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Tech-Branche: Innovationen „made in Asia“

Immer mehr Asiaten haben Zugang zum Internet und nutzen digitale Dienstleistungen. Davon profitieren insbesondere die großen IT-Unternehmen in der Region. Für entsprechend risikobereite Anleger können sich daraus interessante Investmentmöglichkeiten ergeben, die Ulrich Stephan, der Chefanlagestraege der Deutschen Bank, sehr wohl weiß.

BÖRSE am Sonntag

Immer mehr Asiaten haben Zugang zum Internet und nutzen digitale Dienstleistungen. Davon profitieren insbesondere die großen IT-Unternehmen in der Region. Für entsprechend risikobereite Anleger können sich daraus interessante Investmentmöglichkeiten ergeben.

Von Ulrich Stephan

Ein Gehweg speziell für Smartphone-Nutzer: Was ungewöhnlich klingt, wurde in der zentralchinesischen Stadt Chongqing bereits im Jahr 2014 Realität – inklusive Markierungen auf dem Boden, die beim Blick nach unten für Orientierung sorgen. Viele Chinesen haben ein inniges Verhältnis zu ihrem smarten Begleiter: Taxi rufen, Fahrrad mieten, einkaufen – und gleich mobil die Rechnung begleichen. So wurden in China nach Angaben der Nachrichtenagentur Xinhua in den ersten zehn Monaten des Jahres 2017 Waren und Dienstleistungen im Wert von umgerechnet mehr als zwölf  Billionen US-Dollar per Smartphone bezahlt. Das sind rund 40 Prozent mehr als im gesamten Jahr 2016.

Die Digitalisierung schreitet in China mit großen Schritten voran: Waren vor zehn Jahren nur etwa 250 Millionen Chinesen mit dem Internet verbunden, sind es heute bereits rund 700 Millionen – und damit doppelt so viele Menschen, wie in den USA insgesamt leben. Und der Markt verfügt weiterhin über enormes Potenzial. Die Zahl der Internetnutzer im Riesenreich mit seinen fast 1,4 Milliarden Einwohnern könnte Prognosen zufolge bis 2020 um jährlich rund 40 Millionen wachsen. Auch für andere asiatische Märkte werden hohe Zuwachsraten erwartet – für Indien beispielsweise sogar ein Plus von 50 Millionen Nutzern pro Jahr. Entsprechend groß ist in der Region das Wachstumspotenzial für zum Beispiel Onlinehändler, soziale Netzwerke, Internetbezahldienste und andere Technologieunternehmen.

Asiatische Tech-Unternehmen: starke Stellung am Heimatmarkt

Im Zuge der rasant zunehmenden Digitalisierung konnten sich in China zahlreiche IT-Unternehmen etablieren. Diese sind hierzulande teils unbekannt, müssen sich aber in vielerlei Hinsicht nicht hinter den berühmten US-Tech-Giganten verstecken. Denn entgegen allen Vorurteilen, lediglich westliche Trends zu kopieren: Im Technologiesektor präsentieren sich die Firmen in Fernost häufig als technologische Vorreiter und etablieren innovative Funktionen zum Teil sogar früher als ihre US-amerikanischen Pendants. So verfügen chinesische Instant-Messaging-Dienste bereits über eine Bezahlfunktion und boten lange vor den hier verbreiteten Messengern die Möglichkeit von Sprachnachrichten.

Dazu profitieren die großen chinesischen Technologieunternehmen von ihrer starken Stellung an ihrem Heimatmarkt, begünstigt durch protektionistische Maßnahmen seitens der Regierung: Der Zugang zum chinesischen Markt ist für ausländische IT-Unternehmen streng reglementiert. Daher konnten die heimischen Firmen weitestgehend frei von internationaler Konkurrenz ihre Dominanz ausbauen.

Europäische Tech-Anleger müssen in die Ferne schweifen

Der asiatische Technologiesektor besteht jedoch bei Weitem nicht nur aus großen Unternehmen, die ihren Kunden digitale Dienstleistungen anbieten. Daneben gibt es in der Region zahlreiche Firmen, die als Produzenten von Halbleitern und anderen Komponenten in die internationale Wertschöpfungskette eingebunden sind. Solche sind beispielsweise in Südkorea oder Taiwan zu finden und verfügen ebenso über positive Zukunftsaussichten – schließlich schreitet die Digitalisierung nicht nur in Asien, sondern weltweit weiter voran.

Aus Sicht der Deutschen Bank gehört der Technologiesektor deshalb zu den interessantesten Investmentzielen für entsprechend risikobereite Aktienanleger. Dabei müssen europäische Anleger den Blick jedoch zwangsläufig in die Ferne richten – denn in der Alten Welt ist die Branche kaum vertreten: Im breiten Europaindex Stoxx 600 macht der Tech-Sektor lediglich 4 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung aus. Im US-amerikanischen Leitindex S&P 500 hingegen steht die IT-Branche für knapp ein Viertel der Marktkapitalisierung und im breiten Schwellenländerindex MSCI Emerging Markets mittlerweile für fast 30 Prozent. In den vergangenen zehn Jahren hat sie Energie und Grundstoffe hier als wichtigste Sektoren abgelöst.

Insgesamt könnte es bei einem Investment ratsam sein, sein Kapital hinsichtlich unterschiedlicher Regionen, Branchen und Unternehmen breit zu streuen. Denn insbesondere innerhalb des Technologiesektors sind zahlreiche Unternehmen in sogenannten Winner-takes-it-all-Märkten tätig. Das bedeutet: Setzt sich ein bestimmtes Produkt, eine Technologie oder Dienstleistung gegenüber den Mitbewerbern durch – etwa weil eine kritische Masse an Benutzern erreicht ist –, profitiert der Anbieter des erfolgreichen Produkts in besonderem Maße. Alle anderen könnten zu den Verlierern gehören. Eine Herausforderung, der sich dienstleistungsorientierte Tech-Unternehmen sowie Social-Media-Anbieter in größerem Maße gegenübersehen als kleinere Zulieferbetriebe wie Halbleiter- und Chiphersteller.

Höhere Bewertung scheint gerechtfertigt

Grundsätzlich scheinen die Aussichten für die Technologieunternehmen weltweit aktuell ausgesprochen positiv. Zwar liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis für den Sektor innerhalb des weltweiten Aktienindex MSCI All Country World auf Basis der Gewinnerwartungen für die kommenden zwölf Monate bei 19 – und damit höher als für den Gesamtindex, der Aktien aus 23 Industrienationen und 24 Schwellenländern beinhaltet (15,7). Angesichts der besseren Ertragsaussichten für die Technologieunternehmen in den kommenden Jahren sowie der großen Marktmacht vieler Firmen aus dem Bereich scheint dieser Aufschlag jedoch gerechtfertigt. Auch in den nächsten zwölf Monaten liegen die Gewinnaussichten mit einem erwarteten Plus von 14,3 Prozent rund zwei Prozentpunkte über den Erwartungen für den Gesamtmarkt. Für Tech-Unternehmen weltweit sieht die Deutsche Bank daher besonderes Potential – ebenso wie für den asiatischen Aktienmarkt.

Ulrich Stephan ist Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank.