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Kippt Hessen Kengeters Börsen-Megafusion?

Die Börsenaufseher im hessischen Wirtschaftsministerium, das für die Deutsche Börse AG zuständig ist, sind spätestens seit dem Brexit-Votum alarmiert. Der Hauptsitz der neuen Megabörse, die zusammen mit der LSE geplant ist, soll London sein. Nach dem Austritt der Briten aus der EU säße damit das Management des deutschen Handelsmarkts außerhalb des von ihnen kontrollierbaren Bereichs. Wird dies der Todesstoß für Kengeters Pläne sein?

BÖRSE am Sonntag

Die Börsenaufseher im hessischen Wirtschaftsministerium, das für die Deutsche Börse AG zuständig ist, sind spätestens seit dem Brexit-Votum alarmiert. Der Hauptsitz der Megabörse, die aus Deutscher Börse und LSE entstehen soll, wird London sein. Nach dem Austritt der Briten aus der EU säße damit das Management des deutschen Handelsmarkts außerhalb des von ihnen kontrollierbaren Bereichs. Wird dies der Todesstoß für Kengeters Pläne sein?

Die Deutsche Börse AG hat ihre vorläufigen Geschäftszahlen für 2016 veröffentlicht. Die sind gut, doch das ist fast schon eine Nebensache.Die Frage, ob eine Börsen-Megafusion auch mit einem späteren Hauptsitz in London stattfinden kann, erscheint offener denn je. Für Kengeter kommen dabei die Einschläge immer näher. Hessens Finanzminister Thomas Schäfer, CDU, gab nun einen ungewöhnlich deutlichen Hinweis. Er riet der Deutschen Börse ganz unverblümt, sich in dieser Sitzfrage zu bewegen: „Solche Strukturentscheidungen sind auf lange Sicht wichtiger als die Besetzung von Spitzenpositionen.“

Spannend bleibt, inwieweit die Vorwürfe des Insiderhandels sich erhärten lassen oder ob sie, wie Kengeter stets betont, haltlos sind. Es wäre keine Überraschung und keine Neuigkeit, wenn zur Verhinderung einer Fusion auch der Staatsanwalt eingeschaltet würde – wobei es bisher keine Hinweise darauf gibt, wohin in diesem fall die Reise geht. „Ich bin sicher, dass sich die Vorwürfe nach eingehender Prüfung als unbegründet erweisen werden“, sagte Kengeter. Falls er diese Position aufgeben muss, haben die Gegner des Börsenumzugs nach London ein starkes argument in der Hand.

Wie die BÖRSE am Sonntag bereits am 1. Februar berichtete, hat Carsten Kengeter am 14. Dezember 2015 und damit rund neun Wochen, bevor er die Fusionsgespräche der Deutschen Börse AG mit der London Stock Exchange bekanntgab, für 4,5 Millionen Euro Aktien des eigenen Hauses erworben. Nun prüft die Staatsnwaltschaft, ob es sich um ein Insidergeschäft handelt. Ob also Kengeter im Dezember 2015 schon hausintern den start der Fusionsgespräche vorbereitete. Zu diesem Zweck wurde Ende Januar die Zentrale der Deutschen Börse in Eschborn bei Frankfurt durchsucht. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) ermittelt schon länger in diesem Fall.

Kengeter hat Rückendeckung

„Die Vorwürfe sind haltlos“, beteuerte schon Anfang Februar auch Aufsichtsratschef Joachim Faber im Handelsblatt. „Carsten Kengeter hat seinen Aktienkauf im Rahmen eines Vergütungsprogramms vorgenommen, das der Aufsichtsrat beschlossen hat und bis Ende Dezember 2015 befristet war.“ Erst in der zweiten Januarhälfte 2016 hätten sich die beiden Verwaltungsrats- und Börsenchefs gemeinsam darauf verständigt, die Fusionsverhandlungen zwischen LSE und Deutscher Börse auf den Weg zu bringen. „Dass Kengeter vorsätzlich ein Insidergeschäft gemacht hat, kann ich mir nicht vorstellen“, bestätigte ein Arbeitnehmervertreter dem Handelsblatt.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt dagegen scheint sich das sehr wohl vorstellen zu können. Die Durchsuchungen waren umfangreich; vier Staatsanwälte aus Frankfurt, zehn Beamte des Landeskriminalamts Wiesbaden und mehrere Beamte der Bafin waren daran beteiligt, mehrere Objekte wurden durchsucht. Das ist massiv.

Für Carsten Kengeter und die Deutsche Börse ist die Integrität des charismatischen CEO ebenso wie seine Überzeugungskraft eines der wichtigsten Assets, um die Fusionspläne nicht zum Scheitern zu bringen. Und so erklärt sich der Manager: „Ich habe den Aktienkauf mit meinem eigenen Geld nicht zu einem selbstgewählten Zeitpunkt getätigt, sondern in einem mir vorgegebenen Zeitraum zwischen dem 1. und 21. Dezember 2015, den der Aufsichtsrat für die Teilnahme an dem Vergütungsprogramm festgelegt hatte. Die gekauften Anteile haben zudem eine Haltefrist bis 2019.“

Die Zahlen der Deutschen Börse sind gut

Das Unternehmen erzielte im Gesamtjahr Nettoerlöse in Höhe von 2.388,7 Millionen Euro, was einem Anstieg von acht Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht, nachdem 2015 ein Gewinn von 2.220,3 Millionen Euro zu Buche stand. Hierzu hat insbesondere die Entwicklung im Segment Eurex und das gruppenweit starke vierte Quartal beigetragen, in dem die Nettoerlöse auf dem höchsten Stand seit 2008 lagen. Die bereinigten operativen Kosten lagen mit 1.174,2 Millionen nach 1.158,4 Millionen Euro trotz Konsolidierungseffekten nur leicht über denen des Vorjahres. Der bereinigte Konzern-Periodenüberschuss lag bei 810,8 Millionen Euro und damit um 14 Prozent über dem Vorjahr. Das unverwässerte Ergebnis je Aktie, bereinigt um Sondereffekte, betrug 4,34 Euro nach 3,85 Euro im Vorjahr.

Für das Geschäftsjahr 2016 schlägt der Vorstand der Deutsche Börse AG einen Anstieg der Dividende auf 2,35 Euro je Aktie vor; 2015 waren es 2,25 Euro je Aktie. Der Vorschlag entspricht einer Ausschüttungsquote von 54 Prozent des Konzern-Periodenüberschusses und liegt damit im Rahmen der Ausschüttungspolitik der Gruppe von 40 bis 60 Prozent. Die Dividende bedarf noch der formellen Zustimmung des Aufsichtsrats und der Aktionäre der Deutsche Börse AG bei der Hauptversammlung am 17. Mai 2017. Doch jetzt schon ist sichtbar, wie die Anleger die Zahlen aufnehmen, die CEO Carsten Kengeter vorgelegt hat: positiv. In den letzten Tagen notierte das Papier knapp unter seinen historischen Höchstständen, und es lässt sich auch von einem aktuell eher leicht sinkenden Umfeld nicht wesentlich drücken.

Carsten Kengeter, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Börse AG, sagte über das abgelaufene Geschäftsjahr: „Neben dem Fortschritt bei dem geplanten Zusammenschluss mit der London Stock Exchange Group haben wir 2016 konsequent unsere Wachstumsstrategie ‚Accelerate‘ weiter umgesetzt. Dabei haben wir eine Vielzahl von neuen Wachstumsinitiativen ins Leben gerufen, unser Projekt- und Beteiligungsportfolio weiter optimiert und die Gruppe kundenzentrierter aufgestellt. Im Ergebnis haben wir damit das obere Ende unserer Gewinnprognose erreicht.“

Gregor Pottmeyer, Finanzvorstand der Deutsche Börse AG, ergänzte: „Unsere fortlaufenden Maßnahmen zur Verbesserung der operativen Effizienz haben im abgelaufenen Geschäftsjahr ihre volle Wirkung gezeigt. Entsprechend sind die Kosten unterproportional gestiegen und haben damit einen wichtigen Beitrag zum Ergebniswachstum geliefert. 2017 werden wir die operative Effizienz weiter verbessern. Zudem erwarten wir Fortschritte bei unseren strukturellen Wachstumsinitiativen und rechnen mit einer weiteren Verbesserung des zyklischen Umfelds. Daher planen wir im laufenden Jahr für die Gruppe (auf eigenständiger Basis) erneut mit zehn bis 15 Prozent Wachstum des Konzern-Periodenüberschusses.“

Vorläufiges Ergebnis 2016

Zum Gewinnwachstum hat insbesondere das Segment Eurex beigetragen. Aber auch die Segmente Clearstream und Market Data + Services (MD+S) konnten jeweils ein einstelliges Wachstum verzeichnen. Als Bestandteil der Nettoerlöse der Segmente Clearstream und Eurex haben die Nettozinserträge der Gruppe deutlich zugelegt. Sie stiegen unter anderem durch die höheren Zinsen auf US-Dollar-Einlagen um 66 Prozent auf glatt 84 Millionen Euro; 2015 waren es 50,6 Millionen Euro. Die operativen Kosten lagen im Berichtsjahr mit 1.317,4 Millionen Euro um drei Prozent über denen des Vorjahres. Die Sondereffekte beliefen sich dabei auf 143,2 Millionen und setzten sich größtenteils aus Kosten für Unternehmenszusammenschlüsse zusammen.

Das Beteiligungsergebnis konnte ins Plus gedreht werden. Es belief sich 2016 auf 36,9 Millionen Euro, nachdem 2015 noch ein Minus von 1,5 Millionen Euro zu Buche gestanden hatte. Der deutliche Anstieg ist maßgeblich auf einen einmaligen Ertrag im Zusammenhang mit der Veräußerung von Anteilen an der BATS Global Markets, Inc. im vierten Quartal 2016 zurück¬zuführen. Bereinigt um Sondereffekte lag das Beteiligungsergebnis bei 5,7 Millionen Euro, es stieg damit um mehr als die Hälfte von 2,7 Millionen, die 2015 zu verzeichnen waren. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern (EBIT) der Gruppe Deutsche Börse stieg im Berichtsjahr aufgrund der gestiegenen Nettoerlöse und der nur leicht höheren operativen Kosten auf 1.108,2 Millionen Euro; 2015 waren es 935,6 Millionen. Ohne die beschriebenen Sondereffekte erzielte die Gruppe ein EBIT von 1.220,2 Millionen Euro, was einem Anstieg von 15 Prozent entspricht.

Für das Finanzergebnis der Gruppe ist ein Minus von 74,6 Millionen Euro zu verzeichnen. 2015 waren hier nur 57,5 Millionen angefallen. Der Rückgang resultiert maßgeblich aus einem positiven Währungseffekt im ersten Quartal 2015 in Höhe von 18,1 Millionen Euro. Die effektive Gruppensteuerquote für 2016 lag bei 27,7 Prozent – 2015 waren es 26,1 Prozent. Um Sondereffekte bereinigt betrug sie wie erwartet für 2016 glatte 27 Prozent. Damit belief sich der Konzern-Periodenüberschuss der Gruppe auf 722,1 Millionen Euro nach 613,3 Millionen im Jahr zuvor. Ohne die beschriebenen Sondereffekte lag der Konzern-Periodenüberschuss bei 810,8 Millionen nach 712,1 Millionen Euro im Jahr zuvor. Das unverwässerte Ergebnis je Aktie belief sich auf Basis des gewichteten Durchschnitts von 186,8 Millionen Aktien auf 3,87 Euro; 2015 waren es 3,31 Euro bei durchschnittlich 185 Millionen ausstehenden Aktien. Bereinigt um die genannten Sondereffekte lag das unverwässerte Ergebnis je Aktie bei 4,34 Euro, was einem Anstieg von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Soweit Zahlen, die das Unternehmen pflichtgemäß veröffentlichte.

Es bleibt spannend bei der Deutschen Börse. Hält die Verteidugungslinie von Carsten Kengeter nicht, bekommt die geplante Börsenfusion einen Beigeschmack, der hässlich und schädlich ist. Anleger mögen solche Störungen nicht, die Fusion könnte letztendlich sogar kippen. Geht man allerdings nach dem Aktienkurs, hat Kengeter zumindest aus Anlegersicht gute Chancen, diesen „Insiderskandal“ zu überstehen. sig