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Zalando: Schrei vor Schmerz

Das Ausmaß der jüngsten Prognosesenkung schockt Anleger und Analysten gleichermaßen. Die Zalando-Aktie bricht dramatisch ein. Dem Online-Modehändler droht der perfekte Sturm.

(Foto: Zalando)

Das Ausmaß der jüngsten Prognosesenkung schockt Anleger und Analysten gleichermaßen. Die Zalando-Aktie bricht dramatisch ein. Dem Online-Modehändler droht der perfekte Sturm.

Seit Ende August 2021 befindet sich der Kurs der Zalando-Aktie nun schon auf Talfahrt. Eine Bodenbildung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Der Abverkauf der Papiere scheint sich Monat um Monat zu beschleunigen. 77 Prozent an Wert hat die Aktie nun schon verloren – in knapp zehn Monaten. Die Anteile des Online-Modehändlers erleben einen Sturz ins Bodenlose. Am Freitagmorgen ging es erneut kräftig bergab. Zwischenzeitlich verloren die Zalando-Papiere 18 Prozent an Wert und kosteten nur noch 20,94 Euro. Damit waren sie sogar günstiger als einst 2014 zum Börsengang mit einem Ausgabepreis von 21,50 Euro. 6,6 Milliarden Euro ist Zalando an der Börse noch wert. Im vergangenen Sommer waren es 28 Milliarden. Der Kurs stand schon einmal bei 105,90 Euro.

Prognosesenkung übertrifft schlimmste Erwartungen

Aus Schrei vor Glück, wie Zalando einst warb, wird für Anleger Schrei vor Schmerz. Die Prognosesenkung in dieser Woche hat wohl endgültig jegliche Hoffnungen auf eine Erholung erstickt. Nach einem bereits schwachen ersten Quartal mit einem bereinigten Betriebsverlust von 52 Millionen Euro und dem ersten Umsatzrückgang seit der Unternehmensgründung, könnten die Einnahmen nun auch im zweiten Quartal stagnieren. Im Positiv-Szenario würden sie um drei Prozent auf 10,7 Milliarden Euro wachsen. Das bereinigte Ebit erwartet das Management um die beiden Gründer David Schneider und Robert Gentz bei 180 bis 260 Millionen Euro. Das würde immerhin einen Gewinn bedeuten. Bislang allerdings waren 430 bis 510 Millionen Euro angepeilt worden. Hinzu kommt, dass Zalando die Investitionen bereits zurückschraubt und Sparmaßnahmen einleitet, sprich die Kosten senkt. Dass der Gewinn trotzdem so stark einzubrechen droht, hat selbst viele ohnehin schon pessimistisch gestimmte Analysten überrascht.

JPMorgan-Analystin Georgina Johanan schrieb, sie habe die Warnung erwartet, aber das Ausmaß sei im negativen Sinne erstaunlich. Für 2022, so die Expertin, bestehe nun das Risiko, dass Zalando die eigenen Erwartungen noch öfter zurückschrauben müsse. Obwohl die Aktie nun schon so viel an Wert verloren habe, könne sie das Papier deshalb immer noch nicht zum Kauf empfehlen. Die Analysten von RBC und Barclays gaben ähnliche Statements ab. Bedeutend fällt auch die Kürzung des erwarteten Bruttowarenvolumens aus. Statt einem Wachstum von 23 Prozent erwartet Zalando für 2022 nur noch eines von sieben Prozent auf maximal 15,3 Milliarden Euro.

Mix des Grauens: Zinserhöhungen und Wachstumseinbußen

Das Unternehmen selbst schrieb in einer Mitteilung: „Zalando geht von makroökonomischen Herausforderungen aus, die länger anhalten und intensiver sein werden als zunächst angenommen.“ In Wahrheit dürften das bei den Berlinern inzwischen aber keine Herausforderungen mehr sein, sondern echte Probleme. Zalando leuchtet gerade als mahnendes Beispiel für das, wovor sich ein großer Teil der Tech-Branche fürchtet. Nach den Boom-Jahren infolge der Corona-Pandemie setzt eine Normalisierung im Verbraucherverhalten ein. Besonders im Online-Handel geht die Nachfrage zurück oder steigt zumindest nicht mehr so schnell wie zuvor. Gleichzeitig steigen die Kosten durch die Zinserhöhungen der Notenbanken. Die hohen Inflationsraten drücken zusätzlich und ganz allgemein auf die Konsumlaune. Zusammen ergibt das den perfekten Sturm. Zinserhöhungen allein hätten die Tech-Branche schon unter Druck gebracht. Nun gibt es aber Zinserhöhungen und gleichzeitig Wachstumseinbußen inklusive Rezessionsszenario.

Einem solchen Mix kann sich nicht einmal Online-Gigant Amazon entziehen. Im ersten Quartal machte auch der Konzern mit Sitz im US-Bundesstaat Washington den ersten Verlust seit 2015. Anleger straften die Aktie entsprechend ab. Auf Jahressicht hat das Papier fast 30 Prozent verloren und kostet aktuell in etwa so viel, wie einst vor dem globalen Ausbruch des Coronavirus.

Wachstumsunternehmen, die nicht mehr wachsen, will niemand im Depot haben

Für Amazon ein herber Rückschlag. Und dennoch: es sind 30 Prozent, nicht über 70 Prozent. Amazon kann sich darüber hinaus auf seine Cloud-Sparte AWS verlassen. Wie viele andere großen Tech-Konzerne steht das Geschäftsmodell des Riesen auf einem breiten Fundament. Genau dieses haben kleinere Tech-Unternehmen wie Zalando nicht. Für den Modehändler geht es wie für viele Firmen aus der Branche nun ums Überleben. In Zeiten wie diesen kommt es darauf an, wer den längeren Atem hat, die Kosten herunterfahren und Kapitalgeber von der eigenen Geschäftsidee überzeugen kann. An der Börse jedenfalls dürften die großen Partys erst einmal vorbei sein. Wachstumsunternehmen, die nicht mehr wachsen, gleichzeitig aber auch kaum Gewinn machen, geschweige denn Dividenden abwerfen, will man nicht im Depot haben. Gerade jetzt, da ohnehin die Bären am Markt dominieren und Investoren eher nach Sicherheit, als nach Abenteuer suchen.

OG

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