Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Unternehmen >

Facebook-Skandal: ganze Branche in Bedrängnis

Hat Cambridge Analytica mit Hilfe von Facebook unerlaubt Millionen Nutzerdaten ausgewertet und damit Donald Trumps Wahlkampf unterstützt? Facebook-Gründer Mark Zuckerberg tauchte zunächst ab, zeigte sich dann aber kleinlaut und versprach Aufklärung. Anleger jedoch sind verunsichert. An der Börse rutscht der Kurs gefährlich weit ab. Und zieht andere Schwergewichte der Branche mit. Die Angst vor Milliardenstrafen und mehr Regulierung wächst.

BÖRSE am Sonntag

Hat Cambridge Analytica mit Hilfe von Facebook unerlaubt Millionen Nutzerdaten ausgewertet und damit Donald Trumps Wahlkampf unterstützt? Facebook-Gründer Mark Zuckerberg tauchte zunächst ab, zeigte sich dann aber kleinlaut und versprach Aufklärung. Anleger jedoch sind verunsichert. An der Börse rutscht der Kurs gefährlich weit ab. Und zieht andere Schwergewichte der Branche mit. Die Angst vor Milliardenstrafen und mehr Regulierung wächst.

Über eine mindestens mangelhafte Krisenkommunikation des größten sozialen Netzwerks der Welt wurde in politischen wie gesellschaftlichen Kreisen schon oft diskutiert. Wirklich nennenswerte Stellungnahmen von Gründer und Chef Mark Zuckerberg gab es bezüglich all der Anschuldigungen mit Blick auf den Umgang oder sogar die Veruntreuung von Nutzerdaten nie. Es scheint bald so, als hätte er in puncto Krisenmanagement Einzelstunden bei der deutschen Bundeskanzlerin genommen. Schweigen. Aussitzen. Weitermachen. Das war und ist bis heute ein recht erfolgreiches Mittel Angela Merkels mit Blick auf die eigene Machterhaltung.

Um jene musste sich Zuckerberg bislang nun wirklich keine Gedanken machen. Zuckerberg ist Facebook. Und umgekehrt. Und beide waren bis dato nur eines: erfolgreich. Sowohl, was Umsatz, Gewinn und Nutzerzahlen betrifft, wie auch die Entwicklung an der Börse. Seit dem Weg aufs Parkett 2012 ist der Kurs der Aktie um 600 Prozent gestiegen. Und hat dabei einen Chart auf die Anzeigetafel gezaubert, der sich so wunderbar stetig nach oben bewegte, dass es schon bald unheimlich wurde. Wenn überhaupt, ging es einmal im Zuge allgemeiner Marktschwächen ein Stück nach unten, ansonsten stieg das Papier so sicher gen Norden, wie kaum ein anderes.

Umso mehr dürften Anleger und Aktionäre nun die Verluste in dieser Woche verunsichert haben. Innerhalb von fünf Tagen fiel der Facebook-Kurs um elf Prozent auf 164 US-Dollar. 50 Milliarden US-Dollar Börsenwert wurden damit in einer einzigen Handelswoche vernichtet. Und hauptsächlich daran schuld sind mal wieder eine Krise und deren Kommunikation nach außen. Diesmal nämlich wiegen die Anschuldigungen so schwer, dass nicht zuletzt Teile der US-Regierung Zuckerberg dazu aufforderten „klar Tisch“ zu machen. Auch die EU zeigte sich erbost. Und dass mit Alex Stamos der Chief Information Security Officer – halb freiwillig, halb unfreiwillig – und offensichtlich im Streit den Konzern verlässt, da er wohl mit Facebooks Desinformationsstrategie nicht einverstanden war, verspricht kaum weniger Klärungsbedarf.

50 Millionen Datensätze!

Grund für all die Aufregung sind erneute Berichte über die Beeinflussung des US-Wahlkampfes mithilfe von Facebook-Nutzerdaten. Schon vor längerem war das soziale Netzwerk mit Vorwürfen konfrontiert worden, man hätte nichts dagegen unternommen, dass – wohl aus Russland – über speziell forcierte Nachrichten auf der Social-Network-Plattform aktiv Einfluss auf die Wahl genommen wurde. Nun sickerte durch, dass die Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica wohl private Informationen von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern ausgewertet hat und anschließend mit den daraus gewonnen Ergebnissen Donald Trumps Wahlkampf unterstützt hat. Das Unternehmen mit Sitz in Großbritannien wies die Anschuldigungen zurück. Facebook gestand immerhin ein, dass das Unternehmen, wie auch einige Wissenschaftler, gegen die Datenschutz-Auflagen verstoßen hätten. Und zum Ende der Woche brach dann auch Zuckerberg in einem Interview mit CNN  sein Schweigen: „Es tut mir wirklich leid, was passiert ist“, sagte er. Man bedauere sehr, den Vorgang nicht früher untersucht zu haben.

Nun jedenfalls, werden sie wohl mehr als sorgfältig untersucht werden. Und an Facebook selbst wird es liegen, wie gut man aus dieser ersten wirklichen Krise wieder herauskommt. Das Netzwerk ist nach wie vor hochprofitabel, mit Instagram und WhatsApp gehören zwei weitere sehr erfolgreiche Applikationen zu Zuckerbergs Imperium, die hunderte von Millionen Nutzer besitzen. Genug Barmittel für Zukäufe sind zudem vorhanden.

Doch diese jüngste Spitze eines sich nun schon seit Monaten auftürmenden Skandal-Eisbergs dürfte Facebook erst einmal zu schaffen machen. Und nicht nur Facebook. Die gefährlichen Spielchen mit Millionen bis Milliarden Nutzerdaten bringen die gesamte (US)-Tech-Branche in Bedrängnis, brocken ihr wohl einen herben Vertrauensverlust ein und könnten ihr deutlich mehr politische Regulierung aufhalsen. Capital Innovations-Experte Michael Underhill rechnet mit Blick auf die Aktien der Konzerne mit deutlich zunehmendem „Verkaufsdruck“. Alle Firmen nutzten Daten in verschiedenster Art und Weise für ihr Geschäft, sie würden nun viel starker beobachtet, was ihre Sammlung und Nutzung von Daten anbelange, warnt Shawn Cruz vom Brokerhaus TD Ameritrade.

Wird nun eine ganze Branche reguliert?

Änderungen bei Werbung und Inhalt könnten kommen, sollte es Facebook nicht gelingen, Nutzer und Behörden zu beruhigen, sagte GBH Insights-Analyst Daniel Ives gegenüber Bloomberg. Erst vor kurzem wurde Facebook per Gerichtsentscheid verboten persönliche Daten deutscher WhatsApp-User zu nutzen. Mehr Regulierungen dieser Art könnten nun kommen. Und so fiel nicht nur das Facebook-Papier deutlich, auch die Aktie von Alphabet verlor zum Wochenstart mehr als drei Prozent. Die Anteilsscheine von Amazon und Apple gaben ebenfalls leicht nach. Allerdings war auch das Marktumfeld recht schwach.

Dennoch: Die Sorgen vor steigendem politischem Regulierungsdruck und der erneute Vertrauensverlust unter den eigenen Nutzern, könnten die Papiere der Silicon-Valley-Stars noch hart treffen. Schließlich unterliegen sie nach wie vor hohen Bewertungen. Und da sich die Märkte zunehmend volatiler präsentieren, könnten einige Anleger erst einmal ihre Gewinne sichern. Alles in allem dürften Konzerne wie Alphabet, Apple oder eben Facebook aber auch weiterhin Gewinnmaschinen bleiben. Noch sind sie schließlich „nur“ in Bedrängnis. Die Alarmglocken dürften in den Vorstandsetagen aber schrillen. Die Zeiten der politischen und gesellschaftlichen Unantastbarkeit scheinen vorbei zu sein. Oliver Götz