gegen Manager der beiden Großkonzerne.

Allianz und Volkswagen ebenfalls mit zehn Prozent Abschlag

Die Aktie des größten deutschen Versicherungskonzerns büßte im Brexit-Taumel rund 10,4 Prozent ein. Das ist interessant, weil sich die Allianz in den Tagen vor dem Referendum gezielt mit britischen Aktien eingedeckt hatte. Im Falle des „Bremain“ wäre das ein höchst gewinnbringender Zug gewesen. Durch den Brexit tritt vorderhand das Gegenteil ein. Wie und wann sich der britische Aktienmarkt erholen wird, steht in den Sternen, denn schon droht die Abspaltung Schottlands von England, was sicher auch nicht zur Erheiterung der Anleger beitragen dürfte.

Volkswagen ging mit einem Minnus von glatt zehn Prozent aus dem Freitagshandel. Fast lag die Aktie damit im Trende, denn eine ganze Reihe von DAX-Werten lag knapp unter der Zehn-Prozent-Schwelle, was die Minusvorzeichen betrifft. Bei Volkswagen dürfte eine Rolle gespielt haben, dass die Angebote zur Lösung des „Dieselgate“-Skandals zwar einen Schritt zur Lösung dieses riesigen Problemkomplexes darstellen, aber möglicherweise noch nachgebessert werden müssen. Und jedes Prozent, das auf ein Angebot für rund eine halbe Million Autokäufer hinaufgerechnet werden muss, kann in die Millairden gehen. Das VW-Papier bleibt anfällig, bleibt ein Sorgenkind der Anleger.

Gewinnt Frankfurt nun an Bedeutung?

Nur sieben DAX-Unternehmen verloren am Freitag weniger als fünf Prozent ihres Börsenwertes. Einziger Lichtblick ist Henkel, das durch eine milliardenschwere Akquisition in den USA bei den Anlegern punkten kann. Der Düsseldorfer Konsumgüterriese verstärkt sein Geschäft in Übersee mit dem Waschmittelproduzenten „The Sun Products Corporation“. Die Nachricht bringt Henkel immerhin einen fast nicht nennenswerten Abschlag von 0,3 Prozent.  Was an einem solchen Tag ein großer Sieg ist.

Wenn der Handel zu Beginn der nächsten Woche wieder einsetzt, wird sich zeigen, ob das Breit-Beben den DAX auch längerfristig destabilisiert. „Das Votum ist ein Schock und straft alle Marktteilnehmer, die bereits im Lauf der Woche auf einen Verbleib der Briten gesetzt hatten“, sagt Stefan Kreuzkamp, Chief Investment Officer der Deutschen Asset Management dem Handelsblatt. NordLB-Stratege Tobias Basse hält beim Dax einen Rutsch unter die psychologisch wichtige Marke von 9.000 Punkten in nächster Zeit für möglich. Die DZ Bank ist sogar noch pessimistischer und rechnet mit Verlusten bis in den Bereich von 8.000 bis 8.500 Punkten.

Hans-Walter Peters, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, erwartet dagegen eine rasche Beruhigung an den Finanzmärkten. Peters geht zudem davon aus, dass die Finanzplätze Kontinentaleuropas mittelfristig bei einem Austritt des Vereinigten Königreichs an Bedeutung gewinnen werden. „Auch wenn Frankfurt zu Lasten der City Marktanteile gewinnen würde, so wäre mir ein politisch geeintes Europa mit dem Vereinigten Königreich weitaus lieber“, betont der Bankenpräsident.

Marius Mestermann