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Fusions-Aus: Aktie der Deutschen Börse AG taumelt

Was für ein Rückschlag für Carsten Kengeter! Die Mega-Fusion der Deutschen Börse AG und der London Stock Exchange ist geplatzt. Der offizielle Grund war, dass die Londoner dem Verkauf der wichtigen italienischen Konzerntochter MTS nicht zustimmen wollten, dies war, sozusagen als Morgengabe, aus Brüssel gefordert worden. Die im DAX gelistete Aktie Börsen-Aktie sackt unter die 80-Euro-Marke, und Anleger dürften noch mehr Unbill mit dem Papier erleben. Was war der wirkliche Grund für das Fusions-Aus?

BÖRSE am Sonntag

Was für ein Rückschlag für Carsten Kengeter! Die Mega-Fusion der Deutschen Börse AG und der London Stock Exchange ist geplatzt. Der offizielle Grund war, dass die Londoner dem Verkauf der wichtigen italienischen Konzerntochter MTS nicht zustimmen wollten, dies war, sozusagen als Morgengabe, aus Brüssel gefordert worden. Die im DAX gelistete Aktie Börsen-Aktie sackt unter die 80-Euro-Marke, und Anleger dürften noch mehr Unbill mit dem Papier erleben. Was war der wirkliche Grund für das Fusions-Aus?

Die London Stock Exchange (LSE) möchte sich sich nicht von der italienischen Anleihen-Handelsplattform MTS trennen. Am Rosenmontag, mittags 12 Uhr, lief die unsinnige Frist für den Verkauf ab: ein Karnevalsscherz. Das Handelsblatt kalauerte: „High Noon wie im Italo-Western.“ Damit dürfte die EU-Kommission den Mega-Fusions-Börsen-Deal untersagen – und Django kann mit seinem Sarg kommen. Bekanntermaßen führt in den wohl bekanntesten Italo-Western, es ist eine ganze Serie, der Hauptdarsteller immer einen Sarg mit sich. Aus dem er am Ende des Filmes regelmäßig – Überraschung! – ein Maschinnegewehr holt, mit dem er die Rothäute und Böslinge der Leinwand kurz und blutig wegputzt.

Kurz und blutig – so ist auch das Ende der bis gestern noch aktuellen Fusionspläne der Frankfurter und der Londoner Börse, im übertragenen Sinne selbstredend. Börsenchef Carsten Kengeter ist vom strahlenden Helden immer mehr in die Rolle des unter Druck stehenden Cowboys geraten. Denn er hielt eisern an der Vereinbarung fest, dass der Firmensitz in London sein solle. Darin war er sich mit den gewünschten Partnern von der LSE ganz einig, obwohl sich früh abzeichnete, dass die hessische Börsenaufsicht den Deal in der geplanten Form nicht genehmigen würde. Dass die Staatsanwaltschaft dann auch noch wegen umstrittener Aktienkäufe gegen Kengeter ermittelte, brachte ihn noch stärker in die Defensive. Dazu muss freilich bemerkt werden, das seine Argumentation gegen die ermittelnden Staatsanwälte plausibel klingt und nicht widerlegt ist.

Der Brexit war die goldene Kugel

Doch um die Unschuld von Carsten Kengeter, die vermutet werden darf, ging es längst nicht mehr. Der Brexit, den keiner erwartet hatte, war vielmehr das entscheidende Thema. Und der Fusionsvertrag war ganz klar erkennbar gestrickt worden, ohne diese Entwicklung zu berücksichtigen. Es war ein klassischer Deal: Börsenchef sollte Kengeter werden, dafür sollte der Rechtssitz nach London gehen. Seit der Brexit-Entscheidung war dieser Passus nicht mehr zu halten, seit langem ist dies eigentlich klar. Denn damit hätte der Sitz der europäischen Mega-Börse bereits in wenigen Jahren außerhalb der EU gelegen. Ganz abgesehen vom Kontrollverlust, der in Brüssel immer gefürchtet wird, hätten damit auch die millionenschweren Einsparungen, die beide Börsen ihren Fusionspartnern versprochen hatten, auf der Kippe gestanden.

Die Deutsche Börse AG und die LSE wollten eigentlich einen europäischen Champion schmieden, der es mit der Konkurrenz aus den USA aufnehmen kann. Das war das Ausgangsszenario, und nach der Wahl Donald Trumps hätte diese Überlegung eigentlich viele neue Freunde finden können. Doch der Brexit, die Ermittlungen gegen Kengeter und schließlich die hessische Börsenaufsicht standen diesseits des Ärmelkanals dagegen. Jenseits der Meerenge war nun das Maß einfach voll, und der Brexit als Goldene Kugel saß der Börsenfusion sozusagen schon zwischen den Rippen. Der geforderte Verkauf der französischen Tochter Clearnet war von den LSE-Verantwortlichen nur zähneknirschend akzeptiert worden, der Firmensitz London war spätestens seitdem überhaupt nicht mehr verhandelbar. Und der zusätzlich geforderte Verkauf des Italien-Geschäfts bedeutete nun das jähe Ende.

Was wird aus der Börsen-Aktie?

Kengeter kann den Brüsseler Sheriffs fast noch dankbar sein, dass sie die Londoner zwangen, das Maschinengewehr aus dem Sarg holten und die ohnehin notleidende Fusion mit einer MG-Garbe wegfegten. Wäre das nicht geschehen: der Fangschuss wäre aus Frankfurt gekommen. Trotzdem haben Knallerei und Pulverdampf die Anleger gründlich verschreckt. Die Aktie der Deutschen Börse knickte um fünf Prozent ein und erholte sich davon auch nicht wirklich; zeitweilig notierte die Aktie wieder knapp über 80 Euro. Die Aussichten für das Papier sind nun aber nicht mehr die besten, denn die Phantasie ist nach diesem Misserfolg verflogen.

Die hessische Landesregierung will sich derzeit nicht zum Ende der geplanten Mega-Fusion äußern. Erst müsse verbindliche die Entscheidung aus Brüssel abgewartet werden, erklärte Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) nach Angaben eines Regierungssprechers. Für die hessischen Abläufe ändere das also nichts, und auch der für die Börsenaufsicht zuständige hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, ein Grüner, wollte die jüngste Entwicklung nicht kommentieren. Aber es ja auch alles gesagt: „Angesichts der bisherigen Haltung der Kommission geht die London Stock Exchange Group nicht davon aus, dass die Kommission die Fusion genehmigen wird“, teilte die Londoner Börse mit. Klarer geht es nicht.

Die EU-Kommission will zwar bis zum 3. April eine Entscheidung fällen, aber High Noon ist bereits vorbei. Auch ohne die LSE wird sich das deutsche Börsenpapier kurz- und mittelfristig indes behaupten, da sind sich Analysten und Beobachter einig. Die langfristige Perspektive ist es, die eingetrübt ist. Denn gegen die deutlich stärker aufgestellte US-Konkurrenz werden weder die LSE noch die Deutsche Börse AG auf Dauer bestehen können. Der Rosenmontag 2017 ist, so gesehen, kein guter Tag für den Börsenstandort Frankfurt – und damit für den Standort Deutschland. sig