Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Unternehmen >

Der große, große Apfel

Die Elektronikbranche boomt. Die Hersteller stellen immer neue Anwendungen vor. Doch so viele Produkte auch in den Entwicklungsabteilungen entwickelt werden und teils durchaus auch in die Läden kommen – nach wie vor scheint es eine einzige Firma zu sein, die den Takt angibt. Auch dann, wenn sie nichts tut. Die Branche paßt sich nach wie vor dem Herzschlag von Apple an. Doch nun soll die iWatch vorgestellt werden – wohl schon nächsten Dienstag.

BÖRSE am Sonntag

Die Elektronikbranche boomt. Die Hersteller stellen immer neue Anwendungen vor. Doch so viele Produkte auch in den Entwicklungsabteilungen entwickelt werden und teils durchaus auch in die Läden kommen – nach wie vor scheint es eine einzige Firma zu sein, die den Takt angibt. Auch dann, wenn sie nichts tut. Die Branche paßt sich nach wie vor dem Herzschlag von Apple an. Doch nun soll die iWatch vorgestellt werden – wohl schon nächsten Dienstag.

In der Branche gibt es Neuigkeiten über Neuigkeiten. LG bietet – früher als Apple mit seiner iWatch eine Uhr an, die nicht nur Schritte zählt, sondern auch den Puls misst. Sony integriert in sein neues Modell GPS, sodass es den Nutzer lotsen kann. Bei beiden ist im Hintergrund Android im Einsatz: Google hat sein Betriebssystem extra für die kleinen Bildschirme optimiert. Samsung experimentiert ebenfalls wie wild – innerhalb von zwölf Monaten hat der Konzern sechs Modelle vorgestellt. „Wir lernen mit jedem Produkt, das wir herausbringen“, sagt der Samsung-Manager Jean-Daniel Ayme, der das Europageschäft mit mobilen Geräten verantwortet. So habe man festgestellt, dass Verbraucher die Uhr unabhängig nutzen wollen, also nicht nur im Zusammenspiel mit dem Smartphone. Die jetzt vorgestellte Gear S kann daher über eine Mobilfunkverbindung auch autonom Daten funken. Doch die Frage bleibt: was ist all dies wert, wenn die iWatch erst da ist?

Generell geht es bei den neuen smarten Uhren um ein interessantes Experiment. Die Versuchsanordnung: Wie kann man einen Computer auf die Größe einer Uhr schrumpfen? Und wie lassen sich trotz dieser schmalen Maße viele nützliche Funktionen einbauen – bei einem modischen Design? Und eben dieses Design ist es vielleicht, das den Unterschied macht. Falls es auch nur um ein Iota nders ist als bei der Leitmarke mit ihren „i“-Produkten, möchte niemand im Abseits stehen.
Das Labor ist die Ifa: Auf der weltgrößten Elektronikmesse präsentieren zahlreiche Hersteller Smartwatches. Samsung und Sony, LG und Asus wollen einen neuen Markt schaffen, bevor Apple es tut – der „i“-Konzern, bei der Konkurrenz mit seinem Gespür für massentaugliche Produkte gefürchtet, wird wohl in der kommenden Woche ein ähnliches Gadget vorstellen. Ob die Verbraucher sich begeistern lassen, ist allerdings längst nicht ausgemacht. Bis vor wenigen Jahren waren Telefone und Computer in der Größe einer Armbanduhr nur Fiktion – „Knight Rider“ lässt grüßen. Doch die Chips werden immer kleiner, leistungsfähiger und billiger. Damit werden Geräte wie Smartwatches technisch möglich und erschwinglich.

Die meisten Produkte, die es bislang zu kaufen gibt, haben noch eklatante Schwächen: hakelige Bedienung, kurze Akkulaufzeit, klobiges Design. „Wir sind noch in der Steinzeit der tragbaren Elektronik“, sagt Ben Wood, Analyst beim britischen Marktforscher CCS Insights. „Firmen wie Samsung und LG versuchen verzweifelt herauszufinden, wie das beste Design und die besten Nutzungsszenarien aussehen.“ Dass fast im Monatsrhythmus neue Modelle auf den Markt kommen, sieht der Experte als eine Strategie: Versuch und Irrtum.
Mit den intelligenten Uhren ist es wie vor einigen Jahren mit den Tablets: Der große Nutzen wird nicht recht deutlich. Es ist vielleicht praktisch, bei neuen E-Mails oder Anrufen eine diskrete Mitteilung aufs Handgelenk geschickt zu bekommen – aber es geht auch ohne. Der Smartphone-Marktführer will auch bei Smartwatches die Nummer 1 werden – und nutzt dafür sein riesiges Budget für Forschung und Entwicklung. „Dieses Engagement ist bemerkenswert“, sagt CCS-Analyst Wood. Nur wenige andere Unternehmen hätten überhaupt die Ressourcen, in diesem Tempo neue Produkte zu entwickeln. Das Ziel: „Samsung will sich als Marktführer bei Wearable Technology etablieren und möglichst viel lernen, bevor Apple ein Gerät enthüllt.“

Doch eine Uhr ist nicht nur ein Stück Technik, sie ist ebenso Schmuck. Das beherzigen die Smartwatch-Hersteller bisher indes kaum, die meisten Geräte haben klobige, viereckige Gehäuse und Plastikarmbänder. „Eines ist sicher: Die Geräte müssen schicker werden, damit sie normale Verbraucher ansprechen“, sagt Analyst Ben Wood.

Die Unternehmen haben das Problem erkannt. Inzwischen gibt es erste Modelle mit rundem Gehäuse und gebogenem Display. Sony lässt die Modedesigner von Barbour, Roxy und Ted Baker eigenen Editionen gestalten. Die Zenwatch von Asus hat Stahlgehäuse und Lederriemen. Motorola nutzt bei seinem Moto 360 ein rundes Design, das tatsächlich an eine Uhr erinnert. Und Samsung will ein funkelndes Armband von Swarovski anbieten.

Eines können auch die Modeexperten nicht ändern: Die Gehäuse sind nach wie vor dick und wuchtig, damit all die Elektronik hineinpasst. Eine Lösung hat noch keiner gefunden. „Vielleicht wollen die Leute in fünf Jahren größere Uhren – am Anfang fanden viele auch die großen Smartphones gewöhnungsbedürftig“, sagt Samsung-Manager Ayme dazu nur. Das Experimentieren geht also weiter. Alle Blick gehen dabei nach Cupertino: Ob Apple nächste Woche eine smarte iWatch auf den Markt bringt, ist nicht öffentlich bekannt. Beobachter rechnen aber in der kommenden Woche fest mit der Präsentation eines tragbaren Gerätes – als Termin wird der Dienstag gehandelt.