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Linde knickt im Fusionswirbel ein

Es sollte der große Sprung zurück an die Weltspitze sein: Der Münchner Industriegashersteller Linde verhandelte mit dem US-Konzern Praxair über eine Fusion. Jetzt sind die Gespräche überraschend gescheitert, die Linde-Aktie stürzt ab. Und es könnte weitere Konsequenzen geben.

BÖRSE am Sonntag

Es sollte der große Sprung zurück an die Weltspitze sein: Der Münchner Industriegashersteller Linde verhandelte mit dem US-Konzern Praxair über eine Fusion. Jetzt sind die Gespräche überraschend gescheitert - und die Linde-Aktie erlebt einen schweren Absturz. 

An einem dunkelgrauen Tag für den deutschen Leitindex sieht die alte Linde besonders kümmerlich aus. Die Aktie des Industriegaskonzerns stürzt schwer um 7,3 Prozent und belegt den vorletzten Platz im DAX, unterboten nur von E.ON. Die Münchner hatten am Montag überraschend bekanntgegeben, dass die Fusionsgespräche mit dem US-Konzern Praxair vorzeitig beendet wurden. So richtig hatte damit wohl niemand gerechnet, obwohl die Verhandlungen von vornherein als schwierig galten. Das „Manager Magazin“ zitiert dazu einen Insider: „Eine Fusion unter Gleichen ist generell schwierig einzufädeln, daher bestand ohnehin ein Risiko des Scheiterns. Die Gespräche sind definitiv vorbei.“

In einer Mitteilung des Industriegasherstellers heißt es zum Abbruch der Gespräche: „Während die strategische Sinnhaftigkeit einer Fusion grundsätzlich bestätigt wurde, hat sich bei der Erörterung von Detailfragen insbesondere der Governance gezeigt, dass keine übereinstimmende Auffassung erzielt werden konnte.“ Die Entscheidung sei auf Empfehlung der Anteilseignervertreter im Aufsichtsrat des Konzerns in inhaltlicher Übereinstimmung mit CEO Wolfgang Büchele gefallen. Dieser sträubte sich laut einem weiteren Insider dagegen, dass der Linde-Standort München „nur noch eine marginale Rolle gespielt“ hätte. Diese Haltung vertrat auch die bayerische Staatsregierung. Uneinig waren sich die Chefetagen der beiden Konzerne offenbar auch bei der Struktur des fusionierten Unternehmens. 

Keine Alternativen: Ende der Fahnenstange?

Einen Plan B gibt es für Linde nicht. Die Experten der Investmentbank Liberum bestätigen der Nachrichtenagentur Reuters zufolge, dass ein Zusammenschluss von Linde einem anderen US-Unternehmen namens Air Products an Kartellbestimmungen scheitern würde, zudem müsse Linde-Konkurrent Air Liquide aus Frankreich erst noch den Kauf von Airgas verarbeiten. Damit müssen sich die Münchner über kurz oder lang mit dem zweiten Platz auf dem Weltmarkt für Industriegase zufriedengeben. Die Pole Position hatte Linde erst Ende 2015 verloren, nachdem Air Liquide den 13,4 Milliarden-Dollar Deal mit Airbags bekanntgab. Die Franzosen bringen eine Marktkapitalisierung von gut 33 Milliarden Euro auf’s Parkett, Linde liegt bei rund 27,6 Milliarden. 

Obwohl der ehemalige Weltmarktführer aus Deutschland mit knapp 18 Milliarden Euro eine deutlich höheren Umsatz vorweisen kann als der Fusionskandidat Pragair mit umgerechnet 9,6 Milliarden, sind die US-Amerikaner deutlich profitabler. 2015 erzielte Linde einen Gewinn von 1,15 Milliarden Euro, Praxair hingegen erreichte über 1,5 Milliarden. Daher ist der Konzern aus Connecticut auch an der Börse höher bewertet als Linde. Doch alle Zahlenspiele der vergangenen Wochen sind nun überflüssig, die Fusion ist geplatzt. Der große Knall vom Montag könnte auch personelle Konsequenzen haben: Laut den Liberum-Experten ist nicht auszuschließen, dass entweder CEO Büchele oder Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle nun den Hut zieht. 

Analysten einig: Verkaufen ist keine Option

Reitzle war selbst lange Vorstandsvorsitzender des Industriegasspezialisten und gilt weiterhin als der starke Mann im Konzern. Das hatte zu Spannungen mit Wolfgang Büchele geführt, die nun womöglich eskalieren. Das Einknicken der Linde-Aktien ist zunächst einmal ein Schock, der Kurs rutschte von fast 149 Euro auf nur noch gut 138 Euro ab. Anleger mit ein wenig Risikobereitschaft könnten hier jedoch einen Glücksgriff machen: Vier von fünf am Montag veröffentlichten Aktienanalysen sehen das Papier auf einem höheren Wert, drei davon deutlich. Besonders optimistisch ist Markus Mayer von der Baader Bank, der bei einem Kursziel von 172 Euro zum Kauf rät. Bei der britischen Investmentbank Barclays hält Sebastian Satz eine Steigerung auf 150 Euro für realistisch und belässt Linde auf „Overweight“. 

Analyst Thomas Wrigglesworth von der US-Bank Citigroup sieht zwar auch Aufwärtspotenzial bis 156 Euro, bewertet die Aktie allerdings nur mit „Neutral“. Am unteren Ende der Skala positioniert sich Thorsten Strauß von der NordLB mit einem reduzierten Kursziel von 140 Euro und der Bewertung „Halten“. Ähnlich lautet die Einschätzung von der DZ Bank - Analyst Peter Spengler stuft das Papier zwar von „Verkaufen“ auf „Halten“ hoch, belässt den fairen Wert aber bei 139 Euro. Glaubt man den Optimisten aus dieser heterogenen Gruppe, so lässt sich mit der Linde-Aktie einiges an Geld verdienen. Auch wenn der Konsolidierungstrend in der Branche nun gebrochen ist, sehen einige Analysten deutliches Potenzial. Die Linde mag zwar nun alleine stehen, Früchte tragen könnte sie trotzdem reichlich. 

Marius Mestermann