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Kursrutsch bei Snapchat: Star-Investoren schlagen zu

Mehr als unbefriedigende Quartalszahlen und unsichere Zukunftsaussichten führten jüngst zu erheblichen Kursverlusten bei der Aktie des kalifornischen Tech-Konzerns Snap, der freilich vor allem für ein Produkt bekannt ist: seine Foto-App Snapchat. Nach dem erfolgreichsten Börsengang in den USA seit Alibaba im Jahr 2014, ist nun, gute zwei Monate nach dem Weg aufs Parkett, bei vielen Anlegern bereits Katerstimmung angesagt. Nur nicht bei einigen Star- und Großinvestoren. Warum?

BÖRSE am Sonntag

Mehr als unbefriedigende Quartalszahlen und unsichere Zukunftsaussichten führten jüngst zu erheblichen Kursverlusten bei der Aktie des kalifornischen Tech-Konzerns Snap, der freilich vor allem für ein Produkt bekannt ist: seine Foto-App Snapchat. Nach dem  erfolgreichsten Börsengang in den USA seit Alibaba im Jahr 2014, ist nun, gute zwei Monate nach dem Weg aufs Parkett, bei vielen Anlegern bereits Katerstimmung angesagt. Nur nicht bei einigen Star- und Großinvestoren. Warum?

Großes Staunen an der Wall Street! Der Debütant schießt um 44 Prozent nach oben, die Anzeigetafel konnte die steile Kurve kaum darstellen. Am 2. März diesen Jahres passierte das, mit Snapchat gab ein weiteres kalifornisches Tech-Unternehmen sein Debut. Ein Kurs von 24,48 US-Dollar am Ende des ersten Handelstag, am morgen hatte der Ausgabekurs war noch bei 17 US-Dollar gelegen. Die Euphorie jedoch währte nicht lange. Bis Mitte März büßte die Aktie beinahe ihren gesamten Kursgewinn wieder ein. Einige Anleger sahen da schon eine lukrative Einstiegschance, womit sich der Anteilsschein in der Folge wieder verteuerte und sich schließlich bei umgerechnet zirka 20 Euro einzupendeln schien. Dann aber veröffentlichte Snapchat seine Zahlen für das erste Quartal des laufenden Jahres. Und das Pendel schlug aus. Nach ganz weit unten. Zwischenzeitlich fand sich die Aktie gar nahe ihrem Ausgabewert wieder. Inzwischen steht sie mit 18,58 Euro wieder minimal besser da.  

Aus einer anfänglichen Goldgräberstimmung ist bei vielen Anlegern und Investoren auf einmal Angst geworden. Angst davor, die großen Kursgewinne bei Snapchat doch nicht finden und ausgraben zu können. Diese Angst – sie ist bei einem Blick auf fundamentale Zahlen keineswegs unbegründet. Angesichts der kürzlich vorgelegten und alarmierend schlechten Werte für das erste Quartal 2017 kann man aus Aktionärssicht beinahe froh sein, dass aus Angst keine Panik wurde. Gerade am Finanzmarkt geht so etwas ja oft recht zügig. Den Umsatz konnte das Unternehmen mit Sitz in Los Angeles zwar um das Vierfache auf 149,6 Millionen Dollar steigern, das war aber immer noch weniger als von vielen Analysten erwartet.

Zudem stand ein Verlust in Höhe von sage und schreibe 2,2 Milliarden Dollar zu Buche. Der resultiert zwar fast ausschließlich aus einmaligen Belastungen durch Aktienoptionen aufgrund des Börsengangs, dennoch ist die Zahl, salopp formuliert, ein „Brett“. Außerdem wäre auch ohne Sonderzahlungen ein hoher Verlust auf dem Papier gestanden. Wieder einmal. Schon 2016 hatte man 514,6 Millionen Dollar Miese gemacht. Und das bei einem Jahresumsatz von 404,5 Millionen Dollar. Überhaupt hat Snapchat bisher noch nie einen Gewinn ausweisen können. Hinzu kommt, dass es in Sachen Nutzerwachstum nicht voran geht. Ein Anstieg um acht Millionen Nutzer im Vergleich zum letzten Quartal 2016, ist vor allem für viele erfolgsverwöhnte Tech-Aktionäre einfach zu wenig. Und die Wachstumsrate geht im Vergleich zum Vorjahr damit sogar zurück. 

Gerade jetzt aber steigen plötzlich Börsenkoryphäen wie George Soros und andere Wall Street-Schwergewichte, wie die US-Investmentbank Goldman Sachs oder die Hedgefonds Coatue Management und Jana Partners ein. Auch viele Analysten sind im Mittel noch recht positiv gestimmt. Vergoldet die Snap-Aktie am Ende also vielleicht doch noch das Depot? Oder steckt hinter den Zukäufen jener großen Finanzmarkt-Player ein eher unmoralisches Kalkül? Nämlich durch Zukäufe auf das Papier aufmerksam machen, die Aktie als aufgehenden Stern am US-amerikanischen Technologiehimmel gelten lassen, und am Ende, wenn immer mehr Anleger endlich auch jener Meinung sind und den Kurs in die Höhe getrieben haben, die eigenen Anteile verkaufen und Gewinne mitnehmen.

Schaut man sich die Snapchat-Performance an und vergleicht sie mit der von Hauptkonkurrent Facebook, dann scheint diese Theorie gar nicht so weit hergeholt. Schließlich stellt sich die Frage: Mit was will Snapchat eigentlich jemals Geld verdienen? Und was, wenn die App für den Nutzer plötzlich unattraktiv wird? Klar, letztere Frage kann man auch bei anderen Unternehmen aus der Tech-Branche stellen. Doch dort sind die Voraussetzungen andere. Google, Facebook, Apple. Diese Konzerne sind finanziell so stark, dass sie aufstrebende Konkurrenten mit neuen Ideen mehrheitlich einfach aufkaufen. So gehören WhatsApp und auch Instagram bekanntermaßen nun schon seit längerem Mark Zuckerberg.

Auch Snapchat wollte der Facebook-Gründer schon aufkaufen. Einmal für eine Milliarde und dann nochmal für drei Milliarden Dollar. Die Snapchat-Gründer um Evan Spiegel und Bobby Murphy lehnten ab. Und jetzt? Jetzt kopiert Zuckerberg eben die Snapchat-Idee mit Instagram. Auch dort kann der Nutzer inzwischen Fotos mit Gesichtsfiltern versenden, die sich nach 24 Stunden selbst löschen. Und genau das war es ja, was Snapchat so besonders und erfolgreich gemacht hatte. Snap-CEO Evan Spiegel sagt dazu zwar relativ trocken: „Nur weil Yahoo eine Suchbox hat, sind sie noch lange nicht Google.“ Doch ist Yahoo eben auch Yahoo und hat nicht wie Instagram oder Facebook bereits 700 Millionen beziehungsweise fast 1,9 Milliarden aktive Nutzer.

Zudem lässt sich nicht nur die Entwicklung der App und des Unternehmens schwer abschätzen, sondern auch die des Aktienkurses. Nach guten zwei Monaten an der Börse kommt man mit Chart-Analysen noch nicht weit. Hinzu kommt der Maulkorb den sich Evan Spiegel, was Prognosen für die Zukunft betrifft, selbst auferlegt hat. So stehen aktuell nicht nur keine Gewinne zu Buche, sondern es gibt faktisch auch keine Zahlen für zukünftige Quartale und Geschäftsjahre. Aktionäre haben weiterhin keine Stimmrechte, eine Dividende wird ebenfalls nicht gezahlt. Und dann wäre da noch die Frage: Was kann Snap eigentlich noch außer Snapchat? Bisher nicht viel. Man stellt zwar noch tragbare Kameras namens „Spectacles“ her, doch durchschlagenden Erfolg erzielen die Kalifornier damit noch nicht.

Am Ende könnte Snapchat ein gutes Beispiel dafür werden, dass auch am Finanzmarkt nicht alles Gold ist, was glänzt. Wer nach Börsenschätzen graben will, der sollte das vielleicht lieber woanders tun oder einfach auf den nächsten Tech-Hype mit einem wenigstens halbwegs stabilen Zahlenfundament warten. Egal, was die Star- und Groß-Investoren sagen und tun. OG