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Tesla: Positive Signale trotz tiefroter Zahlen

Gewaltige Verluste, immer neue Schulden in Milliardenhöhe und trotzdem kein Crash an der Börse: Bei Tesla gelten offenbar nach wie vor äußerst gewagte Visionen mehr als die schnöde Realität der harten Zahlen.

BÖRSE am Sonntag

Gewaltige Verluste, immer neue Schulden in Milliardenhöhe und trotzdem kein Crash an der Börse: Bei Tesla gelten offenbar nach wie vor äußerst gewagte Visionen mehr als die schnöde Realität der harten Zahlen.

Tesla konnte seine Investoren auch beim jüngsten Quartalsbericht nicht mit schwarzen Zahlen erfreuen. Zum wiederholten Mal in Folge Abermals fuhr der Elektrofahrzeughersteller ins Minus, diesmal mit Nettoverlusten in Höhe von 336,4 Millionen US-Dollar bei einem Gesamtumsatz von 2,79 Milliarden. Auch die Nachricht, dass das hochverschuldete Unternehmen sich erneut mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar leihen möchte, um sicherzustellen, dass die Produktion für das Model 3 ausgebaut werden kann, klang nicht sehr vielversprechend. Umso erstaunlicher: Der Kurs der Tesla-Aktie brach nicht – wie zuvor von vielen Skeptikern vorausgesagt – ein, sondern verzeichnete am Ende der Woche trotz starker Kursschwankungen ein Plus von 3,27 Prozent.  Es scheint, als würden bei Tesla gewagte Visionen mehr gelten als die Realität der harten Zahlen.

Das zweite Quartal 2017 stand bei Tesla ganz im Zeichen des Verkaufsstarts des neuen Models 3, mit dem der bislang nur für Luxus-Karossen bekannte Elektroautohersteller nun den Massenmarkt erobern möchte. Das Model 3, das von Tesla-Gründer Elon Musk selber als „großer Meilenstein in der Geschichte des Unternehmens“ bezeichnet wurde, konnte am 28. Juli zum ersten Mal an einen glücklichen Käufer übergeben werden. Bis zum jetzigen Zeitpunkt, wurde das Model 3, das eine Reichweite von circa 345 Kilometer bei einer Akku-Kapazität von 60 Kilowattstunden verzeichnet, allein 455.000 Mal vorbestellt.

Die aktuelle Nachfrage wäre also da. Aber: Bei angepeilten Produktionskapazitäten von 5.000 Wagen pro Woche und nur 84.000 Wägen, die bei Tesla im vergangenen Jahr vom Band rollten, stellt sich natürlich die Frage, wo die Kapazitäten für einigermaßen pünktliche Lieferungen herkommen sollen. Kunden, die ihr Modell jetzt vorbestellen, können frühestens in 18 Monaten mit ihrem Wagen rechnen. Dass das vielen schlichtweg zu lange ist, zeigen auch die Stornierungszahlen: So gab es bis zum jetzigen Zeitpunkt allein 60.000 Stornierungen, Tendenz steigend. Eine bemerkenswerte Zahl ist dies übrigens auch, weil nicht ganz klar ist, ob es sich nur um Terminfrust oder auch um Zweifel an der Technik und der Elektromobilität an sich handelt.

Die Gesetze der Physik – für Elon Musk kein Hindernis

Angesichts des offensichtlichen großen Entwicklungsbedarfs hinsichtlich der Tesla-Produktionsstätten ist es kaum verwunderlich, dass Tesla ankündigte, die Produktionskapazitäten für das Model 3 auszubauen – und zwar im ganz großen Stil. Dass hierfür für das Unternehmen, das auch noch immer nicht profitable agiert, einfach das Geld fehlt, scheint für Konzernchef Elon Musk kein Problem zu sein: So kündigte er zu Beginn letzter Woche an, dass er vorhabe, sich weitere 1,5 Milliarden US-Dollar am Kapitalmarkt zu leihen. Der Tesla-Gründer gab bei einer Telefonkonferenz an, dass er nicht vorhabe, eine Kapitalerhöhung vorzunehmen, sondern sich stattdessen an den Märkten bedienen möchte, um eine Verwässerung der Aktien zu vermeiden. Bei den neuen Anleihen, soll es sich, anders als bei den bereits im März aufgenommenen Wandelanleihen, um ganz normale Anleihen mit einer Laufzeit von acht Jahren und einem Zinssatz von 5,3 Prozent handeln.

Elon Musk kündigte bei der Konferenz ebenfalls an, dass es sich bei der erneuten Schuldenaufnahme nicht unter dem Securities Act von 1993 registrierte, und somit nicht für Investoren öffentliche Anleihen, handele. Die Ratingagentur Moody’s gab den neuen Anleihen ein Corporate Family Ranking (CFR) von B2, basierend auf der Erwartung, dass es Tesla gelingt, im Jahr 2018 geschätzte 300.000 Einheiten des neuen Models 3 mit einer Bruttomarge von 25 Prozent zu verkaufen. Ob dies unter bisherigen Voraussetzungen möglich ist, bleibt abzuwarten. Trotz der relativen Risiken scheint die Tesla-Anleihe extrem gefragt: Dem Unternehmen gelang es laut der Nachrichtenagentur Reuters bis Montag anstelle der angestrebten 1,5 Milliarden sogar 1,8 Milliarden US-Dollar an Anleihen an den Mann zu bringen. Damit erhöht sich der Gesamtschuldenberg des Elektrofahrzeugherstellers auf sagenhafte 9,9 Milliarden US-Dollar.

Noch wirkt er, der Zauber...

Der Andrang bei der Veräußerung der Anleihen zeigt: Wieder einmal scheinen bei Tesla kühne Visionen mehr zu zählen als die harte Realität der Zahlen. Doch wie sehen Analysten der Entwicklung Teslas entgegen? Bill Selesky, Analyst bei Argus Research, gibt der Aktie eine klare Kaufempfehlung mit einem Kursziel von 444 US-Dollar, was einem Anstieg von über 21 Prozent, gemessen am Kurs von Montag, entspräche. Als Gründe für seine ambitionierte Einschätzung, nennt er die hohen Bestellzahlen des Models 3. Weiterhin glaubt er, dass es Tesla gelingen wird, bis Ende 2018 eine Bruttogewinnmarge von 25 Prozent für das Model 3 zu erreichen, ein Wert den der Elektroautohersteller für die Luxus-Modelle Model S und Model X bereits erreicht. Analysten von Bernstein Research sehen die Entwicklung Teslas etwas skeptischer: So erhöhten sie letzte Woche zwar ihr Kursziel auf 265 US-Dollar, gaben jedoch keine Kaufempfehlung für die Aktie ab, sondern beließen stattdessen die Einstufung auf „Market-Perform“. Bernstein Analyst Toni Sacconaghi gab zu verstehen, dass er Teslas Ziele für aggressiv halte und an der Fähigkeit der Firma zweifele, in der nahen Zukunft ein dramatisch höheres Absatzvolumen zu meistern.

Was die Fantasie die Anleger noch weiter steigern könnte: Fast jede Woche, so scheint es, kündigt der Elektrofahrzeughersteller ein neues gewagtes Projekt für die Zukunft an. War es vor wenigen Tagen noch die Massenmarkteroberung mit dem Model 3, folgte in kurzem Abstand darauf, die Bekanntmachung, dass Tesla nun vorhabe, im Bundesstaat Nevada Prototypen autonome Elektro-LKWs zu testen. Laut des vor einem Jahr vorgestellten „Masterplans“ von Konzernchef Elon Musk, soll der sogenannte „Tesla Semi“, ein vollelektrisches Sattelfahrzeug, welches durch mehrere Model 3 Motoren angetrieben werden soll, bereits Ende September vorgestellt werden. Ob der Tesla Semi bereits die Kapazitäten besitzt, autonom zu fahren, ist nicht klar. Eben so revolutionär wie selbstfahrende Elektro-LKWs: Elon Musks Energienutzungsprojekt Tesla Energy, welches aus der Fusion zwischen Tesla und SolarCity hervorging und sich zum Ziel gesetzt hat, durch Solardachziegel und Solarbatterien für die häusliche Nutzung, private Energienutzung von Grund auf zu verändern.

Kann für die Tesla-Aktie also angesichts der relativ guten Bewertung durch Analysten und der vielen visionären Projekte für die Zukunft eine Kaufempfehlung abgegeben werden? Wie so häufig im Aktienmarkt ist diese Frage nur sehr schwer zu beantworten. Klar ist, dass Tesla als Unternehmen noch längst nicht rentabel agiert und somit eine Investition in das Unternehmen immer noch mit beträchtlichen Risiken verbunden ist. Ob es Tesla gelingt den negativen Cash-Flow bis spätestens 2019 umzukehren, wird maßgeblich davon abhängen, ob es Tesla gelingt seine Produktionskapazitäten für das Model 3 schnell auszubauen und 455.000 vorbestellten Wägen mit der eingeplanten Gewinnmarge von 25 % innerhalb der nächsten 18 Monate zu verkaufen. Gelingt dies nicht, droht dem Elektroautohersteller eine gehörige Schieflage. Aus diesem Grund, sollten Anleger, die es nicht so gerne risikoreich mögen, vielleicht zunächst einmal die weitere Entwicklung des E-Fahrzeugherstellers abwarten. Rosalie Engels