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Boeing auf Weltraummission

Die Spannungen zwischen Osten und Westen sind so groß wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Russische Firmen gelten für westliche Unternehmungen dieser Tage nicht als besonders verlässlicher Geschäftspartner. Aus diesem Konflikt ergeben sich aber auch Chancen. Boeing kann eine solche nun nutzen.

BÖRSE am Sonntag

Die Spannungen zwischen Osten und Westen sind so groß wie seit dem Kalten Krieg nicht mehr. Russische Firmen gelten für westliche Unternehmungen dieser Tage nicht als besonders verlässlicher Geschäftspartner. Aus diesem Konflikt ergeben sich aber auch Chancen. Boeing kann eine solche nun nutzen.

Seit 2011 schickt die NASA keine eigenen Space-Shuttles mehr ins All. Nach 30 Jahren voller Triumphen  und Tragödien amerikanischer Raumfahrt wurde es plötzlich ruhig am Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida. US-Präsident Barack Obama musste sparen und dementsprechend konnten sich die USA die kostspieligen Prestige-Projekte nicht mehr leisten. In der Zwischenzeit waren aber elf US-amerikanische Astronauten auf verschiedenen Missionen – die Meisten an der Internationalen Raumstation beschäftigt – im All unterwegs. Befördert wurden sie  durch russische Sojus-Raketen, pro Flug kostete dies die Amerikaner rund 50 Millionen Euro. Derart hohe Preise möchten die USA in Zukunft nicht mehr an Russland zahlen müssen. Und da eine Kooperation mit den chinesischen Raumfahrern von CNSA derzeit undenkbar ist, steigt die NASA wieder ins US-amerikanische do-it-yourself-Geschäft ein.

Mit zwei amerikanischen Unternehmen sollen Space-Shuttle-Nachfolger gebaut werden, die schon 2017 in den Orbit fliegen sollen. Boeing erhält als Traditionspartner einen Auftrag im Volumen von 4,2 Milliarden US-Dollar. Das vergleichsweise junge Unternehmen SpaceX des Tesla-Gründers Elon Musk darf immerhin für 2,6 Milliarden US-Dollar am Transporter „Dragon“ forschen und produzieren. Zunächst geht es um zwei bis sechs Flüge, die die Nasa ab 2017 durchführen möchte. Folgeaufträge sind aber nicht unwahrscheinlich und die Vorfreude von Boeing auf dieses Projekt daher denkbar groß. Der CEO James McNerney kündigte an „verlässliche und kosteneffektive Raketen“ bauen zu wollen. Die Emanzipation von Russland ist für Amerikaner auch eine Ehrensache: „Die bedeutendste Nation der Welt sollte bei der Raumfahrt nicht auf irgendein anderes Land angewiesen sein“, sagte der Patriot und NASA-Chef Charles Bolden in dieser Woche. Es geht ihm um Amerika.

Ein kleiner Schritt für Amerika, ein großer für Boeing

Boeing ist als multinationaler Konzern zwar an geopolitischen Konflikten wenig interessiert, freut sich aber über diesen Großauftrag, der nicht zuletzt durch die Ukraine-Krise bedingt ist. Die größte russische Fluggesellschaft Aeroflot fliegt übrigens auch mit 15 Boeing-Maschinen durch die Welt. 28 weitere Boeing-Flieger sind bereits bestellt. Die Kontakte des amerikanischen Luftfahrtunternehmens nach Russland sind gut; die Aufträge bringen Boeing Beträge in Milliardenhöhe. Boeing selbst könnte die Zukunft der Luftfahrtindustrie kaum rosiger malen. Der Markt sei stark und stabil, sagte Randy Tinseth, Vizepräsident der Marketingabteilung von Boeing. Für die nächsten 20 Jahre prognostiziert der Konzern eine Steigerung der Nachfrage um 4,2 Prozent. Demnach könnte Boeing 36.770 Flugzeuge bauen. Der amerikanische Konzern publiziert jährlich Zahlen und Zukunftsaussichten. In diesem Sommer stellte das Unternehmen mit Sitz in Chicago besonders die Single-Aisle-Flugzeuge (Maschinen mit nur einem Gang) in den Vordergrund. Momentan sei der Markt für Großraumjets annähernd gesättigt. Hohe Flexibilität im Streckennetz und Kosteneffizienz würden für die hohe Nachfrage an mittelgroßen Flugzeugen sprechen, erklärte Boeing.

Die berüchtigten Dreamliner, Boeings 787er Reihe, fallen nicht unter diese Kategorie. Dafür fällt er aber mal wieder negativ auf. In seinen neun Jahren als CEO musste McNerney schon einige Turbulenzen miterleben. Der Dreamliner war lange ein Albtraum für den Konzern, hatte sich in den letzten Jahren aber von seinem schlechten Image befreit. Nun ist er unverhofft wieder in die Schlagzeilen gekommen. Der arabische Nachrichtensender Al Jazeera schickte kürzlich einen Undercover-Reporter mit versteckter Kamera in das Boeing-Werk in South Carolina und machte erschreckende Aufnahmen. Die Vorwürfe an den Flugzeugbauer sind hart: „Sie verkürzen die Entwicklungsphase und Forschung, um Zeitpläne einzuhalten“, erzählt eine ehemalige Mitarbeiterin. „Ich würde nicht mit einem solchen Flugzeug fliegen. Denn ich sehe täglich wie niedrig die Qualität hier ist“, erzählt ein derzeit Beschäftigter dem Journalisten ganz unverblümt. Und damit bleibt er nicht der einzige in dem Video.

Den Vorwurf die Qualität für die schnellere Erfüllung von Lieferterminen aufs Spiel zu setzen, lässt der Konzern nicht auf sich sitzen und antwortet in einem Statement, dass die Berichterstattung sehr „einseitig und voreingenommen“ sei. Natürlich achte man beim Dreamliner auf höchste Qualitäts- und Sicherheitsstufen, teilte Boeing mit. Vor drei Jahren brachte der Dreamliner den Flugzeugbauer wegen verschiedener Vorfälle in die Presse. Stark verspätete Auslieferung waren ein Problem, brennende Batterien ein noch größeres. Trotzdem lobte Barack Obama vor zwei Jahren den Konzern, der zu den 30 größten US-Unternehmen gehört, und nannte den Dreamliner „Flugzeug der Zukunft“.

Wie sich die Zukunft des Aktienkurses gestalten wird, bleibt offen. Auf die angekündigten Weltraum-Aktionen reagierte das Papier sehr positiv. Am Ende der Woche knackte die Boeing-Aktie sogar die magische 100-Euro-Marke. Beim Blick auf die Trendlinie für das vergangene Jahr, ist momentan eher eine waagrechte Entwicklung zu erwarten. „Die Reiseflughöhe ist erreicht“, kommentierte ein New Yorker Broker. Im letzten Monat legte das Wertpapier jedoch um rund 10 Prozentpunkte zu. Andere Analysten trauen der Boeing-Aktie auch eine Fortführung dieser starken Performance in den kommenden Wochen zu.

Fazit

Der amerikanische Stolz und steigende Kosten bringen die USA wieder zurück zum Space-Shuttle-Bau. Nach drei Jahren Ruhe in Cape Canaveral sollen schon 2017 wieder Astronauten in amerikanischen Raumfähren ins All fliegen. Die Abhängigkeit von Russland soll damit beendet werden. Boeing hat zusammen mit SpaceX einen Milliardenauftrag bekommen. Dies und die erfreulichen Verkaufszahlen beflügelten Boeing und seinen Aktienkurs in den vergangenen Wochen. Die Orderbücher sind voll im Hauptquartier in Chicago. Zuweilen könnte darunter aber die Qualität leiden, warnen Whistleblower. Mal wieder stehen die Dreamliner-Modelle in der Kritik. Es gibt kein Zurücklehnen in der schnelllebigen Luft- und Raumfahrtbranche.